EU-müde Tschechen?

Flagge der EU und Tschechien

Die Zahl derjenigen Tschechen, die sich für einen Beitritt ihres Landes zur Europäischen Union aussprechen, ist niedriger als je zuvor während der vergangenen fünf Jahre. So das Ergebnis einer am Montag veröffentlichten Umfrage, die zwei der bekanntesten Meinungsforschungsinstitute hierzulande gemeinsam durchführten. Einzelheiten dazu von Silja Schultheis.

Die Tabellen und Schaubilder, mittels derer die einschlägigen tschechischen Tageszeitungen in ihrer Dienstagsausgabe die jüngsten Umfrage-Ergebnisse der beiden renommierten Meinungsforschungsinstitute STEM und Sofres-Fractum präsentieren, sprechen eine klare Sprache: Die Zustimmung der Tschechen zur EU-Mitgliedschaft ihres Landes ist im Sinken begriffen. Während 1996 noch 46% und 1997 sogar 50% der Befragten angegeben hatten, sie würden bei einem Referendum für den Beitritt zur Europäischen Union votieren, waren es im Mai diesen Jahres nur noch 40%. Gegen den EU-Beitritt Tschechiens sprachen sich vor drei Monaten 22% der Befragten aus - 7% mehr als noch im Dezember des Vorjahres.

Wie sich diese Tendenz erklären lässt, wollte ich von dem Direktor des Meinungsforschungsinstituts Sofres-Factum, Herrn Hercman, wissen:

"Diese Entwicklung ist durch zwei Prozesse bedingt: Erstens vergegenwärtigen sich die Menschen mehr als früher, dass der Beitritt zur Europäischen Union auch Verpflichtungen und nicht nur Vorteile mit sich bringt. Wir haben herausgefunden: je weiter ein Land von dem realen Beitritt entfernt ist, desto weniger wissen die Menschen von den konkreten Bedingungen und desto optimistischer sind sie auch. Die zweite Sache ist, dass einige der Verhandlungen, die in letzter Zeit geführt werden - vor allem über die Freizügigkeit der Arbeitskräfte - bei einem Teil der Bevölkerung das Gefühl hervorrufen, dass wir keine vollkommen gleichberechtigten Mitglieder der EU sein sollen. Und da fragen sich manche, ob man unter diesen Bedingungen der Union beitreten soll."

Die Überlegung, ob die Ergebnisse solcher und ähnlicher Meinungsumfragen - an denen hierzulande wirklich kein Mangel herrscht - nicht mit Vorsicht zu genießen seien, kommentierte Hercman so:

"Mit jeder Meinungsumfrage muss man vorsichtig umgehen, weil sie immer nur einen Teil der Realität widerspiegelt. Aber in der zeitlichen Perspektive leisten solche Umfragen einen wichtigen Beitrag. Denn über den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union wird mit aller größter Wahrscheinlichkeit per Referendum entschieden werden. Und alle politischen Kräfte - egal ob sie für oder gegen den Beitritt sind - sollten wissen, wie gegenwärtig die Kräfte und Ansichten in dieser Hinsicht verteilt sind."