Ex-Fußballprofi Lokvenc: Tschechien muss Nachwuchsarbeit nach deutschem Vorbild ausrichten

Vratislav Lokvenc
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Unverhofft kommt oft. Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) und die Repräsentanz des Freistaates Bayern in Tschechien veranstalteten am vergangenen Samstag das erste Oktoberfest der bayerischen Art in Prag. Unter den Teilnehmern waren auch einige illustre Gäste, darunter der ehemalige Fußballprofi der deutschen und österreichischen Bundesliga, Vratislav Lokvenc. Lothar Martin ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, mit dem 38-jährigen Tschechen ins Gespräch zu kommen.

Vratislav Lokvenc
Herr Lokvenc, was machen Sie jetzt eigentlich zurzeit?

„Nach dem Ende meiner aktiven Karriere habe ich für den FC Basel als Scout in Tschechien und in der Slowakei gearbeitet. Es ist wirklich schade für Basel, dass Trainer Thorsten Fink jetzt nach Hamburg gegangen ist, aber das Leben geht weiter! Ich spiele jetzt hier in Tschechien in der 4. Liga für einen kleinen Verein. Das mache ich so für mich selbst, um mich fit zu halten.“

Sie leben also wieder in Tschechien. Sind Sie denn noch Scout für den FC Basel?

„Ja, bin ich.“

Sie haben aber lange Zeit in der ersten und zweiten Bundesliga gespielt, für den 1. FC Kaiserslautern, für Bochum und für Ingolstadt. Was hat Ihnen die Zeit in der deutschen Bundesliga gegeben?

Thorsten Fink  (Foto: Heinz Janssen,  Creative Commons 2.5)
„Das war für mich eine tolle Zeit in Deutschland. In den vier Jahren, in denen ich in Kaiserslautern spielte, hatten wir stets ein tolles Publikum, alles war super. Das Jahr in Bochum war auch gut, auch wenn wir leider abgestiegen sind. Danach bin ich nach Salzburg gegangen, was ja unweit zur Grenze von Bayern liegt. Dadurch war ich auch oft in München, wo ich mit meiner Familie fünf Jahre lang gelebt habe. Kurz vor dem Ende meiner Karriere habe ich dann noch in Ingolstadt unter Trainer Thorsten Fink gespielt. Mit dieser Mannschaft bin leider auch abgestiegen. Aus heutiger Sicht aber kann ich sagen: Ingolstadt spielt wieder zweite Bundesliga und hat Gott sei Dank ein neues Stadion, also war auch das eine gute Station für mich.“

Warum haben sie Ihre Karriere beendet? Gab es gesundheitliche Gründe?

„Ich war einfach zu alt! Zu Beginn meiner Karriere hat mir jemand mal gesagt, dass ich bis zum Alter von 36 Jahren aktiv Profifußball spielen werde. So ist es dann auch gekommen, und das war optimal. Es gibt nicht wenige Spieler, die schon mit 30 oder 32 Jahren aufhören müssen, weil sie sie körperlich fertig sind. Ich aber kann nicht klagen, denn mit einem Kreuzbandriss habe ich nur eine größere Verletzung gehabt.“

Wie würden Sie den Unterschied zwischen der Bundesliga und der tschechischen Liga beschreiben? Die Bundesliga hat doch ein ganz anderes Niveau, oder?

„Aber sicher. Die Bundesliga hat ein hohes Niveau, das auch durch viele sehr gute internationale Spieler geprägt wird. Die tschechische Liga ist auf jeden Fall kleiner, aber bestimmt auch nicht schlecht. Wir sind zwar ein kleines Land, aber wir haben auch gute Fußballer. So gut wie die deutschen Kicker sind sie allerdings nicht.“

Es stimmt, auch hierzulande gibt es gute Spieler. Aber in letzter Zeit hat deren Klasse, insbesondere in der Nationalmannschaft etwas nachgelassen. Von der Mannschaft, die 2004 in Portugal so tollen Fußball gespielt hat, ist die heutige Nationalelf weit entfernt. Worin sehen Sie die Gründe, weshalb die aktuelle Mannschaft jetzt so in der Kritik steht?

