Erster Weltkrieg, Karel Kryl und tschechische Musik in München

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Das Tschechische Zentrum in München bietet in den bevorstehenden Wochen ein reiches Programm an: zwei Foto-Ausstellungen zum Thema Erster Weltkrieg, ein Gedenkabend unter dem Namen „Der Dichter und Münchner Karel Kryl“ und mehrere Veranstaltungen zum Jahr der tschechischen Musik. Radio Prag hat den Leiter des Zentrums, Ondřej Černý, nach Einzelheiten gefragt.

Das tschechische Zentrum München bietet in den folgenden Wochen ein großes Programm an. In Tschechien sowie in ganz Europa finden in den folgenden Tagen viele Veranstaltungen statt, die an das Attentat von Sarajevo und den Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 vor hundert Jahren erinnern. Welche Veranstaltungen plant das tschechische Zentrum anlässlich des Jubiläums?

„Zunächst einmal muss man erwähnen, dass in München überall Spuren des ersten Weltkriegs zu finden sind. Die Stadt München hat ein umfangreiches Programm zusammengestellt. Dabei fällt vor allem auf, dass versucht wurde, die Erfahrungen des ersten Weltkriegs auf die heutige Zeit zu übertragen. Somit wird nicht nur die rein historische Perspektive gezeigt, sondern immer auch der Bezug zur heutigen europäischen, politischen Situationen miteinbezogen. Das Tschechische Zentrum München beteiligt sich an dem Programm zur Erinnerung an den ersten Weltkrieg, unter Mithilfe des Adalbert-Stifter-Vereins zeigt das Tschechische Zentrum zwei Fotografie-Ausstellungen. Zum einen handelt es sich um die Exposition mit dem Titel „Fotografen des Krieges 1914-1918“, welche bei uns im Tschechischen Zentrum gezeigt wird. Die zweite Ausstellung, „Kaiser Franz Josef und Franz Ferdinand – Fotografien von Rudolf Bruner-Dvořak“, ist im Kulturzentrum Sudetendeutsches Haus zu sehen.“

Ausstellung „Fotografen des Krieges 1914-1918“  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Bleiben wir beim Thema der ersten Ausstellung, „Fotografien des Krieges 1914-1918“. Hier werden Bilder von Amateurfotografen aus der Zeit des ersten Weltkriegs (1914-1918) gezeigt. Wie sind Sie auf diese Aufnahmen gestoßen? Wo haben Sie sie gefunden beziehungsweise entdeckt?

„Dabei handelt es sich eigentlich um einen Zufall, denn die Fotografien und Negative blieben fast 90 Jahre unentdeckt, bis hunderte Glas- und Planfilmnegative dank glücklicher Umstände in die Hände des Fotografen Jaroslav Kučera gelangten. Kučera ist auch Kurator dieser Ausstellung, sie zeigt Fotografien von drei Amateurfotografen: Gustav Brož, Jan Myšicka und Jenda Rajman.“

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München
Ist etwas über die Schicksale dieser drei Fotografen bekannt?

„Die meisten Fotografen haben im Ersten Weltkrieg viele Bilder vor allem anonym aufgenommen. Wir konnten die Namen der drei in der Ausstellung gezeigten Fotografen nur herausfinden, weil sie zu ihren Fotografien detaillierte Notizen angefertigt hatten. Anhand der Notizen war es dann möglich, die einzelnen Fotografen zu identifizieren. Wir wissen zum Beispiel, dass Gustav Brož, der den Krieg überlebt hatte, zunächst an der italienischen Front eingesetzt worden war und dann in den Osten versetzt wurde, und im Jahr 1916 desertierte. Auch Jan Myšička kämpfte an der italienischen Front, wo er gleich zweimal verletzt wurde. Myšička fotografierte die Kriegsgeschehnisse auch im ungarischen Eger. Im Falle von Jenda Rajman handelt es sich um eine einzigartige Fotosammlung, bei der auch die Negative erhalten geblieben sind. Rajman war während des gesamten Krieges im Militärkrankenhaus in Podmelec, dem heutigen Slowenien, und fotografierte dort den Alltag.“

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München
Diese Fotografien des Kriegsalltags, direkt von der Front, kann man bei Ihnen im tschechischen Zentrum im Rahmen der Ausstellung „Fotografien des Krieges 1914-1918“ sehen. Die zweite Ausstellung heißt „Kaiser Franz Josef und Franz Ferdinand – Fotografien von Rudolf Bruner-Dvořák“. Sie zeigt eine ganz andere Welt. Hier werden Fotografien von Kaiser Franz Josef und Franz Ferdinand gezeigt. Wer war dieser Rudolf Bruner-Dvořák und welche Bilder sind in der Ausstellung zu sehen?

