„Ein großes Musikdrama“ - Dirigent Robert Jindra über Dvořáks Oper „Armida“
„Armida“ ist die letzte Oper, die Antonín Dvořák geschrieben hat. Nach dem großen Erfolg von „Rusalka“ von 1901 suchte der Komponist nach einem Thema, das auch möglichst viele Opernliebhaber im Ausland ansprechen könnte. Er entschied sich damals für ein Libretto von Dichter Jaroslav Vrchlický. Dieser ließ sich wiederum vom Torquato Tassos Epos „Das befreite Jerusalem“ inspirieren. Nach mehr als 30 Jahren wird das Werk kommende Woche im Prager Nationaltheater wieder aufgeführt. Regie der Neuinszenierung hat der renommierte Opernregisseur Jiří Heřman. Einstudiert wurde die „Armida“ vom Musikdirektor des Nationaltheaters, Robert Jindra. Er arbeitet als Dirigent oft auch im Ausland – und da vor allem in Deutschland. Martina Schneibergová hat mit ihm gesprochen.
Herr Jindra, die Oper „Armida“ hat Sie, wie Sie sagen, schon immer fasziniert. Womit hat Sie das Werk so stark beeindruckt?
„Schon während meines Studiums habe ich eine Aufnahme der Oper gehört und war fasziniert. Jeder kennt die ,Rusalka‘. Im Ausland wird Dvořák mit di4esem Werk gleichgesetzt, wenn von seinen Opern die Rede ist. Aber die ,Armida‘ ist unbekannt. Als ich zuletzt ein Konzert in München dirigierte, fragten mich die Musiker, warum ich gleich nach Prag zurück muss. Ich sagte ihnen, dass am nächsten Tag die Proben für ,Armida‘ beginnen. Sie schauten mich erstaunt an und fragten: ,Was für eine Armida?‘ ,Die Armida von Dvořák.‘ Und es folgte: ,Dvořák hat dieses Stück geschrieben?‘ Ja, das Stück ist im Ausland unbekannt. Ich finde nur, dass das schade ist. Die Musik ist interessant und farbenfroh, sie steht Wagner nahe. Es ist ein großes Musikdrama.“
Wie erklären Sie sich, dass die Oper so wenig bekannt ist und dass sie selten aufgeführt wird?
„Wer weiß. Im Nationaltheater wurde sie zuletzt 1991 inszeniert. Ich nehme an, dass sie wenig bekannt ist, weil die Handlung und die Dramaturgie ein wenig problematisch sind. Denn der Text klingt sehr altmodisch. Ich musste ihn wieder und wieder lesen, um ihn zu verstehen. Es ist nicht einfach, das Werk zu inszenieren. Das könnte der Grund sein. Im Ausland kennen alle die ,Rusalka‘. Das ist ein geniales Opus. Wenn ich einmal die Möglichkeit erhalte, im Ausland etwas vom tschechischen Repertoire vorzustellen, werde ich mich für die ,Armida‘ entscheiden.“
Ihren Worten zufolge war Antonín Dvořák vermutlich kein sehr guter Dramaturg…
„Dvořák bleibt der große Symphoniker. Natürlich sind die großen Oratorien wie beispielsweise ,Stabat Mater‘ oder sein Requiem das Beste von ihm. Er hatte bei den Opern manchmal das Problem, das richtige Libretto zu finden. Das betraf die ,Teufelskäthe‘ oder den ,Jakobiner‘. Man hört dort herrliche Musik, aber sie klingt wie eine Symphonie. Wenn alles jedoch klappt, ist die Aufführung dann genial.“
Erinnert der dritte Akt der ,Armida‘ nicht an die Musik der Impressionisten?
„Das meine ich. Ich finde, dass die orientalischen Musikfarben und die Instrumentation neu sind. Auch bei der ,Rusalka‘ gibt es an einigen Stellen Momente, in denen man sagen könnte: Das nähert sich dem Impressionismus. In der ,Armida‘ ist dies noch intensiver.“
Der Text von Vrchlický ist sehr schwer, wie auch die Solisten zugeben. Mussten Sie einige Passagen aus der Oper weglassen?
