Energiemarkt: Tschechische Firmen wussten vorab von Razzia der EU-Kommission

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Über Kartellabsprachen in Europa wacht EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Sie ließ vergangene Woche die Firmensitze des tschechischen Energieproduzenten ČEZ und der ebenfalls im Energiesektor tätigen Finanzgruppe J&T durchsuchen. Doch für beide Firmen soll die Razzia nicht überraschend gekommen sein. Sie hätten vier bis fünf Tage vorher davon erfahren, lautet der neueste Vorwurf aus Brüssel. Till Janzer hat beim Sprecher des EU-Wettbewerbskommissariats, Jonathan Todd, nachgefragt.

Jonathan Todd  (Foto: Europäische Kommission)
Mr. Todd, vergangene Woche haben Mitarbeiter der EU-Kommission beim tschechischen Energieproduzenten ČEZ und bei der Finanzgruppe J&T Kontrollen durchgeführt. Was ist das Ziel und welche Vorwürfe gibt es gegen die beiden Firmen?

„Im Wesentlichen ermittelt die Kommission derzeit in einem Kartellverfahren auf dem tschechischen Energiemarkt. Dies entspringt unserer eigenen Initiative und geht zurück auf eine Veröffentlichung der Kommission im Jahr 2007 zu Wettbewerbsproblemen auf dem gesamten europäischen Energiemarkt. Wir haben bereits gegen einige der größten Energieversorger ermittelt wie RWE, Eon, EDF oder GDF, das heißt in Deutschland, Frankreich, Belgien und Italien. Dies führen wir nun in der Tschechischen Republik fort. Wir sind besorgt, dass Konkurrenten vom Markt ausgeschlossen und Preise künstlich hoch gehalten worden sein könnten, was zu Lasten sowohl der gewerblichen als auch der privaten Abnehmer gehen würde.“

Wie lange dauert es, bis Sie Ergebnisse haben werden und was könnte es für die beiden Unternehmen bedeuten, wenn sie schuldig befunden werden?

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„Im Schnitt dauert ein Kartellverfahren zwei Jahre, weil es eine komplexe Materie ist und den Unternehmen, die geprüft werden, eine adäquate Chance gegeben werden muss, sich zu verteidigen. Falls wir herausfinden, dass der Wettbewerb beeinträchtigt wurde, dann ist das wichtigste Ergebnis, dass tschechische Abnehmer und Konsumenten mehr Wahlmöglichkeiten auf dem Energiemarkt bekommen und damit auch die Möglichkeit niedrigerer Preise. Die Unternehmen selbst könnten mit Geldstrafen belegt werden und gezwungen werden, ihre Geschäftspraktiken zu ändern.“

Tschechische Zeitungen berichten aktuell, dass die beiden Firmen ČEZ und J&T vorab von den Kontrollen wussten. Das ist ziemlich ungewöhnlich…

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„Sicherlich ungewöhnlich ist, dass bereits einen Tag vor den Kontrollen die tschechischen Medien darüber informiert haben, dass wir Kontrollen planen. Das kann natürlich das Ergebnis der Nachforschungen negativ beeinflussen, weil die Unternehmen so die Möglichkeit erhalten, Beweismaterial zu vernichten. Das ist eine ernste Sache. Im Moment haben wir aber keine Beweise dafür, wer für dieses Informations-Leck verantwortlich ist.“

Plant die Kommission dazu eine Untersuchung?

„Alles, was wir im Moment sagen wollen, ist, dass dies eine ernste Angelegenheit ist und sich die Europäische Kommission dies sehr genau ansehen wird.“