Mit Elan wieder vor vollem Haus: Prager Nationaltheater eröffnet neue Spielzeit
Am Mittwoch wimmelte es auf der Prager Schützeninsel vor Besuchern. Sie waren gekommen, um mit den Ensembles des Nationaltheaters die Eröffnung der neuen Spielzeit zu feiern. Die Prager Bühne hatte für sie ein buntes Programm vorbereitet, mit dem auch an die kleinsten Theaterfans gedacht wurde. Martina Schneibergová war dabei und hat während der Feier mit einigen der Künstler des Nationaltheaters gesprochen.
Schon aus der Ferne war zu hören, dass dies kein gewöhnlicher Tag auf der Moldauinsel war, wenn vor allem Familien mit Kindern den dortigen Spielplatz besuchen. Vor dem Infostand und Kartenverkauf bildete sich eine Schlange. Große Aufmerksamkeit weckte das Glücksrad sowie die Foto-Ecke, wo viele Kinder sich in bizarren Kostümen verewigen ließen. Die Opernfans eilten zur Diskussion über eine neue Produktion von Rossinis „Barbier von Sevilla“. Unter den Gästen war auch der gefragteste tschechische Opernsänger der Gegenwart, Bassbariton Adam Plachetka. Im improvisierten Open-Air-Café antwortete der Opernstar auf unzählige Fragen der Zuschauer, nach der Autogrammstunde entstand das Gespräch mit dem Sänger:
Herr Plachetka, wie haben Sie die allzu lange Corona-Zeit verbracht?
„Ich habe die Zeit teilweise überlebt, teilweise genossen, weil ich mehr Zeit für meine Familie hatte. Es war frustrierend, dass man nicht singen durfte. Aber es war auch schön, die Kinder besser kennenzulernen und mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Wir waren meistens in unserem Wochenendhaus auf dem Lande, das war entspannter als in der Stadt. Ich habe versucht, etwas Positives daran zu sehen. Sonst wäre man verrückt geworden.“
In diesen Tagen wird in Prag Rossinis „Barbier von Sevilla“ einstudiert. In wie vielen Produktionen dieser Oper haben Sie schon gesungen? Und welche Partien?
„Ich habe in dieser Oper schon zwei Rollen gesungen: am Anfang den Basilio, also eine Bassrolle. Die Partie habe ich in mehreren Inszenierungen übernommen – in Tschechien sowie in meiner ersten Spielzeit in Wien. Seit drei Jahren singe ich den Figaro. Die Rolle war früher für mich, was die Stimmlage betrifft, allzu hoch. Den Figaro habe ich in zwei Produktionsserien in Wien und in einer Inszenierung in Chicago gesungen. Ich nahm an ziemlich vielen Vorstellungen teil.“
Welche Partien und auf welchen Podien erwarten Sie in den nächsten Monaten - neben der Rolle des Figaro in Prag?
„Es sind weniger Partien als normalerweise. Auch wenn die Situation besser wird, sind wir nicht so häufig unterwegs wie früher. Meisten sind es Konzerte und Inszenierungen in Tschechien. Zudem werde ich einige Konzerte in Frankreich, in Österreich und in Deutschland haben.“
Adam Plachetka tritt unter anderem am 17. September bei einer Mozart-Gala beim internationalen Musikfestival im südböhmischen Český Krumlov / Krumau auf.
Hinter Kakteen versteckt: Barbier von Sevilla
Die neue Inszenierung von Rossinis „Barbier von Sevilla“ hat am 7. Oktober im Prager Nationaltheater Premiere. Regie führte Magdalena Švecová. Auch mit der Regisseurin haben wir gesprochen:
Frau Švecová, Sie haben in Prag bereits Mozarts „Figaros Hochzeit“ inszeniert. Die Oper entstand genauso wie Rossinis Opus nach einer Vorlage von Beaumarchais, aber die Handlung vom „Figaro“ knüpft an die Geschichte vom „Barbier“ an.
