Holocaust als „warnender Leuchtturm“ – Gedenkakt auf der Prager Burg
Auf der Prager Burg fand am Dienstag eine Gedenkveranstaltung statt, bei der an die Opfer des Holocausts erinnert wurde.
Die Komposition „Jüdisches Gebet“ von Ernest Bloch erklang während der Gedenkveranstaltung im Spanischen Saal auf der Prager Burg. Staatspräsident Petr Pavel sagte einleitend, die Menschheit habe eine verhältnismäßig schlechte Reputation, was ihre Fähigkeit betreffe, Lehren aus der Geschichte zu ziehen.
„Darum erinnern wir an Ereignisse, die nicht vergessen werden dürfen. Dabei wird nicht nur an einzelne Ereignisse erinnert, denn zum Holocaust kam es nicht von einem Tag auf den anderen. Was alles dazu führte, wurde bereits sehr gut analysiert. Die Menschen tendieren jedoch dazu, diese Entwicklungen zu vergessen.“
Der Staatspräsident machte des Weiteren darauf aufmerksam, dass viele Menschen mit Beunruhigung die heutige Sicherheitssituation in der Welt sowie die Entwicklung politischer Strömungen beobachten. Pavel warnte vor Intoleranz gegenüber verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Ethnien sowie vor Desinformationen, die seinen Worten zufolge vor allem über Social Media verbreitet werden. Der Präsident:
„Wegen mangelnden Filtern unterscheiden sie nicht, was schädlich ist, was den Hass vertieft oder sogar zur Gewaltanwendung auffordert. Dadurch verstärken sich Animositäten in der Gesellschaft. Unter bestimmten Bedingungen können sie in einen Konflikt oder eine Wiederholung der Geschichte münden.“
Petr Pavel zufolge könnte künftig die junge Generation noch stärker als bisher durch Filme, Theater und weitere Kunstformen mit der Geschichte vertraut gemacht werden.
„Dadurch kann den jungen Menschen vermittelt werden, wie grausam es ist, wenn eine Menschengruppe oder ein ganzes Volk dehumanisiert und aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden.“
Der Vorsitzende des Senats, Miloš Vystrčil (Bürgerdemokraten), sagte, es sei einerseits ein Erfolg, dass der Großteil Europas 80 Jahre lang keinen Krieg erlebt habe. Andererseits werde Europa von den heutigen Konflikten immer stärker beeinflusst, so der Politiker. Der Holocaust bedeute für ihn die schreckliche Erinnerung an die Genozide an Millionen Juden, Roma und Sinti, betonte der Senatsvorsitzende und fügte hinzu:
„Der Holocaust stellt für mich zudem einen unübersehbaren, warnenden Leuchtturm dar, der zeigt, in welche Richtung sich die Menschheit nicht begeben darf.“
Unter den Rednern waren auch die Leiterin des Museums für Roma-Kultur, Jana Horváthová, und die Holocaust-Überlebende Hana Sternlicht, die aus Israel nach Prag gekommen war. Sternlicht schilderte ihr Schicksal während des Zweiten Weltkriegs. Sie stammt aus dem ostböhmischen Holice und war 14 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter aus Terezín / Theresienstadt ins KZ Auschwitz verschleppt wurde. Von dort aus wurde sie zur Sklavenarbeit in eine Fabrik in Freiberg deportiert. Im April 1945 landete sie im KZ Mauthausen. Dieses hat die US-Armee am 5. Mai 1945 befreit. Sie habe überlebt, sei aber allein geblieben, sagte Hana Sternlicht. 1949 zog sie nach Israel, wo sie bis heute lebt. Sternlicht betonte:
„Meine Kinder, Enkel und Urenkel leben in Israel, aber sie wissen, wo ihre Wurzel sind. Sie besuchen Tschechien und lieben dieses Land. Wir haben hier Freunde. Ich erzähle meine Lebensgeschichte den nächsten Generationen und treffe Studenten aus ganz Europa. Es sind keine angenehmen Erinnerungen, aber es ist die einzige Möglichkeit, um davor zu warnen, was passiert, wenn ein derartiges Übel die Chance hat, zu siegen. Der Hass wächst schnell. Es ist nötig, ihn im Keim zu unterdrücken. Ich wünsche mir, dass die nächsten Generationen in Frieden leben.“
Der Vorsitzende der Föderation jüdischer Gemeinden in der Tschechischen Republik, Petr Papoušek, bezeichnete in seiner Rede den Holocaust als ein Versagen der Zivilisation. Es sei notwendig, daran zu erinnern, um einem derartigen Versagen entgegenzuwirken:
„Wir müssen offen und mit Mut darüber sprechen, wessen wir in der Gegenwart Zeugen werden. Wir dachten, der Antisemitismus sei eine Angelegenheit der Vergangenheit. Es gibt ihn jedoch wieder – ob verdeckt oder offen. Zum Anwachsen des Antisemitismus kam es gleich nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel, und nicht erst Monate danach. In der Welt verzeichnen wir immer häufiger hasserfüllte Äußerungen gegen Juden, Angriffe auf jüdische Gemeinden und Beschädigungen von Synagogen und jüdischen Friedhöfen. In den sozialen Netzwerken werden Verschwörungstheorien und hasserfüllte Rhetorik verbreitet, die aus denselben Wurzeln stammen, die zu den Tragödien des 20. Jahrhunderts führten.“
Vor 80 Jahren wurde das KZ Auschwitz befreit. In das KZ wurden auch 50.000 tschechoslowakische Bürger verschleppt. Nur rund 6000 von ihnen haben überlebt.