Prager Nationaltheater in nächster Saison: Acht Opernpremieren und vier neue Ballettvorstellungen

Nationaltheater in Prag

Das Prager Nationaltheater hat vor kurzem seine Pläne für die nächste Spielzeit vorgestellt. Martina Schneibergová war dabei und hat mit dem künstlerischen Leiter der Oper des Nationaltheaters, Per Boye Hansen, und mit dem Leiter des Ballettensembles, Filip Barankiewicz, gesprochen.

Per Boye Hansen | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Herr Hansen, Sie bereiten für die nächste Spielzeit sogar acht Premieren vor, sowohl aus dem klassischen Repertoire als auch ganz neue Sachen…

„Ich denke, dass dies schon unsere Aufgabe ist. Natürlich sollen wir das klassische Repertoire in neuer Form präsentieren, aber auch etwas ganz Neues. Zum Beispiel wird Ariberts Reimanns Oper ‚Lear‘ nach Shakespeare zum ersten Mal in Tschechien vorgestellt, dabei handelt es sich um eine Oper, die überall in der Welt schon gespielt wurde. Es gab sie in Paris, in München und bei den Salzburger Festspielen. Ich halte sie für eine sehr starke Oper über Macht und Machtmissbrauch, sie ist sehr aktuell. Wir werden sie aber erst zu Ende der Saison spielen. Eine andere Rarität ist die Oper ‚Platée‘ von Rameau. Sie wurde auch noch nicht hier gespielt, ist aber – genauso wie ‚Lear‘ – international sehr erfolgreich. Für mich ist sie eine der opulentesten, musikalischsten und humorvollsten Opern, die im 17. Jahrhundert geschrieben wurden. Ich freue mich sehr, dass wir Václav Luks dafür gewonnen haben, die Oper zu dirigieren.“

Václav Luks | Foto: Martin Balucha,  Tschechischer Rundfunk

Wer wird die Regie führen?

„Regie hat bei ‚Platée‘ das Duo Skutr, und bei ‚Lear‘ ist es Barbora Horáková – eine Pragerin, die meist im Ausland arbeitet. Sie hat in meiner Zeit bei uns schon drei Opern inszeniert.“

Kommen wir zu den anderen Vorstellungen, die hier gespielt werden sollen…

„Robert Jindra, der Musikdirektor des Nationaltheaters, fängt mit einer Oper von Zdeněk Fibich an. ‚Šárka‘ handelt von der tschechischen Mythologie und ist sehr wagnerinspiriert. Ich finde es sehr schön, dass wir nicht nur Smetana, Dvořák und Janáček spielen, sondern auch andere Komponisten. So wollen wir es auch mit weiteren Titeln aus der tschechischen Opernliteratur in der Zukunft machen. Im Ständetheater blicken wir dann auf die Geschichte des Theaters zurück. Zu Zeiten Mozarts gab es einen wichtigen Komponisten: Luigi Cherubini. Seine Opern wurden hierzulande um 1800 relativ häufig gespielt. Eine von ihnen, mit dem Titel ‚Médea‘, hat meiner Meinung nach eine sehr starke Geschichte. Diese Oper von Cherubini war sehr erfolgreich, und wir spielen sie jetzt das erste Mal im Ständetheater.“

Wird die Oper ‚Šárka‘ von Fibich von einem ausländischen Regisseur einstudiert?

„Robert Jindra hat zwei deutsche Regisseure nach Prag mitgenommen. Er war ja lange Zeit in Essen ständiger Dirigent. Für ‚Šárka‘ hat er Kay Link engagiert und für ‚Médea‘ Roland Schwab. Jindra hat bewusst gesagt, er wolle unbedingt einen Blick von außen haben, wenn er ein tschechisches Stück wie ‚Šárka‘ präsentieren soll. Ich finde dies sehr spannend.“

Robert Jindra | Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

Könnte ‚Šárka‘ dann etwa auch im Ausland aufgeführt werden?

„Das wäre zu hoffen. Ich finde das Stück sehr stark, und die Musik ist wunderbar. Die zwei Stücke, die Andrej Jurkevič dirigieren wird, sind zwei große Italiener: Wir fangen mit Verdis ‚Otello‘ an, und im Frühjahr kommt Puccinis ‚Manon Lescaut‘ dran.“

Können Sie einige ausländische Gäste nennen?

„Es kommen wieder sehr viele. Ewa Vesin aus Polen singt den Turandot. Eine junge Schwedin, Christina Nilsson, singt die Aida bei uns, gerade bevor sie an die Met geht, um dort die gleiche Partie zu singen. Wir haben immer versucht, junge Sänger zu finden, die gerade am Anfang ihrer Karriere stehen. Aber es kommt auch eine, die bestimmt nicht am Anfang der Karriere steht, nämlich Karita Mattila, Sie wird die Küsterin in unserer alten Produktion von ‚Jenufa‘ singen.“

Es wird aber auch eine neue Produktion der Oper „Jenufa“ von Leoš Janáček geben…

„Wir werden am Ende der Spielzeit eine neue ‚Jenufa‘ machen – mit Calixto Bieito als Regisseur, der mit seiner Inszenierung von ‚Katja Kabanowa‘ meiner Meinung nach sehr erfolgreich war. Calixto ist einer der gefragtesten Regisseure überhaupt. Wir sind sehr stolz und froh, dass er der Prager Oper treu bleibt.“

Calixto Bieito | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Das Opernensemble wird zudem in Finnland, beim Opernfestival in Savonlinna auftreten. Mit welcher Inszenierung?

