Ein Leben für die Stadt Asch

Fabrik Christian Geipel & Sohn 1906 (Foto: © Bibliothek, Museum und Informationszentrum Asch)
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Mehr als jeder andere hat der Großindustrielle Gustav Geipel das westböhmische Aš / Asch geprägt. Der Textilfabrikant ist als tatkräftiger Philanthrop in seiner Heimatstadt unvergessen. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert setzte sich Geipel massiv für die Entwicklung der Stadt und das Gemeinwohl der Ascher ein. Viele seiner Verdienste sind inzwischen Vergangenheit. Doch ein Teil seines Vermächtnisses kommt den Aschern noch heute zugute. Das Museum in Asch dokumentiert nun das Wirken Gustav Geipels in einer Ausstellung. Im Folgenden ein Porträt des Unternehmers.

Gustav Geipel um 1900  (Foto: E. Tietze,  © Bibliothek,  Museum und Informationszentrum Asch)
Wer die großzügig angelegte, hallende Pflasterstraße beim Bahnhof von Asch entlangfährt, ahnt nicht, dass sie eine ganz besondere Geschichte hat. Den Ausbau dieser wie vieler anderer Verkehrswege der Stadt hat Gustav Geipel im frühen 20. Jahrhundert tatkräftig vorangetrieben. Als gewähltes Mitglied der politischen Führung von Asch setzte er sich dafür ein, dass sie erweitert, gepflastert und teilweise mit Gehwegen versehen wurden. Doch der Textilfabrikant, damals schon im Ruhestand, nahm auch persönlich an den Planungen teil. Nicht zuletzt steuerte Gustav Geipel Millionenbeträge aus eigener Tasche zum Bau bei. Ermöglicht haben ihm dieses gemeinnützige Engagement die unternehmerischen Erfolge seiner Familie. Kuratorin Monika Hlaváčková vom Ascher Museum hat die Familiengeschichte erforscht:

„Der Stammbaum der Geipels lässt sich bis zum Jahr 1655 zurückverfolgen. Am Beginn steht Georg Geipel, der aus Horní Paseky (auf Deutsch Oberreuth, Anm. d. Red.) stammte. Über ihn und seinen Sohn Michael ist nur wenig bekannt. Die zwei nachfolgenden Generationen in der männlichen Linie waren Schreiner. Einer von ihnen, Wolfgang Geipel, zog von Horní Paseky nach Asch.“

Dessen Sohn wiederum, Johann Nikol Geipel, gründete in Asch die Weberei, aus der später eine Textilfabrik werden sollte. Johann Nikol Geipel war der Großvater von Gustav Geipel, der 1853 in Asch geboren wurde.

Monika Hlaváčková  (Foto: Maria Hammerich-Maier)
„1824 führt Johann Nikol Geipel in Asch die Produktion von Baumwoll-, Halbwoll- und Halbseidentüchern ein. Er beschäftigte anfangs 80 Weber, die in Heimarbeit für ihn arbeiteten. Später konzentrierte er seine Stoffproduktion in einem eigenen Gebäude in der Bachgasse. In den 1840er Jahren hatte er bereits eine Handelsniederlassung in Wien und ein Zweigwerk in Prag. Er schaffte Webstühle an und produzierte zunächst auf Lager. Doch mehrmals im Jahr expedierte er seine Waren auf weiter entfernte Absatzmärkte“, so Hlaváčková.

Damenkleidung aus Wolle

1845 nahm Nikol Geipel seinen Sohn Christian sowie den Gesellschafter Heinrich Jäger in sein Unternehmen auf. Die Fabrik beschäftigte damals schon 3000 Weber. Sie kaufte eine Spinnerei dazu, expandierte also weiter. 1877 kam es gleich zu mehreren einschneidenden Veränderungen, wie die Kuratorin ausführt:

„1877 verließ der Gesellschafter Jäger das Unternehmen, und die Firma wurde im Handelsregister als Christian Geipel & Sohn eingetragen. Diesen Namen behielt sie bis zu ihrem Ende bei. Die Fabrik stellte vor allem Damenkleidung aus Wolle her, wie Kostüme und Mäntel. Für den Vertrieb unterhielt sie ein Handelsbüro in Asch sowie die Handelsniederlassung in Wien am Moritzplatz 5.“

Fabrik Christian Geipel & Sohn 1906  (Foto: © Bibliothek,  Museum und Informationszentrum Asch)
Über die Wiener Niederlassung wurde der internationale Export abgewickelt. Von dem Gebäude, in dem der Handelsbetrieb der Firma Christian Geipel & Sohn seinen Sitz hatte, ist in der Ascher Ausstellung eine historische Ansicht mit der Firmenaufschrift zu sehen. Es wurde bei einem Bombenangriff zerstört. Gleichzeitig mit der Umbenennung der Firma trat der erstgeborene Sohn des Fabrikbesitzers, Gustav Geipel, ins väterliche Unternehmen ein.

„Gustav Geipel übernahm eine Führungsposition, er gehörte der Unternehmensleitung dann zwanzig Jahre lang an. Er steigerte die Produktion der Webereien weiter dadurch, dass er noch modernere Webstühle einführte. Das erhöhte die Effektivität ganz erheblich. 1897 trat er in den Ruhestand und widmete sich fortan der Wohlfahrtspflege“, sagt Monika Hlaváčková.