„Wir haben etwas in der Partitur gestrichen, obwohl die erste Idee war, das Stück komplett zu spielen. Ich habe mit dem Regisseur über die Handlung und den Text diskutiert – nachher haben wir uns entschieden, doch etwas zu streichen. Einige Wörter haben wir geändert, denn die waren so archaistisch, dass niemand von uns wusste, was sie bedeuten. Aber es ist nicht sehr viel, was weggelassen wurde. Ich finde, dass diese Inszenierung die größte oder längste Fassung der Oper ist, die je aufgeführt wurde.“
Gibt es überhaupt eine komplette Aufnahme der „Armida“?
„Nein, es gibt keine komplette Aufnahme. Aber einige Aufnahmen finde ich allzu kurz.“
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit des Dirigenten mit dem Regisseur?
„Nicht nur in Tschechien, sondern auch im Ausland, ist es oft so, dass es sozusagen eine ,Musikwelt‘ und eine ,Regiewelt‘ gibt. Das finde ich sehr schlimm. Die Zusammenarbeit mit Regisseur Jiří Heřman ist immer hoch interessant. Er ist sehr intelligent, hat gute Ideen, kreiert spontan die richtigen Beziehungen zwischen den Figuren. Das Bühnenbild ist immer sehr schön, aber auf der Bühne ist doch etwas Geheimnisvolles zu spüren. Mir gefällt die Zusammenarbeit mit ihm sehr, weil er sehr sensitiv ist. Die Grundlage für eine erfolgreiche Vorstellung ist eine sichere, perfekte und starke Zusammenarbeit mit dem Inszenierungsteam, das heißt zwischen dem Regisseur, dem Dirigenten, dem Szenographen und den Sängern.“
Beeinflussen Sie sich gegenseitig, sie und Regisseur Heřman?
„Mich interessiert es, wenn er zu mir kommt und etwas zur Musik sagt. Er ist sehr musikalisch. Das inspiriert mich natürlich. Ich versuche, auch ihn zu inspirieren. Das ist die richtige Beziehung für das Theater. Aber ich habe es schon zuvor erlebt, dass der Regisseur einfach nur seine Meinung in der Inszenierung durchsetzt und sich nicht dafür interessiert, was im Orchestergraben passiert. Das funktioniert dann überhaupt nicht.“
Gibt es Opernregisseure, die nicht musikalisch sind?
„Sehr oft, muss ich sagen – ohne Witz. Ich lerne gern neue Inszenierungen kennen. Das ist auch für mich interessant. Das Theater muss sich weiter entwickeln, muss weiter leben. Für mich ist auch wichtig, ob der Regisseur Noten lesen kann. Denn oft werden Opern von Schauspielregisseuren inszeniert. Und das bringt manchmal Probleme mit sich. Bei einem Schauspiel hat der Regisseur einen Text und kann die Zeit so gestalten, wie er das fühlt. Aber mit der Partitur, mit den Noten ist es nicht möglich. Er muss den Schlüssel finden, wie die Oper im jeweiligen Tempo, in dem bestimmten Rhythmus zu inszenieren ist. Bei Jiří Heřman ist dies problemlos. Er ist feinfühlig, sehr musikalisch und spürt die Musik. Die Zusammenarbeit ist großartig. Ich kenne ihn seit meinen Studienjahren und weiß, wie er arbeitet. Ich hoffe, dass es dank der Zusammenarbeit eine schöne Premiere geben wird.“
Die Premiere der Neuinszenierung von Antonín Dvořáks Oper „Armida“ erfolgt im Rahmen des Musikfestivals Prager Frühling, und zwar am 19. Mai ab 19 Uhr im Nationaltheater. Es gibt noch einige Restkarten.