„Wir werden Smetanas ‚Die verkaufte Braut‘ im Juli und August in Savonlinna spielen. Und wir geben dort ein Gala-Konzert mit Karita Mattila.“

Ebenso finden in den Prager Opernhäusern mehrere Konzerte statt. Können Sie ein Beispiel nennen?

„Unsere beiden Musikchefs haben Orchesterrepertoire für ihre Konzerte ausgesucht. Robert Jindra dirigiert Stücke von Martinů und ‚Das Lied von der Erde‘ von Mahler. Andrij Jurkevych macht einen Galaabend mit der australischen Starsopranistin Jessica Pratt, und gespielt werden dabei Szenen aus bekannten Opern.“


Filip Barankiewicz | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Herr Barankiewicz, in der nächsten Spielzeit bereiten Sie mit dem Ballettensemble vier neue Inszenierungen vor. Sie fangen zu Beginn der Saison gleich mit einem Märchenballett an, das auf Tschechisch „Slunečník, Měsíčník a Větrník“ heißt und dessen Vorlage ein Märchen von Božena Němcová war. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

„Ich habe immer gedacht, dass wir nicht ausreichend Märchenvorstellungen in unserem Repertoire haben. Wir sollten alle Zuschauer, alle Alterskategorien ansprechen können. Ich habe gesehen, was der Choreograf Viktor Konvalinka kreiert hat, und habe das Gefühl, dass er als Choreograf und auch Regisseur Humor hat. Und mir war sehr wichtig, auch etwas Leichteres im Repertoire zu haben. Darum habe ich Viktor für die Märchenvorstellung ausgesucht. Die zweite Premiere in der nächsten Spielzeit ist ,Scheherazade‘ mit Musik von Rimski-Korsakow. Die Musik der Suite reicht natürlich für ein abendfüllendes Ballett nicht aus, wir greifen daher auch auf weitere Kompositionen von Rimski-Korsakow zurück. Mauro Bigonzetti ist ein traumhafter Choreograf, und das Ensemble arbeitet mit ihm sehr gern zusammen. Es wird eine Weltpremiere sein. In der Staatsoper führen wir danach das Ballett ,Manon‘ auf. Dies wird nicht nur für das Ensemble, sondern auch für das Publikum spannend. Denn wir hatten nie zuvor ein Ballett des Choreografen Kenneth MacMillan im Repertoire. Ich freue mich wahnsinnig darauf. Vor kurzem habe ich das Ballett in Paris gesehen, es ist atemberaubend.“

Neben den drei neuen Ballettinszenierungen planen Sie noch einen Tanzabend, der aus mehreren Choreografien besteht. Wer sind die Choreografen?

„Das vierte neue Stück in unserem Repertoire heißt ,Sarkasmen‘. Aufgeführt wird das bereits existierende „Pas de Deux“ von Hans van Manen. Zwei Choreografen, Andrey Kaydanovskiy und Eyal Dadon, kreieren neue Stücke für unser Ballettensemble.“

Kommen wir zur ersten Premiere zurück, zu dem Märchenballett. Richtet sich die Vorstellung an Familien mit Kindern?

Viktor Konvalinka | Foto: Nationaltheater Prag

„Ja, das ist das Ziel. Diejenigen, die das Märchen kennen, sind vielleicht überrascht, aber das Stück soll auch für Kinder sein.“

Wissen Sie schon, wer in dem neuen Ballett tanzen wird?

„Das ist noch zu früh. Viktor Konvalinka hat aber bestimmt schon eine Idee dazu. Ich lasse ihm freien Raum, die Darsteller für sein Stück auszusuchen. Das mache ich immer. Die Choreografen, die bei uns ein Stück einstudieren, haben immer freie Hand, um Tänzer für das Ballett auszusuchen.“

Die jetzige Spielzeit ist noch nicht zu Ende, sie dauert noch ein paar Monate lang. Bald führen Sie eine Neuinszenierung von „Coppélia“ mit Musik von Léo Delibes auf. Laufen die Proben bereits?

„Ja, das Ballett wird gerade einstudiert. Die Premiere findet am 16. Mai in der Staatsoper statt.“

Das Ballettensemble unternimmt verhältnismäßig oft auch Auslandstourneen. Rechnen Sie auch für die nächste Spielzeit mit solchen Tourneen?

„Wir waren vor kurzem in Valencia mit ,La Sylphide‘ von August Bournonville und Johan Kobborg. Zuvor gastierten wir mit ,Dornröschen‘ in Turin, dort hatten wir zehn Vorstellungen. Die nächste Tournee führt uns im März nach Oman – in das Muscat Opera House. Anschließend gastieren wir mit ,Romeo und Julia‘ in Lüttich. Für die nächste Spielzeit haben wir zwei Tourneen geplant. Aber die Verträge sind noch nicht unterschrieben, darum möchte ich noch nichts Weiteres verraten. Es ist eine große internationale Tournee und eine kleinere geplant.“

Mehr über das Programm des Prager Nationaltheaters erfahren Sie auf Englisch unter: https://www.narodni-divadlo.cz/en.