Erinnerung an den Holocaust: Stolpersteine gibt es jetzt auch in Pardubice
Sie sind auffällig unauffällig und sollen Passanten beim täglichen Gang durch die Straßen innehalten lassen: Sogenannte Stolpersteine erinnern an Opfer des Nationalsozialismus. Sie sind in 26 europäischen Ländern zu finden und seit 2008 auch in Tschechien. Mit sechs Stolpersteinen wird nun auch in Pardubice der Holocaust-Opfer gedacht.
Stolpersteine werden im Tschechischen „Steine der Verschwundenen“ / „Kameny zmizelých“ genannt. Allein in Prag kann der aufmerksame Spaziergänger über 360 von ihnen entdecken. Die Messingquader sind mit den Namen und Lebensdaten von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus beschriftet und werden in den Gehweg vor ihrer letzten Wohnstätte eingelassen.
Das ostböhmische Pardubice / Pardubitz hat nun auch seine ersten Stolpersteine. Sechs an der Zahl wurden am 1. September in der Stadt verlegt. Direkt vor der Kreisbibliothek wird an die drei Mitglieder der Familie Weiner erinnert. Am Hauptbahnhof sind drei Steine der Familie Munk gewidmet. Der Stadtarchivar Petr Mücke weist auf die Besonderheit der kleinen Mahnmäler hin:
„Im Gegensatz zu verschiedenen Gedenktafeln und anderen Denkmälern sind diese Stolpersteine nicht nur Menschen gewidmet, die Opfer des Holocaust geworden sind. Sie sind ebenso Menschen gewidmet, die das Leid in den Gefängnissen und Konzentrationslagern überlebt haben.“
Auch in Ostrov im Karlsbader Kreis gibt es nun die ersten Stolpersteine. Die Zeremonie wurde von einem jüdischen Gebet begleitet. Dazu war Chaim Kočí, der Verwalter des Neuen und des Alten jüdischen Friedhofs in Prag-Žižkov, angereist. Er begrüßt das aufkommende Interesse an der Geschichte im Karlsbader Kreis:
„Ich wurde in Ostrov geboren. Darum bin ich froh, dass sich die Gemeinde endlich den Städten angeschlossen hat, die mit ihren Einwohnern die Erinnerungen schon teilen. Die Aufarbeitung der Geschichte der hiesigen jüdischen Gemeinde steht noch am Anfang. Es ist gut, dass dieses Bewusstsein zurückkehrt.“
Es ist ein Bewusstsein auch darüber, wie jahrelang friedlich zusammenlebende Nachbarn plötzlich zu Feinden werden. Louise und Fritz Löwenstein waren bis zum Holocaust Teil der Gemeinde Ostrov.
„Sie haben mit den anderen Menschen hier in Ostrov zusammengelebt. Bevor diese hässliche Psychose ausgebrochen ist, hat das niemanden gestört“,
erzählt die Historikerin Zdeňka Čepeláková, die die Verlegung der Stolpersteine für das jüdische Paar mit ihren Recherchen unterstützt hat. Jeder einzelne der Messingwürfel erzählt eine Geschichte. Diese zu erforschen, ist mit größer werdendem zeitlichen Abstand nicht immer einfach. In Pardubice wurden Petr Mücke und seine Mitarbeiter bei ihren Nachforschungen von Angehörigen der verschleppten Familien unterstützt. Für die Stolpersteine in Ostrov half der Historikerin Čepeláková wiederum der Zufall nach:
„Ich hatte das Glück, dass ich eine Ärztin kennenlernte, mit deren Eltern ein Familienmitglied der Löwensteins in Prag befreundet war. Mehr habe ich aus dem Archiv erfahren. Im Bauverzeichnis gab es viele Informationen zu ihrem Wohnhaus.“
Die Verlegung der sechs Stolpersteine in Pardubice war ursprünglich für das Frühjahr geplant. Wegen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie wurde sie auf den Spätsommer verschoben. Trotzdem war der Ablauf nicht der übliche. Denn für gewöhnlich verlegt der Künstler Gunter Demnig selbst die Steine, die er einst erdacht hat und bis heute selbst anfertigt. Dieses Mal konnte er nicht anreisen. Die Initiatoren sowohl in Pardubice als auch in Ostrov hoffen aber auf seinen baldigen Besuch. Denn in beiden Städten sollen weitere Stolpersteine verlegt werden. Persönliche Schicksale, an die erinnert werden sollte, gibt es noch viele, so Zdeňka Čepeláková:
„Das sind weiße Flecke, die darauf warten, dass die folgenden Generationen sie ausfüllen.“