Asch war damals eines der bedeutendsten Zentren der Textilindustrie in der Habsburger Monarchie. Sämtliche Phasen und Sparten der Textilproduktion waren dort vertreten. Es gab Spinnereien, Webereien, Färbereien und Betriebe zur Weiterverarbeitung der Stoffe. Die Firma Christian Geipel & Sohn war die größte von allen. Ihren Erfolg verdankte sie unter anderem auch dem Gespür für neue Trends und Produkte. So brachte sie 1868 den Flanell auf den Markt. Gustav Geipel dachte schon während seiner Zeit als Fabrikdirektor an das Wohl seiner Arbeiter. Er führte Sozialleistungen ein, die damals nicht alltäglich waren:

Foto: Maria Hammerich-Maier
„Ab 1887 zahlte er für seine Arbeiter in die Unfallversicherung ein, und ein Jahr später gründete er eine firmeneigene Krankenkasse.“

Philanthropisches Engagement

Als sich Gustav Geipel von der Firmenleitung zurückzog, folgte ihm sein jüngerer Bruder Christian nach. Der Großteil der Gewinne wurde auch weiterhin in den Ausbau des Unternehmens gesteckt. Doch Gustav Geipel wendete auch erhebliche Mittel für sein philanthropisches Engagement auf. Im Fokus standen zunächst die Fabrikarbeiter. Gustav Geipel kaufte mehrere Anwesen in Asch und der näheren Umgebung an und gründete darin Altenheime für unversorgte Weber. Die Kuratorin:

„Dort konnten Menschen wohnen, die niemanden hatten, der sich im Alter um sie kümmerte. Sie wurden unentgeltlich verköstigt und erhielten eine medizinische Versorgung. Das alles finanzierte Gustav Geipel. Er baute zudem noch zwei Heime für alte und kranke Weber in Hranice und Libá.“

Straßen- und Kanalbauarbeiten 1907  (Foto: © Bibliothek,  Museum und Informationszentrum Asch)
Doch Geipel linderte nicht nur die Not der Weber. Sondern er stellte sich zunehmend in den Dienst des Gemeinwohls von Asch.

„Die letzten siebzehn Jahre lebte er fast ausschließlich für seine Stadt. Er richtete all seine Bemühungen auf das Wohlergehen und die Gesundheit der Ascher. Gustav Geipel bekleidete verschiedene öffentliche Ämter. Er kümmerte sich sehr um seine Stadt und ihre Bewohner und steht bis heute im Ruf eines großzügigen Förderers der Stadtentwicklung“, erzählt die Familienforscherin.

In diesem selbstlosen Engagement scheint Geipel ganz aufgegangen zu sein. Er blieb ledig und hatte keine Kinder. Über die Wurzeln seines persönlichen Einsatzes für die Allgemeinheit können wir nur spekulieren. Die schulische Erziehung dürfte jedenfalls das Ihre dazu beigetragen haben. Die Eltern Christian und Adeline Geipel hatten ihren ältesten Sohn auf die Salzmannschule geschickt, eine bekannte philanthropische Erziehungsanstalt im thüringischen Schnepfenthal. Eine solide Schulbildung, aber auch eine moderne medizinische Versorgung wollte Gustav Geipel später ebenso seinen Aschern ermöglichen.

Ehemaliges Gymnasium 1913  (Foto: © Bibliothek,  Museum und Informationszentrum Asch)
„Gustav Geipel erwarb ein Grundstück für den Bau des Ascher Gymnasiums und unterstützte dessen Bau finanziell. Und für das Ascher Krankenhaus ließ er ein Röntgengerät anschaffen. Des Weiteren kaufte er einen Impfstoff gegen Diphtherie für Kinder an. Und er stellte 200.000 Kronen für eine Lungenheilanstalt bereit.“

Das stolze Gebäude des ehemaligen Gymnasiums steht noch heute. Darin werden jetzt Grundschüler unterrichtet. Zerstört wurde hingegen die kostbare Orgel, die Gustav Geipel für die evangelische Kirche von Asch stiftete. Sie fiel 1960 einem Kirchenbrand zum Opfer. Geipel sponserte auch das Kulturleben von Asch und unterstützte die Neugestaltung einiger Grünanlagen. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verstarb der Unternehmer. In seinem Testament bestimmte er einen großen Teil seines Vermögens für weitere gemeinnützige Vorhaben. In Asch erinnern heute die Geipel-Straße und ein Denkmal an die herausragenden Verdienste dieser bedeutenden Persönlichkeit. Monika Hlaváčková:

Enthüllung des Denkmals 1924  (Foto: © Bibliothek,  Museum und Informationszentrum Asch)
„Die Stadt Asch ließ zum Andenken an Gustav Geipel am Rand des Parks am Kegelberg ein Denkmal errichten. Es wurde genau zehn Jahre nach seinem Tod enthüllt. 2014 wurde das Denkmal renoviert, und am 13. Juli jenes Jahres wurde es anlässlich des 100. Todestages von Gustav Geipel mit einem Festakt neu enthüllt.“

Die Ausstellung über Gustav Geipel wird 2019 bereits das dritte Jahr in Asch gezeigt. Zu sehen sind die großen Schautafeln im Museumsgebäude am Postplatz.

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