„Ja, genau. Wir studieren jetzt eigentlich das erste Kapitel ein, nachdem wir schon das zweite Kapitel abgearbeitet haben. Aber die Handlung vom ‚Barbier‘ ist viel einfacher, es ist wirklich eine Komödie. Die Musik ist voll von italienischer Sonne und Freude. Mozarts Musik ist natürlich auch sehr schön. Aber die Geschichte, die seine Oper erzählt, ist anspruchsvoller. Sie enthält auch gesellschaftskritische Momente.“
Ist es nicht schwierig – wenn man vielleicht mehrere Barbier-Produktionen kennt –, die Inszenierung wieder neu zu gestalten?
„Das ist immer schwierig. Ich habe beispielsweise schon die „Verkaufte Braut“, „Das Liebesgetränk“, „La Bohème“ und andere bekannte Opern inszeniert. Jeder kennt die Musik sowie die Geschichten, aber trotzdem kommen die Zuschauer immer wieder. Für mich ist es wichtig, wenigstens eine Kleinigkeit einzubringen, die neu ist: Kostüme oder eine neue Interpretation, um wirklich etwas kreieren zu können und nicht nur zu interpretieren.“
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Solistinnen und Solisten?
„Sehr angenehm. Wir proben erst seit zwei Wochen, da kann ich nicht viel dazu sagen. Mit Jiří Sulženko habe ich vorher schon zusammengearbeitet, genauso mit Zdeněk Plech und Adam Plachetka. Neu ist für mich die Zusammenarbeit mit Pavol Kubáň, Petr Nekoranec und Arnheiður Eiríksdóttir. Das sind junge Leute mit viel Kraft und Energie. Es ist eine schöne Zusammenarbeit.“
Auf dem Plakat für die Oper ist nur ein Kaktus abgebildet. Hat dies einen besonderen Grund?
„Ja schon. Bartolo, der Rosinas Vormund ist, wollte Rosina für sich behalten und sie keinem anderen Mann geben. Sein Haus ist voll von Kakteen. Vor dem Haus steht diese Pflanze zudem als eine Art Gitter.“
Elf neue Opernproduktionen
An der feierlichen Eröffnung der Saison auf der Moldauinsel nahm auch der künstlerische Leiter der Oper, Per Boye Hansen, teil.
Er freue sich darauf, wieder viele Zuschauer im Theater zu treffen, erklärte der Opernchef in seiner kurzen Grußbotschaft auf Tschechisch. Hier unser Gespräch mit Per Boye Hansen.
Herr Hansen, das Opernensemble hat bereits zwei neue Produktionen vor Publikum aufgeführt. Zuvor waren sie nur online zu sehen. Wie waren die Vorstellungen in vollem Hause?
„Ich bin sehr zufrieden. Wir haben unsere wunderbaren Sängerinnen und Sänger sowie einige Gäste aus dem Ausland vorstellen können. Es ist schön, wieder das Publikum im Saal zu haben. Die Künstler auf und hinter der Bühne sind nach diesen anderthalb Jahren wirklich euphorisch, denn sie haben die Zuschauer sehr vermisst. Ich glaube, dass auch die Besucher zeigen wollen, dass sie gern wieder im Theater sind. Hier auf der Moldauinsel war es ebenfalls wunderschön zu sehen, dass viele junge Menschen gekommen sind.“
Neben den zwei neuen, bereits aufgeführten Inszenierungen „Don Giovanni“ und „Rigoletto“ wird es in den kommenden Monaten noch neun weitere neue Produktionen geben…
„Es gibt insgesamt elf Premieren in dieser Spielzeit, fünf davon haben wir schon geprobt. Hinzu kommen sechs weitere Produktionen und natürlich ein sehr großes Repertoire. Es wurden gerade ‚Die Verkaufte Braut‘ und ‚Die Zauberflöte‘ aufgeführt, am Sonntag wird nun ‚La Traviata‘ gespielt. Wir waren sehr fleißig zu Saisonbeginn.“
Neben den „Klassikern“ werden in dieser Saison auch einige sehr wenig gespielte Stücke aufgeführt. Was ist der Beweggrund?