Pavel Nedvěd | Foto: ČTK
„Die große Generation, mit der wir 2004 erfolgreich bei der EM-Endrunde in Portugal gespielt haben, ist leider schon in die Jahre gekommen. Spieler wie Pavel Nedvěd, Karel Poborský, Jan Koller oder Vladimír Šmicer haben ihre Karriere inzwischen beendet. Die heutigen Nationalspieler aber sind in ihrer Gesamtheit nicht so stark wie unsere Generation. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Aufgabe, dass wir in Tschechien wieder intensiver mit dem Nachwuchs arbeiten müssen, um alsbald neue Talente an das Niveau im Männerbereich heranzuführen. Als Vorbild kann uns dabei die Nachwuchsarbeit in Deutschland dienen, der wir nacheifern sollten.“

Würden Sie und andere ehemalige Spieler wie zum Beispiel Nedvěd gerne dabei helfen, dass der tschechische Fußball bald wieder den Anschluss nach oben findet? Oder ist es hierzulande schwierig, etwas zu bewegen, weil die Strukturen und ein klares Konzept im Fußball einfach nicht vorhanden sind? Ich will da nur auf die verworrene Situation an der Spitze des Verbandes verweisen, in dem es nach dem Rücktritt von Ivan Hasek immer noch keinen neuen Präsidenten gibt.

„Nun, mehrere ehemaliger Spieler arbeiten bereits für den Verband. Zum Beispiel Vladimír Šmicer, der Sportdirektor bei der Nationalmannschaft ist. Oder Karel Poborský, der dort als technischer Direktor der Nationalelf arbeitet und zudem Vorstandsvorsitzender seines letzten Clubs in Budweis ist. Für Pavel Nedvěd indes ist es schwierig, denn er lebt in Italien. Jeder will helfen, auch wenn es nicht so einfach ist. Um wirklich etwas zu ändern, muss man von ganz unten anfangen. Das heißt, die Nachwuchsarbeit muss so verändert werden, dass potenzielle Talente schon von Klein auf unterstützt werden, indem sie eine bestmögliche Ausbildung bekommen. Das aber ist noch ein langer Weg.“

Trotzdem hoffen Sie natürlich, dass Tschechien im kommenden Jahr bei der Europameisterschaft dabei sein wird. Was halten Sie vom Play-off-Gegner Montenegro?

„Ich denke, dass unsere Chancen in den Play-offs 50:50 stehen. Wie gesagt, wir sind nicht mehr so stark wie früher, und Montenegro hat zwei, drei sehr gute Fußballer in seinen Reihen. Für unsere Mannschaft kommt es zunächst darauf an, dass alle gesund bleiben bis zum Hinspiel am 11. November in Prag. Wenn jemand verletzungsbedingt ausfällt, dann haben wir schon ein ziemliches Problem. Ansonsten müssen wir uns sehr konzentriert auf diese Begegnung und das Rückspiel am 15. November vorbereiten. Die Teilnahme an einer EM-Endrunde ist immer eine große Chance, sowohl sportlich als auch finanziell. Zudem wäre es ein kleiner Schritt, um den tschechischen Fußball wieder etwas mehr ins Rampenlicht zu führen.“

Marcel Maltritz  (Foto: Archiv VfL Bochum)
Wie steht es mit Ihren Verbindungen nach Deutschland? Haben Sie noch gute Kontakte zu ehemaligen Mitspielern, Trainern oder Betreuern in Kaiserslautern oder Bochum?

„Ich muss sagen, dass ich leider keine allzu großen Kontakte mehr habe. In Kaiserslautern zum Beispiel sind fast alle Leute schon weg, mit denen ich damals zusammen war. Vom heutigen Vorstand bis hin zu den Spielern kenne ich niemanden mehr persönlich. Im Internet habe ich gelesen, dass aus meiner Zeit nur noch der Zeugwart, der Busfahrer und der Masseur geblieben sind. Und natürlich Torwarttrainer Gerry Ehrmann, aber der ist ja auch eine Legende in Kaiserslautern. Also nur diese vier Leute kenne ich noch gut, aber ich habe keinen Kontakt zu ihnen. In Bochum ist es ähnlich. Hier kenne ich noch Libero Marcel Maltritz, den Masseur und den Physiotherapeuten. Aber auch zu denen habe ich keinen Kontakt mehr.“

Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, als muss man immer schnell handeln…

„Ja, das stimmt.“

Vratislav Lokvenc ist heute übrigens Spieltrainer bei Union Čelákovice, einem Verein der vierten tschechischen Liga unweit von Prag. In der ersten deutschen Bundesliga traf Lokvenc in 148 Spielen 45 Mal ins Schwarze, für Red Bull Salzburg markierte er in 45 Spielen acht Tore.

Autor: Lothar Martin
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