„Eine Art Don Quijote“ - Rudolf Belec über politisches Engagement in Tschechien
Die Kommunalwahlen in Tschechien am kommenden Wochenende könnten spannend werden. Denn seit den Parlamentswahlen im Frühjahr ist buchstäblich ein Ruck durch die traditionell eher apolitische tschechische Gesellschaft gegangen: In ungewohnter Klarheit zeigten die Tschechen den beiden großen Parteien die rote Karte. Im Vorfeld hatten mehrere Bürgerinitiativen an die Wähler appelliert, sich nicht weiter für dumm verkaufen zu lassen und die Korruption und den Klientelismus der großen Parteien abzuwählen. In den sozialen Netzwerken wie Facebook haben diese Initiativen mittlerweile an die Hunderttausend Anhänger. Vor den jetzt anstehenden Kommunalwahlen haben sie erneut mit vereinten Kräften versucht, die Wähler zu mobilisieren. Silja Schultheis hat Rudolf Belec, den Gründer der Initiative Změňpolitiku.cz – Veränder’ die Politik’ – ans Mikrophon gebeten.
„Wir versuchen, die neuen Medien dazu zu nutzen, um denjenigen, die sich bereits engagieren, die Arbeit zu erleichtern. Damit ihre Arbeit produktiver wird. Und gleichzeitig ermöglichen es die neuen Medien, neue interessierte Leute dazu zu gewinnen. Über die klassischen Medien ist das schwieriger, denn in die kommt man schwer herein.“
Ein konkretes Beispiel für Ihre Arbeit?„Ein konkretes Beispiel ist der Versuch, die Galerie für moderne Kunst in České Budějovice / Budweis zu schließen, die in ganz Mitteleuropa bekannt ist. Die Stadt Budweis hatte im Rahmen von Sparmaßnahmen beschlossen, die Galerie nicht mehr zu fördern. Daraufhin haben sich hunderte von Menschen über das Internet zusammengetan, das Interesse ging weit über die Region hinaus und das Rathaus wurde mit emails und Fax-Schreiben überflutet. Dadurch sind auch die großen Medien aufmerksam geworden und sehr schnell hat die Stadt ihren Beschluss rückgängig gemacht.“
Wie reagieren Ihre Freunde und Bekannten auf Ihre Initiative, die Tschechen zu mehr politischem Engagement zu bewegt?„Sie unterstützen uns zwar generell, aber im Grunde betrachten sie uns als eine Art Don Quijotes. Sie schätzen unsere idealistischen Ziele, aber dass wir tatsächlich etwas verändern können, glauben sie nicht. Und diese Einstellung zu verändern – das ist ein Langstreckenlauf.“
Bei den Parlamentswahlen in diesem Frühjahr haben sich die ansonsten eher apolitischen Tschechen in ungewohnter Klarheit für eine neue Art von Politik ausgesprochen: Die beiden großen Parteien haben einen katastrophalen Einbruch erlitten. Dafür sind auf Anhieb zwei neue Parteien über die Zehn-Prozent-Hürde gekommen, die einen neuen Politikstil und vor allem einen Kampf gegen die Korruption versprachen. Erwarten Sie bei den Kommunalwahlen am kommenden Wochenende ein ähnlich klares Signal?„Ja. Gerade wegen der neuen Medien. Schon vor den Parlamentswahlen ist es uns und etwa zehn ähnlichen Initiativen gelungen, durch medialen Druck dazu beizutragen, dass die Parteien viele ihrer Spitzenkandidaten ausgetauscht haben. Bei den Menschen wächst das Interesse an Kommunalpolitik, und ich glaube, dass es tatsächlich zu einer Veränderung kommt.“Obwohl es in letzter Zeit auch Prognosen gab, die sagten, dass auf kommunaler Ebene alles beim Alten bleiben wird. Sehen Sie das optimistischer?
„Ganz bestimmt. Ich glaube, dass in den Städten, wo die Arroganz der politischen Parteien größer war, unabhängige Kandidaten gewinnen werden. Weil sie mehr als bei den letzten Wahlen vor vier Jahren die Möglichkeit hatten, auf das Internet und soziale Netze zurückzugreifen.“
Wie erklären Sie es sich, dass trotz der für alle deutlich sichtbaren Korruption in den Städteregierungen die Wähler die Politiker nicht abstrafen, sondern seit Jahren dieselben Politiker an der Macht sind?„Ich denke, das liegt generell an der Passivität der Bürger in den postkommunistischen Ländern. 40 Jahre lang wurde hier probiert, die Leute passiv zu halten und vom öffentlichen Raum in den privaten zurückzudrängen. Und das merkt man heute noch in unserer politischen Kultur. Bei uns verstehen sich die Wähler nicht als Akteure und sind nicht gewohnt, wie die Bürger im Westen um ihre Rechte zu kämpfen.“
Ohne die neuen Medien wäre es nicht gelungen, dieses Verhalten zu ändern?„Ich würde es so sagen: Die neuen Medien erleichtern den engagierten Bürgern die Arbeit. Auch wenn sie nur wenige sind, können sie sich durch die neuen Medien besser vernetzen und erreichen bessere Ergebnisse. Und gleichzeitig können sie neue Mitstreiter gewinnen, die mit weniger Aufwand mehr tun können.“
Wird Ihre Bürgerinitiative auch nach den Kommunalwahlen weiter aktiv sein? Politisches Engagement bedeutet ja nicht nur wählen zu gehen, sondern auch am öffentlichen Leben in den Städten teilzunehmen.
„Unser Ziel ist langfristig: eine Verbesserung der politischen Kultur. Das können wir nur erreichen, wenn die Bürger konkrete Ergebnisse sehen. Nur dann glauben sie daran, dass es Sinn macht, sich zu engagieren. Unsere Initiative hat deshalb maßgeblich die Vernetzung mit zehn anderen ähnlichen Organisationen vorangetrieben. Wir wollen permanenten Druck auf korrupte Politiker ausüben und sie dadurch zum Rücktritt zwingen - durch elektronische Petitionen und die Einbeziehung der großen Medien.“