Europäische Viertelwahl, "Staatshilfe" für Rechtsextreme, neues Nichtraucherschutzgesetz

noviny090612.jpg

Die Themen des Medienspiegels in dieser Woche: Warum die Europawahl nur ein Viertel der tschechischen Bevölkerung interessiert, die politische Linke trotz der Finanzkrise nicht punktet, die Rechtsextremen Gelder aus der Staatskasse bekommen und wie es um die Rechte von Nichtrauchern steht.

Foto: ČTK
M: Politisch war einiges los in dieser Woche. Europawahl, Amtsniederlegungen bei den Grünen, Parteiaustritte bei den Christdemokraten und die Gründung einer neuen konservativen Partei, wie wir ja auch vorhin im Tagesecho gehört haben.

KM: Der Ausgang der Europawahl wurde hier ausführlich besprochen. Die Kommentatoren sind sich weitgehend einig, dass es notwendig ist, die Europawahl vor dem innenpolitischen Hintergrund in dem jeweiligen Mitgliedsstaat zu bewerten. Das gilt auch für die Betrachtung der Gründe für den europaweiten Misserfolg des linken politischen Spektrums.

M: Ich erinnere nur kurz daran, dass hier in Tschechien die Sozialdemokraten den Bürgerdemokraten unter Ex-Premier Mirek Topolánek um fast zehn Prozent unterlegen sind.

KM: Die Gründe für das Ausbleiben eines Linksrucks trotz Finanz- und Wirtschaftskrise sind länderspezifisch, schreibt Martin Weiss von der Tageszeitung Lidové noviny:

"In Großbritannien und Spanien, wo die Finanz- und Wirtschaftskrise am schärfsten spürbar ist, haben die Regierungsparteien von der Opposition was hinter die Ohren gekriegt, die zufällig konservativ ist. In Frankreich und Deutschland hat sich die Krise noch nicht so stark auf die Realwirtschaft ausgewirkt und die Sozialisten beider besagter Länder haben schon länger damit zu tun, wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen. Das gilt im Grunde auch für Italien."

Foto: Europäische Kommission
Der Soziologe Jan Spousta wiederum bietet in der Tageszeitung Mladá Fronta Dnes folgenden Ansatz an:

"Ende des 20. Jahrhunderts haben die Linken angefangen, von den Konservativen zu lernen. Sie haben die Marktwirtschaft akzeptiert, konnten die Mittelschicht für sich gewinnen und haben dem Marxismus abgeschworen. Nun lernen die Konservativen von den Linken, wie man ökologische und soziale Schwerpunkte setzt, sie setzt nicht mehr auf Elitarismus und wählt charismatische Parteiführer."

Diese weitgehende Angleichung der politischen Argumentation nennt auch Martin Weiss als Grund für das aktuelle Wählerverhalten:

"Vielleicht haben die Wähler realisiert, dass die Unterschiede in der Rhetorik des linken und konservativen Spektrums nur maskieren, wie wenig sich ihre wirtschaftspolitischen Ansätze unterscheiden. Vielleicht spüren sie, dass sich die Linken in der Konfrontation mit der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht besser zu helfen wisses, als die Mitte-Rechts-Parteien - alle wollen mehr reglementieren und alle fürchten sich davor zuzugeben, dass sie nicht wissen wie. Was bleibt da dem durch die Krise verunsicherten Wähler übrig? Er kann sich entweder den radikaleren Parteien zuwenden, die sich wirtschaftlich nicht profilieren, oder zu Hause bleiben. Und genau das haben die meisten getan."

M: Ja, die Wahlbeteiligung war ja so gering, dass sie selbst der Europakritiker Präsident Václav Klaus angeprangert hat. Als "Viertelwahl" hat er sie bezeichnet, als klar wurde, dass gerade mal 28 Prozent der Wahlberechtigten tatsächlich ihre Stimme abgegeben haben. Und dabei hatte der tschechische Präsident kurz vor der Wahl noch die Meinung verkündet, die Europawahl sei eigentlich überflüssig. Das aber nur nebenbei.

KM: Die Kommentatoren beschäftigte natürlich die Frage, warum sich die Mehrzahl der Tschechen den Weg zur Wahlurne gespart hat. Martin Weiss führt die kommunistische Vergangenheit als einen der Gründe dafür an, dass die Wahlbeteiligung in Tschechien aber auch in den anderen neuen Mitgliedsstaaten geringer ist als in den westeuropäischen Ländern:

"Es scheint fast, als könne man Gepflogenheiten, die einmal ausgemerzt wurden, nicht mehr wieder beleben."