„Rudolf Bruner-Dvořák war der Hoffotograf des Erzherzogs und Thronfolgers Franz Ferdinand. Bruner-Dvořák stammte aus dem ostböhmischen Přelouč, seine fotografische Ausbildung absolvierte in München. In seiner Laufbahn als Fotograf hat er nicht nur Franz Ferdinand fotografiert, sondern dokumentierte mit seiner Kamera auch die Besuche von Kaiser Franz Josef in den Jahren 1891, 1901 und 1907 in Böhmen. Bruner-Dvořáks Fotografien zeigen das Alltagsleben der oberen Schichten, die Europa vor dem Ersten Weltkrieg geführt haben, nicht das Leben der einfachen Bevölkerung. Dabei kann man in der Ausstellung Bilder von Treibjagden und Manövern sehen, die eine Gesellschaftsschicht zeigen, die es so nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr gab.“

Das Jahr 2014 ist aber nicht nur das Jahr, in dem an den Beginn des Ersten Weltkrieges erinnert wird, sondern es ist auch der tschechischen Musik gewidmet. Eine dieser Veranstaltungen, die einen sehr engen Bezug zur tschechischen Musik hat, ist das Festival „Europäischen Wochen Passau“. Doch wie spiegelt sich das Jahr der tschechischen Musik im Programm der Festspiele wider und in welcher Funktion ist das tschechische Zentrum beteiligt?

„Bei den „Europäischen Wochen Passau“ gibt es in diesem Jahr zwei Schwerpunkte, zum einen die türkische zeitgenössische Musik und zum anderen jenes „Jahr der tschechischen Musik“. Auf Anregung des tschechischen Zentrums haben die Organisatoren sogar eine spezielle Abonnement-Reihe mit dem Namen „Jahr der tschechischen Musik“ gegründet. Das Abschlusskonzert der „Europäischen Wochen Passau“ wird die Prague Philharmonia spielen. Im Rahmen der Festspiele, organisiert vom tschechischen Zentrum München, wird die Professorin Jarmila Gabrielová, eine der führenden Wissenschaftlerinnen für tschechische Musik des 19. und 20. Jahrhunderts, über Antonín Dvořák sprechen.“

Karel Kryl  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München)
Das Jahr 2014 ist vor allem dank vielen Jubiläen im Bereich der Musik zum „Jahr der tschechischen Musik“ erklärt worden. Zwei Jubiläen hängen auch mit dem bekanntesten tschechischen Liedermacher des 20. Jahrhunderts, Karel Kryl, zusammen. In diesem Jahr sind 70 Jahre seit seiner Geburt und 20 Jahre seit seinem Tod vergangen. Er lebte lange Jahre im Exil, und zwar in München. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum Sie Karel Kryl einen Gedenk-Abend widmen. Was steht im Mittelpunkt dieses Abends?

„Karel Kryl ist mit München wirklich sehr eng verbunden, und zwar nicht nur als Sänger und Liedermacher, sondern auch als Redakteur von ‚Radio Freies Europa‘. Wir veranstalten den Gedenkabend mit einem ganz konkreten Fokus, nämlich einer neuen CD, die beim Label Supraphon erschienen ist. Sie enthält Kryls Konzert in München im Jahr 1982, das damals der polnischen Gewerkschaft ‚Solidarnosc‘ gewidmet war. Es ist ein interessanter Querschnitt durch Kryls Repertoire aus den 1960er und 1970er Jahren, ergänzt noch durch Lieder vom Anfang der 1980er Jahre. Auf dieser CD wird nicht nur tschechisch, sondern auch deutsch und polnisch gesungen. Unsere Gäste für diesen Abend sind Marlen Kryl, die Ehefrau von Karel, sowie Jan Šulc, einer der bedeutendsten tschechischen Redakteure und Herausgeber. Er hat auch eine Sleevenote zu dieser CD geschrieben. Beide Gäste werden nicht nur über Kryl als Liedermacher sprechen, sondern ihn auch als bedeutenden Dichter vorstellen.“

Das alles findet am 25. Juni im Tschechischen Zentrum in der Prinzregentengasse statt. Im Juli lassen sich noch die erwähnten Foto-Ausstellungen in München besichtigen, danach macht das Tschechische Zentrum Ferien. Zum Schluss noch ein Internet-Tipp: Sie haben Ende Mai einen neuen Kulturblog ins Leben gerufen, er trägt den Namen „Schaufenster Tschechien“. Was findet der Leser dort?

„Auf diesem Blog findet man nicht nur Reportagen von unseren Veranstaltungen, wir möchten dort auch versuchen, auf Veranstaltungen mit einem Tschechien-Bezug in Bayern und Baden-Württemberg hinzuweisen. Deswegen auch der Name ‚Schaufenster Tschechien‘. Die erste Autorin des Blogs ist Frances Jackson. Sie ist eine Engländerin, die frisch gekürte Gewinnerin des Hrabal-Wettbewerbs, der von den Tschechischen Zentren ausgeschrieben wurde. Sie lebt in München und macht zurzeit ein Praktikum bei uns. Wir wollen aber auch weiter gehen, und Porträts von Organisationen vorstellen, die sich mit tschechischer Kultur vorstellen, sowie Interviews mit Wissenschaftlern, Kunstschaffenden und weiteren Persönlichkeiten bringen. Der Blog soll auch eine Kommunikationsplattform sein, deswegen freuen wir uns über alle Anregungen. Man kann sie an die Redaktionsadresse [email protected] schicken.“

Herr Černý, ich danke Ihnen für das Gespräch. Die Adresse des Blogs ist: http://schaufenstertschechien.wordpress.com.