Es ist wieder soweit
Als Ausländer in Prag kann man sich von Zeit zu Zeit den Gang zur Fremdenpolizei nicht ersparen. Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen müssen verlängert oder ein Visum muss beantragt werden. Dass Fremdenpolizeien zu den Orten der besonderen Art gehören, das erfahren Sie im folgenden real-satirischen Beitrag von Alexander Schneller.
Es ist wieder soweit. Schon seit Tagen habe ich ein flaues Gefühl im Magen. Aber es lässt sich nicht vermeiden: der Gang zur Fremdenpolizei zwecks Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung steht an. Und anstehen ist ein gutes Stichwort. Denn meist muss man stundenlang anstehen oder einfach warten, bis man gnädigerweise dann in ein Büro eingelassen wird. Nun, ich weiss: Die meisten Fremdenpolizeien auf der Welt sind Orte, wo man nicht freiwillig, geschweige denn gern hingeht. Aber hier in Prag hat man zuweilen schon das Gefühl, in einem Hochsicherheitstrakt zu sein. Polizistinnen und Polizisten, bewaffnet mit Knüppel, Pistole und Handschellen, patroullieren in den schmalen Gängen. Angestellte mit riesigen Schlüsselbunden öffnen Türen und verschliessen sie demonstrativ wieder. Jeder soll sehen, wer hier die Schlüsselgewalt hat. Und jeder Antragsteller soll das Gefühl haben, dass er irgendwie schuldig ist. Oder zumindest stört.
Ich bin also wieder mal hier, wieder mit meiner Frau. Es ist nämlich sehr nützlich, jemanden bei sich zu haben, der des Tschechischen mächtig ist. Denn auf der Fremdenpolizei sprechen die Angestellten keine Fremdsprachen. Wo kämen wir denn da hin!
Wir haben uns auf mindestens einen halben Tag eingerichtet und deshalb Proviant mitgenommen: ein paar Sandwiches, Äpfel und Bananen und drei Flaschen Mineralwasser. Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder. Nach knapp zwei Stunden blinkt unsere Nummer über dem Büro 8. Und nach einer halben Stunde sind wir abgefertigt und haben ein Zettelchen in der Hand, das uns erlaubt, in einem Monat den neuen Ausländerausweis abzuholen. Ganz einfach, wie die durchaus freundliche Beamtin versichert, einfach beim Büro 3 den Zettel abgeben, ein Nümmerchen braucht man dazu nicht, und schwuppdiwupp ist's erledigt. Wir glauben immer noch zu träumen und begeben uns eilends ins nächste Café, um bei einem Glas Wein auf unser unverhofftes Glück anzustoßen.
Aber man soll den Tag bekanntlich nicht vor dem Abend loben. Nach einem Monat machen wir uns wohlgemut zur Fremdenpolizei auf in der Gewissheit, für die nächsten zehn Jahre Ruhe zu haben. Allerdings sind wir sofort etwas irritiert, da die Abläufe, die wir ja beim ersten Mal immerhin zwei Stunden lang hatten studieren können, geändert zu haben scheinen. Das Büro 3, das sonst immer zugänglich ist und wo man das Zettelchen abgeben kann, um dann umgehend das ersehnte Dokument zu bekommen, dieses Büro 3 ist verschlossen und eine Nummer blinkt. Wir haben aber kein Nümmerchen, da man das ja nicht braucht. Denkste! Meine Frau erkämpft sich, als die Tür von Büro 3 kurz aufgeht, eine Auskunft. Zuerst meint eine gestresste Beamtin, sie habe jetzt keine Zeit, dann aber, da meine Frau nicht locker lässt, und jetzt kommt der Hammer, sagt sie, die Fremdenpolizei für EU-Bürger und Zugewandte befinde sich seit drei Wochen ganz woanders. Wir müssten das Dokument dort, am anderen Ende der Stadt, abholen, hier gibt's nichts.
Da stehen wir nun wie begossene Pudel. Aber es hilft alles nichts. Wir werden uns in der nächsten Woche auf die Suche nach der Fremdenpolizei für EU-Bürger und Zugewandte machen müssen, denn auf die Frage, wie die Adresse lautet, hat die Beamtin bloss mit einem Achselzucken reagiert. Und der Polizist, der in gewichtiger Pose vor dem Eingang steht, meint auf dieselbe Frage, er sei kein Auskunftsbüro. Ich muss meine Frau beschwichtigen, denn die ist wütend und traurig zugleich. "Wie vor 30 Jahren", meint sie erbost. Na ja, auch ich habe keine Freude, aber im Moment können wir nichts anderes tun, als wieder eilends ins nächste Café zu gehen und diesmal mit einem Sliwowitz den Ärger runterzuspülen.