Foto: ČTK
Ein ganz anderer Aspekt wurde außerdem im Zusammenhang mit der geringen Wahlbeteiligung heftig diskutiert, und zwar der Punktesieg der rechtsradikalen Parteien in Tschechien. Da die über ein Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten, kassieren sie nun Steuergelder. Mehr als 30 000 Euro stehen der Arbeiterpartei umgerechnet aus der Staatskasse zu. Jana Blažková von der Mladá Fronta Dnes rechnet dem Leser vor, wie viele Baseballschläger sich die Rechtsextremisten so auf Staatskosten leisten können. 1900 seien es, schätzt die Autorin, die konstatiert, das sei "keine angenehme Vorstellung". "Wir können uns jetzt schon auf weitere Drohgebärden und Aufmärsche in Vierteln mit 'unangepassten' Bewohnern 'freuen', auf die nächsten Straßenschlachten und Provokationen", so die Autorin, denn die Partei werde die Finanzspritze ohne Zweifel stärken. "Dabei hätte so wenig gereicht, um ihnen diesen Zuschuss zu verwehren. Es hätten nur ein paar Tausend Leute mehr zur Wahl kommen müssen, die ihre Stimme den demokratischen Parteien gegeben hätten. Aber sie sind eben nicht gekommen."

M: Die Rechtsextremisten mussten aber auch einstecken diese Woche. Die Polizei Anfang der Woche Jagd auf sie gemacht, nachdem die Regierung, allen voran Ministerpräsident Jan Fischer, angekündigt hatte künftig "ohne Kompromisse gegen Neonazis vorzugehen". Außerdem haben die Vorsitzenden der etablierten Parteien, eine Reihe Minister aber auch Ex-Präsident Václav Havel just am Tag der Razzia eine Erklärung gegen "Rechts- und Linksextremismus" unterzeichnet. Das kann kein Zufall sein.

KM: Das finden auch die Kommentatoren. Daniel Kaiser von Lidové novinyäußert deshalb beispielsweise Bedenken:

"Es bleibt zu hoffen, dass diesmal mehr hinter der Polizeirazzia und dem politischen Abkommen steckt als das Bedürfnis, einmal in den Fernsehnachrichten zu erscheinen."

Tomáš Němeček von der Tageszeitung Hospodářské noviny ist da optimistischer:

"Ja, die Aktion macht sich gut vor den Fernsehkameras und ist latent populistisch - na und? Populismus muss nicht immer etwas schlechtes sein. Die Neonazis sollen in diesem Land das Fürchten lernen. Sie sollen wissen, dass es gefährlich ist, sich mit Leuten einzulassen, die sich mit dem Hitlergruß begrüßen, da man früher oder später im Knast landet."

Foto: ČTK
Außerdem, so Němeček, drohe in diesem Fall im Gegensatz zu vielen anderen Einsätzen das Vorgehen der Polizei nicht in einer Blamage zu münden. Das Innenministerium scheint kapiert zu haben, was der Unterschied ist zwischen vermeintlich "neonazistischen Angriffen durch Eierwerfer" und wahrhaftigen Neonazis".

M: Das Parlament hat sich aber diese Woche auch mit Gefahren einer ganz anderen Art beschäftigt, mit dem Rauchen nämlich. Was ist denn da rausgekommen?

K: Man könnte hier fast sagen: Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. Viel ändern wird sich nämlich für Besucher von Restaurants, Cafés und Bars nicht. Ob dort künftig geraucht werden darf, entscheiden nämlich ausschließlich die Besitzer. Die müssen lediglich außen einen Aufkleber anbringen, der den potentiellen Besucher vorwarnt. Petr Kamberský von der Zeitung Hospodářské noviny findet das eine denkbar schlechte Lösung. Das Parlament hat in seinen Augen ein Gesetz gegen das Rauchen beschlossen, dass Nichtraucher diskriminiert.

„Das Gesetz wirkt sehr liberal: Es ist jedem selbst überlassen, ob er eine verqualmte oder eine rauchfreie Gaststätte betreiben will. Das Business wählt schon aus seiner Definition heraus den Weg, der mehr Gewinn verspricht, deshalb wird die Mehrheit der Gastwirte die Bedürfnisse der Mehrheit befriedigen“. Vor allem in kleinen Orten, wo es kaum Ausweichmöglichkeiten gibt, so Kamberský, wird das neue Gesetz zur Diskriminierung von Nichtrauchern führen. „Niemand hat das Recht, seinen Gestank anderen aufzuzwingen. Will man Freiheit für Raucher UND Nichtraucher, so geht das in Restaurants usw. in separierten Bereichen. Punkt.“

M: Den müssen wir auch hinter den heutigen Medienspiegel machen. Vielen Dank, Katrin Materna! Und bis zum nächsten Mal.