Polizei und Justiz machen gegen die rechte Szene mobil

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Bereits seit längerer Zeit beobachten Tschechiens Politiker, Behörden und Nichtregierungs-Organisationen die verstärkten Aktivitäten der rechtsextremen Szene mit Sorge. Doch obwohl es bei Demonstrationen und im Umfeld einschlägiger Konzerte immer wieder zu Konflikten mit Rechtsextremisten gekommen war, zeigte sich die Polizei lange Zeit tolerant gegenüber den Umtrieben. Erst nach den schweren Ausschreitungen im nordböhmischen Litvínov im November des vergangenen Jahres und dem Brandanschlag auf eine Roma-Familie im mährisch-schlesischen Vítkov im Frühjahr 2009 zeigte sich die Polizei entschlossener im Umgang mit der rechten Szene. Zudem hat die im Mai angetretene Übergangsregierung von Premier Jan Fischer den Kampf gegen Rechts zu einer ihrer Prioritäten erklärt.

Litvínov,  17. November 2008  (Foto: ČTK)
Es waren die schwersten Ausschreitungen seit Jahrzehnten, die die nordböhmische Stadt am 17. November 2008 erlebte. Dutzende Anhänger der rechtsextremen „Dělnická strana“ – zu Deutsch Arbeiterpartei – marschierten durch die Siedlung Janov am Stadtrand, in der viele Angehörige der Roma-Minderheit leben. Zahlreiche Roma setzten sich gegen den Aufmarsch und die Beschimpfungen der Rechtsextremen zu Wehr. Von beiden Seiten flogen Flaschen, Steine, Feuerwerkskörper und Brandsätze. Mehrere Autos gingen in Flammen auf, darunter auch ein Streifenwagen. Die Polizei konnte der Lage damals nur durch ein massives Aufgebot Herr werden, auch Panzerwagen, Wasserwerfer und berittene Einheiten kamen zum Einsatz. Um die Menge auseinanderzutreiben, setzten die Beamten Tränengas und Blendgranaten ein. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, Dutzende festgenommen.

Zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Anhängern der „Dělnická strana“ kam es wenige Monate später auch in Prag. Damals wurde auch deren Vorsitzender, Tomáš Vandas, vorübergehend festgenommen. Größere Ausschreitungen konnten von der Polizei gerade noch verhindert werden. Auch in vielen anderen Städten Tschechiens kam es bei Demonstrationen und Konzerten rechtsextremer Bands immer wieder zu Konfrontationen mit der Polizei und Gegendemonstranten. Vor dem Hintergrund dieser Vorfälle reichte die Regierung Topolánek im Frühjahr dieses einen Verbotsantrag gegen die „Dělnická strana“ ein, der jedoch wegen seiner mangelhaften Ausfertigung vom obersten Verwaltungsgericht in Brünn abgewiesen wurde. Wenig später erschütterte der Brandanschlag auf eine Roma-Familie im mährisch-schlesischen Vítkov die tschechische Öffentlichkeit. Die zweijährige Natálka liegt seither mit schwersten Verbrennungen im Krankenhaus und wird ihr Leben lang durch die unfassbare Tat gezeichnet sein. Nach monatelangen Ermittlungen schlug die Polizei im Sommer in einer Großrazzia an mehreren Orten gleichzeitig zu und konnte im Zusammenhang mit dem Anschlag mehrere Verdächtige festnehmen. Alle gehören der rechten Szene an.

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Vergangene Woche gelang der tschechischen Polizei ein weiterer Schlag gegen die rechte Szene. Unter der Führung der Spezialeinheit zur Bekämpfung des Organisierten Verbrechens (ÚOOZ) rückten an mehreren Orten in Böhmen und Mähren schwer bewaffnete Polizisten aus und stürmten zahlreiche Wohnungen, wie der Leiter der Sondereinheit, Robert Šlachta berichtet:

„Wir haben 24 Personen festgenommen, 18 wurden später als Beschuldigte vernommen. Gegen acht Verdächtige haben wir Haftbefehl beantragt, die Staatsanwaltschaft hat allerdings nur zwei davon dem Gericht übergeben. Das ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die ich nicht weiter kommentieren kann und will.“

Bei der Großrazzia am vergangenen Mittwoch wurden auch zahlreiche rechtsextreme Schriften, Computer und DVDs mit einschlägigen Fotos und Videos sowie Propagandamaterialien für die rechtsextreme Arbeiterpartei und deren Jugendorganisation „Dělnická mládež“ – Arbeiterjugend - sichergestellt. Für Parteichef Tomáš Vandas handelt es sich bei dem Einsatz eindeutig um eine politisch motivierte Aktion.

