„Es gibt keine eindeutigen Beweise“ - Politologe Schuster über den Fall Vondra

Alexandr Vondra

Die Regierung von Petr Nečas ist eigentlich angetreten, um die Korruption zu bekämpfen. Doch stattdessen muss sie sich mit Bestechungsaffären in den eigenen Reihen beschäftigen. Seit zwei Wochen steht der Chef des Verteidigungsressorts, Alexandr Vondra, unter Druck. Er soll während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft vor zwei Jahren dafür verantwortlich gewesen zu sein, dass ein Auftrag ohne öffentliche Ausschreibung vergeben wurde und das auch noch weit überteuert. Im Dezember hatte bereits Umweltminister Drobil zurücktreten müssen, weil er in Korruptionsverdacht geraten war. Beide Minister gehören übrigens der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) von Premier Nečas an. Um diese beiden Fälle und ihre Auswirkungen auf die Regierungsarbeit dreht sich die erste Ausgabe unserer neuen Sendereihe Das Politgespräch. Ins Studio eingeladen haben wir den Politologen und Radio-Prag-Mitarbeiter Robert Schuster.

Alexandr Vondra  (Foto: ČTK)
Robert, mit Verteidigungsminister Alexandr Vondra ist bereits der zweite Vizechef der ODS wegen Korruption ins Gerede gekommen. Wird das nicht langsam zu einem Problem für Premier Nečas und sein Saubermann-Image?

„Das kann man durchaus so sehen. Premier Nečas hatte ja schon im Juni vergangenen Jahres, als er zum Vorsitzenden der ODS gewählt wurde, verkündet, dass er der Korruption den Kampf ansagen will - und zwar sowohl der Korruption in der Regierung als auch der Korruption in seiner Partei. Dementsprechend hat er sich auch sein Team von stellvertretenden Parteichefs aus Leuten zusammengestellt, die ein sauberes Image hatten. Einer dieser Vizechefs, Umweltminister Pavel Drobil, ist im Dezember vergangenen Jahres zurückgetreten. Jetzt ist mit Alexandr Vondra ein zweiter dieser Stellvertreter unter Druck. Das ist natürlich für Nečas jetzt eine sehr unangenehme Situation, und er wird sich an seiner Aussage, dass er Korruption nicht tolerieren wird, messen lassen müssen. Sollte sich zeigen, dass Alexandr Vondra von diesen überteuerten öffentlichen Aufträgen im Rahmen der EU-Präsidentschaft gewusst hat, dann wird es wahrscheinlich zu einem Rücktritt kommen müssen, denke ich.“

Pavel Drobil  (Foto: ČTK)
Was sind die Unterschiede zwischen dem Fall des früheren Umweltministers Drobil und den nun gegenüber Vondra geäußerten Vorwürfen?

„Bei Drobil gab es ganz klare Beweise. Es gab geheime Tonbandaufnahmen, aus denen deutlich wurde, dass der Minister an der Spitze einer Pyramide stehen dürfte, die dazu dienen sollte, Gelder aus dem staatlichen Umweltfonds zur Parteifinanzierung abzuzweigen. Das ist etwas, was in jedem Staat illegal wäre. Drobil hat davon gewusst, sein engster Berater war in diese Affäre verwickelt, und als politisch Verantwortlicher hat Drobil dann relativ schnell die Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten. Bei Vondra gibt es bislang keinen eindeutigen Beweis, dass er wirklich angeordnet hat, diesen überteuerten Auftrag zu bezahlen. Insofern ist alles in der Schwebe, im Bereich des Ungefähren, des Vielleicht, des Mutmaßlichen. Das könnte vielleicht momentan Alexander Vondra noch den Hals retten. Die Sache kann sich aber natürlich auch noch weiterentwickeln, und es kommt drauf an, ob es in den kommenden Tagen und Wochen in den Medien neue Beweise geben wird oder nicht.“

Regieurung der Tschechischen Republik  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
Die Regierung ist ein halbes Jahr im Amt. Blickt man auf ihre Bilanz, scheint diese noch sehr mager zu sein - ganz im Gegensatz zu dem Umfang an inneren Spannungen und den Korruptionsfällen, oder trügt der Schein?

„Man darf nicht vergessen, dass die Regierung mit einem sehr ambitionierten Programm angetreten ist. Sie wollte vieles nachholen, in Bereichen, die von der Vorgängerregierung vernachlässigt wurden, entweder aus einem Mangel an politischem Mut oder aus einem Mangel an politischer Unterstützung – so zum Beispiel die Reformen des Rentensystems, des Gesundheitswesens, des Bildungswesens. Nečas hat sich vorgenommen, das alles zu verändern, so dass nach seiner Legislaturperiode die Wähler sagen können: ´Die Regierung hat versucht, etwas in Angriff zu nehmen und es ist auch teilweise gelungen.´ Insofern muss man der Regierung auch zugestehen, solche großangelegten, generationenübergreifende Projekte wie die Rentenreform auch sehr gründlich zu vorzubereiten. Insofern kann man dieses halbe Jahr durchaus als eine Vorbereitungsphase sehen. Aber nach dieser Vorbereitungsphase müssen jetzt wirklich die ersten großen Beschlüsse kommen. Jüngst wurde ein Übereinkommen über die Grundzüge der Rentenreform getroffen, das ist durchaus schon ein erstes positives Zeichen.“