Enthüllungen rund um Milan Kundera außerdem: der neue Sender Radio Ethno

Neben einem kurzen Schlaglicht auf die wichtigsten Zeitungsthemen der zu Ende gehenden Woche stellen wir heute mit Radio Ethno die erste tschechiche Radioanstalt vor, die sich mit World- und Ethnomusik befasst.

Zu Beginn unserer Mediensendung werfen wir wieder einen kurzen Blick auf die wichtigsten Themen, die in der vergangenen Woche von den tschechischen Zeitungen behandelt wurden. An erster Stelle steht die Enthüllung, dass der wohl bekannteste tschechische Schriftsteller der Gegenwart, der in Paris lebende Autor Milan Kundera, in den 50er Jahren einen Bekannten seiner Freundin bei der kommunistischen Polizei als vermeintlichen West-Spion denunziert hat. Die Story, die als erstes von der Wochenzeitschrift „Respekt“ gebracht wurde, dominierte danach fast ausschließlich die Berichterstattung auf den ersten Seiten der tschechischen Zeitungen. Von Kundera selbst gab es zu diesem Thema nur eine einzige Stellungnahme, und zwar gegenüber der Nachrichtenagentur CTK. In dieser bezeichnete er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als Lügen. Ausführlich behandelt und kommentiert wurde von der tschechischen Presse aber auch der Unfalltod des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haiders.


Die Prager Rundfunklandschaft ist seit Ende September um eine neue Station reicher. Auf der UKW-Frequenz 90,7 MHz ist seit einigen Wochen Radio Ethno auf Sendung. Der Name des Senders ist zugleich Programm: Er bietet World- und Ethnomusik. Chef von Radio Ethno ist Petr Žantovský. Was waren die Motive für die Gründung einer so spezifischen Radiostation?

„Bisher fehlte in Prag ein solcher Sender. Prag war damit vielleicht eine der wenigen Metropolen in Osteuropa oder sogar die letzte im zivilisierten Teil Europas, die in ihrem Rundfunkangebot noch nicht ausreichend wahrgenommen hat, dass wir Bestandteil einer relativ breiten globalen und kulturellen Szene sind. Wenn man zum Beispiel nach Paris fährt, findet man dort etwa fünfzehn Sender, die sich an verschiedene Kulturen wenden. Es gibt dort etwa ein armenisches oder türkisches Radio und viele weitere mehr. Wir wollen kein Radio nur für eine Kultur sein, sondern sämtliche Musikkulturen darbieten, die in Europa präsent sind. Dazu kommen auch jene Klänge, welche die europäische Musik beeinflusst haben, das heißt Musik aus Brasilien, Afrika, Asien oder der arabischen Welt. Dem allen liegt die Prämisse zu Grunde, dass die heutige moderne Musik ohne ihre Wurzeln gar nicht existieren könnte, weil die angelsächsischen Wurzeln der gegenwärtigen populären Musik völlig ausgeschöpft sind. Die heutige junge Generation - und das sehe ich auch bei meiner 14 Jahre alten Tochter - hört Musik, die von Interpreten aus der Ukraine, aus Barbados oder Kolumbien stammt. Heute gibt also nicht mehr der angelsächsische Raum den Ton an, sondern man ist mit der ganzen Welt verbunden. Und für diese Hörer wollen wir mit unserer Station da sein“, so Petr Žantovský.

Im Vergleich zu London oder Paris fehlt oder anderen großen Metropolen fehlt Prag aber die Erfahrung mit Multikulturalität. Kann das für eine Station wie Radio Ethno nicht eine Hürde darstellen? Welche Hörer sollen sich von Radio Ethno angesprochen fühlen? Dazu sagt Petr Žantovský:

„Ich habe bereits ein wenig angedeutet, dass wir eine Generation ansprechen wollen, die die heutigen Mittelschulen besucht, das heißt die 14- und 15-Jährigen. Diese Generation ist unvergleichbar offener, als wir es seinerzeit waren. Das ist die eine Sache. Die andere ist, dass alles mit allem zusammenhängt. Solange die Menschen nicht die Möglichkeit eines Vergleichs zwischen verschiedenen Kulturen haben werden, werden sie die Multikulturalität nicht als notwendig betrachten und somit wird sie gar nicht erst entstehen. Natürlich sind Prag und Tschechien aus ethnischer Sicht weitgehend homogen. Nichtsdestotrotz zielt der offene Raum Europas in Richtung einer multikulturellen Gesellschaft; er wird zum Angelpunkt für Menschen, die aus dem Süden oder dem Osten kommen. Natürlich wollen wir auch diese Menschen als unsere Hörer erreichen und wollen sie davon überzeugen, dass ihre Kultur auch die unsere ist.“

In der Presseaussendung, die den Start von Radio Ethno ankündigt hat, hat Petr Žantovský bekannt gegeben, dass die monatlichen Kosten für den Betrieb des Senders nur etwa 100.000 Kronen (4200 Euro) betragen sollen. Ist das überhaupt eine realistische Kalkulation?

„Das ist natürlich eine Information, die aus dem Kontext gerissen wurde. Hinter den zitierten 100.000 Kronen verbergen sich Gebühren für Autorenrechte, Honorare für die Moderatoren und die Kosten für die Übertragung des Signals. Alles andere befindet sich im Besitz der Betreibergesellschaft, das heißt die Computersoftware, das Studio samt Aufnahmetechnik und auch das Haus, in dem wir untergebracht sind und muss deshalb nicht extra bezahlt werden. So ein Radio wie unseres wird keine große Gewinne einfahren, weil wir mit unserer Ausrichtung auf Minderheiten-Genres für die großen Werbekunden nie die erste Adresse sein werden. Unsere Maxime bezüglich der Finanzierung des Senders lautet wie folgt: Wir müssen uns mit wenig Geld begnügen, um wenig ausgeben zu können.“

In der Praxis bedeutet das, dass Radio Ethno gegenwärtig zwei Leute als feste Angestellte hat, wobei einer davon Petr Žantovský selbst ist. Er ist also sowohl für das Programm, als auch für das Organisatorische rund um den Sender verantwortlich. Die übrigen Mitarbeiter wie etwa die Moderatoren haben keine festen Verträge und kommen aus verschiedenen Branchen – darunter finden sich Schauspieler oder bekannte Fernsehmoderatoren. Auch angesichts der Personallage: Peilt Radio Ethno nicht vielleicht die Zusammenarbeit mit anderen vergleichbar eingestellten Sendern an? Denken ließe sich zum Beispiel eine Kooperation mit dem Roma-Radio Radio Rota anbieten, das nur über das Internet empfangen werden kann. Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Direktor von Radio Ethno, Petr Žantovský:

„Genau vor einer Woche habe ich mit der Leitung von Radio Rota gesprochen und wir haben vereinbart, dass wir zusammenarbeiten werden und die Sendungen des jeweils anderen übernehmen. Wir werden zum Beispiel die auf Radio Rota weltweite Roma-Musik-Hitparade ausstrahlen. Ein anderes Internetradio, mit dem wir zusammenarbeiten wollen, ist Radio Hortus. Dieser Sender wird von der so genannten Jazz-Sektion betrieben und greift auf die Wurzeln der schwarzen Musik, des Blues und des Jazz immer wieder zurück. Das sind Musikrichtungen, die bisher nicht so sehr bei uns vertreten sind. Im Rahmen eines Tauschgeschäfts können wir aber wiederum unsere Sendungen über afrikanische Musik anbieten. Auch in diesem Fall verhandeln wir über eine enge Zusammenarbeit.“