„Es geht der Regierung nur darum, die Anhänger der Arbeiterpartei einzuschüchtern“

Innenminister Martin Pecina versuche nun geradezu verzweifelt, im Zusammenhang mit dem neuerlichen Verbotsantrag gegen seine Partei, Beweise für verfassungsfeindliches Handeln zu suchen, so Vandas. Ein Sichtweise, der Innenminister Pecina widerspricht:

„Als ich mein Amt angetreten habe, habe ich die Weisung erteilt, mit allen Mitteln gegen die rechtsextreme Szene vorzugehen. Über diesen konkreten Einsatz habe ich aber nicht Bescheid gewusst und auch der Polizeipräsident war nicht informiert. Und das ist auch gut so, denn das war eine Aktion, die die Spezialeinheit zur Aufdeckung des Organisierten Verbrechens und die Staatsanwaltschaft vorbereitet haben. Weder die Politik noch der Polizeipräsident sollten sich da einmischen.“

Der angesprochene ranghöchste Polizist des Landes, Polizeipräsident Oldřich Martinů betont, die nun sichergestellten Beweise kämen für das bereits laufende Verbotsverfahren gegen die Arbeiterpartei vermutlich ohnehin zu spät. Schließlich liege das vom Innenministerium vorbereitete Dossier bereits seit einigen Wochen auf dem Tisch der obersten Verwaltungsrichter in Brünn, die in der Sache in Kürze entscheiden wollen. Der Vorwurf von Parteichef Vandaš gehe somit ins Leere.

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Die Jugendorganisation der Arbeiterpartei – „Dělnická mláděž“ – hat angekündigt, zu Beginn dieser Woche im Polizeipräsidium Beschwerde gegen das Vorgehen der Beamten bei der Razzia am Mittwoch einlegen zu wollen. Polizeipräsident Oldřich Martinů sagte am Sonntag im Tschechischen Fernsehen, dies sei das gute Recht jedes Bürgers:

„Ich betone aber, dass die Polizisten der Sondereinheit gegen das Organisierte Verbrechen strikt gemäß den gesetzlichen Vorschriften vorgegangen sind. Daher bezweifle ich, dass die Beschwerde gerechtfertigt ist.“

Sorgen bereitet Politikern und Polizisten, dass einige der bei der Razzia in der vergangenen Woche festgenommenen Sympathisanten der rechten Szene offenbar einen Anschlag auf ein öffentliches Gebäude erwogen haben. Der Leiter der Polizei-Sonderheinheit zur Aufdeckung des Organisierten Verbrechens, Robert Šlachta, bestätigte dies:

„Wir sind mit der Auswertung des Materials und den Verhören zwar erst ganz am Anfang, aber den Verdacht, dass ein terroristischer Akt vorbereitet werden sollte, den gibt es. Nun versuchen wird, Beweise dafür zu sammeln, damit sich die Verdächtigen dann auch dafür vor Gericht verantworten müssen.“

Polizeipräsident Oldřich Martinů ergänzt:

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„Tatsächlich hat eine Gruppe von Rechtsextremen einen Anschlag auf ein wichtiges Infrastruktur-Objekt geplant. Sie haben sich unter professioneller Anleitung in einem Trainingscamp gezielt darauf vorbereitet.“

Als alarmierend bezeichnete Martinů die Tatsache, das der Anführer und Trainer dieser Gruppe offensichtlich aus den Reihen einer staatlichen Einsatzorganisation kommt. Welche, das wollte Martinů am Sonntag im Tschechischen Fernsehen nicht sagen:

„Ich kann aber ausschließen, dass sich daran ein Mitarbeiter der tschechischen Polizei beteiligt hat. Die Rechtsextremen hatten allerdings die Unterstützung eines Profis.“

Ein Profi, der in den Reihen einer bewaffneten Sicherheitseinheit zu suchen sei, wie der Polizeipräsident auf Nachfrage bekräftigte. Mit anderen Worten: mit aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Angehörigen der Tschechischen Armee, die laut einer kürzlich an die Öffentlichkeit gelangten Studie bereits seit einiger Zeit gegen rechte Tendenzen in ihren Reihen kämpft.