„Diese Stücke, die weniger bekannt sind und die wir ausgewählt haben, gehen von der Tradition der Prager Staatsoper (früher Neues deutsches Theater, Anm. d. Red.) aus. Im November führen wir Kurt Weills ,Sieben Todsünden‘ auf gemeinsam mit Schönbergs Oper ,Erwartung‘. Letztere wurde 1924 in Prag uraufgeführt. Im März spielen wird Franz Schrekers Oper ,Der ferne Klang‘. Das Werk hatte hier 1920 die zweite Premiere. Und am Ende der Saison wird Erwin Schulhoffs Oper ,Plameny‘ aufgeführt. Es ist eine tschechische Oper, obwohl sie unter dem deutschen Titel ,Flammen‘ bekannter ist. Aber uraufgeführt wurde sie 1932 in Brünn.“
Applaus für das Ballettensemble
Auf der Schützeninsel waren am Mittwoch nicht nur einige Arien aus Rossinis „Barbier von Sevilla“ zu hören. Auch die Tänzerinnen und Tänzer stellten einige Szenen aus dem Repertoire des Ballettensembles vor, als deren Leiter Filip Barankiewicz fungiert. Wir haben mit dem langjährigen Tänzer des Stuttgarter Balletts gesprochen:
Herr Barankiewicz, hat das Ensemble in den vergangenen Monaten, als die Theater geschlossen waren, proben können?
„Meiner Meinung nach waren wir wahnsinnig aktiv. Wir hatten dank der Unterstützung vom Kulturministerium und unserem Generalintendanten die Möglichkeit, immer den Ballettsaal nutzen zu können. Wir haben viele tolle Möglichkeiten entdeckt und an uns gearbeitet. Mental war es auch für die Tänzer wichtig, dass sie ein normales Leben im Ballettsaal hatten. Wir haben vier Premieren vorbereitet. Jetzt wird das ‚Dornröschen’ vor Publikum aufgeführt, das zuvor nur online zu sehen war. Im Oktober folgt die Vorstellung ,Forsythe / Clugg / McGregor‘. Auf dem Plan steht auch ,Romeo und Julia‘ mit Jürgen Roses Bühnenbild und Kostümen. Darauf freuen sich alle, denn es ist ein Traum für die Tänzer, in einer solchen Produktion mitzuwirken. Und schließlich gibt es Aufführungen von drei Choreographen in ,Beats per minute‘.“
Wie gefällt Ihnen die feierliche Saisoneröffnung?
„Es sind sehr viele Leute gekommen. Letztes Jahr war es ähnlich, aber dann kam das große Drama, und alle Theater wurden geschlossen. Ich hoffe, dass die Leute, die hier sind, uns dann auch im Theater besuchen werden. Es ist sehr wichtig, dass die Menschen wiederkommen. Das Beste, was die Tänzer erleben können, ist der Applaus.“
Es ist vermutlich schwierig, etwas zu planen, aber das Ballettensemble hat früher immer einige Auslandstourneen unternommen. Wird mit einer Tournee in dieser Spielzeit gerechnet?
„Wir hatten in der vergangenen Spielzeit das große Glück, dass wir mit dem ‚Schwanensee‘ nach Barcelona gereist sind. Die Generalprobe eingerechnet gab es dort sieben Vorstellungen. Es war in der schwierigen Zeit ein wahnsinniger Erfolg. Jetzt planen wir, mit Jiří Kyliáns ,Bridges of Time‘ nach Tel Aviv zu fliegen. Natürlich sieht es momentan schwierig aus, aber die Organisatoren geben nicht auf. Ich hoffe, dass es klappt. Zudem sollen wir mit dem ‚Nussknacker‘ im italienischen Bozen gastieren.“