Ex-Kapitän und Weltmeister Robert Reichel hält Einzug in die IIHF Hall of Fame

Robert Reichel (Foto: David Kalvas, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

In der tschechischen Eishockey-Extraliga hat der HC Verva Litvínov vergangenen Donnerstag seinen ersten Meistertitel gewonnen. An diesem Freitag beginnt in Prag und Ostrava / Ostrau die 79. Weltmeisterschaft der Puckjäger. Radio Prag hat mit einem ehemaligen Top-Spieler und heutigen Nachwuchstrainer gesprochen, der wie kaum ein Zweiter sowohl im Club aus Litvínov als auch in der tschechischen Nationalmannschaft seine Spuren hinterlassen hat: der Olympiasieger und dreifache Weltmeister Robert Reichel. Für seine Verdienste im internationalen Eishockey wird der 43-Jährige zum Ende der WM in die Hall of Fame des Eishockey-Weltverbandes (IIHF) aufgenommen.

Robert Reichel  (Foto: David Kalvas,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Als ich mich vor zwei Monaten mit Robert Reichel getroffen habe, wurde gerade die Hauptrunde zur abgelaufenen Saison 2014/15 zu Ende gespielt. Diese hat der Stamm- und Herzensverein von Robert, der HC Verva Litvínov, mit dem besten Ergebnis seiner Clubgeschichte abgeschlossen: Platz zwei mit 105 Punkten aus 52 Spielen, davon wurden 36 gewonnen. Aufgrund dieser Bilanz, vor allem aber wegen der konstanten und von Krisen verschonten Spielweise der Schwarz-Gelben, setzte Reichel damals auch einige Erwartungen in die nachfolgenden Playoffs:

„Die Mannschaft spielt gut, sie hat einen ausgezeichneten Torhüter und ein sehr gutes Überzahlspiel. Bisher läuft es wirklich gut, doch es ist erst ein Teil des Weges zurückgelegt. Denn nun wartet mit den Playoffs der zweite und schwierigere Abschnitt. Dafür müssen die Jungs gesund bleiben, vor allem der Torwart, und sie müssen so zielstrebig weitermachen wie bisher.“

Martin Ručinský  (Foto: Archiv HC Verva Litvínov)
Das haben die Nachfolger des ehemaligen Kapitäns der Mannschaft dann auch in beindruckender Weise getan. Nach dem souveränen Weiterkommen im Viertelfinale über Pardubice und im Halbfinale über Brno / Brünn mit jeweils 4:1 Siegen setzten sich die Nordböhmen auch in der Finalserie gegen Třinec durch. Die dramatische Serie ging über die volle Distanz, doch im alles entscheidenden siebten Match behielt Litvínov durch zwei Tore von František Lukeš mit 2:0 die Oberhand. Damit hatte der Verein vom Fuße des Erzgebirges zum allerersten Mal den Meisterpokal gewonnen, und daran hatten auch zwei ehemalige Mitschüler von Reichel ihren Anteil: Martin Ručinský als Spieler und Jiří Šlégr als stellvertretender Clubchef und Reservespieler. Mit diesen Zweien sowie mit Robert Lang hat Reichel in Litvínov fünf Jahre lang gemeinsam die Schulbank gedrückt, bevor sich ihre Wege zum Ende des Juniorenalters getrennt haben:

Ivan Hlinka  (Foto: Petr Tomasovsky,  CC 3.0)
„Jeder von uns ging damals seinen eigenen Weg. Es war die unmittelbare Zeit nach der Wende, als sich für uns die Grenzen öffneten und jeder zudem die Möglichkeit bekam, in die NHL zu gehen. Wir Vier haben sie gleichermaßen genutzt und in Nordamerika durchaus eine gute Rolle gespielt. Das war auch der Grund dafür, dass es uns in unserer Blütezeit nicht möglich war, in Tschechien den Titel mit Litvínov zu gewinnen. Das war sicherlich sehr schade, doch dafür sind uns andere Dinge gelungen.“

Und das nicht zu knapp. In seiner Vita hat das Quartett insgesamt acht WM-Titel vorzuweisen, und alle Vier waren auch am größten Erfolg des tschechischen Eishockeys überhaupt beteiligt – dem Olympiasieg 1998 in Nagano. Daran wirkten noch vier weitere Spieler aus der „Litvínov-Schule“ sowie Club-Ikone Ivan Hlinka als Chefcoach mit. Die grundlegende Ausbildung in seiner Geburtsstadt weiß Reichel auf ewig zu schätzen:

Robert Reichel  (Foto: Fanny Schertzer,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
„Meine nachhaltigsten Erinnerungen an die aktive Karriere sind die, wie ich überhaupt zum Eishockey gekommen bin und dass ich die Möglichkeit hatte, die Grundlagen dieses Sports hier in Litvínov zu erlernen. Ich hatte stets das Glück, sehr gute Trainer gehabt zu haben, die uns jungen Spielern immer sehr viel beigebracht haben. Es waren Trainer, die mit Herz bei der Sache waren, und das Ergebnis ihrer Arbeit war dann auch zu sehen. Eine ganze Reihe von Spielern aus Litvínov hat den Sprung in die NHL geschafft, und mehrere von ihnen gehörten auch über Jahre zu den Stützen der tschechoslowakischen oder tschechischen Nationalmannschaft.“

In der NHL haben nicht weniger als 23 Cracks aus Litvínov ihre Visitenkarte abgegeben. Im Nationalteam aber ragte Robert Reichel aufgrund seiner Führungsqualitäten noch ein kleines Stück heraus. Er absolvierte 156 Länderspiele, in denen er 45 Tore erzielte. Gleich sechs Mal hat Reichel eine tschechische WM-Mannschaft als Kapitän geführt, in drei Fällen hat sie das Turnier als Sieger beendet. Dabei ist Tschechien 2001 in Hannover sogar der Titel-Hattrick gelungen – ein Ereignis, an das sich Reichel auch heute noch sehr gern erinnert:

René Fasel  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Natürlich hatten wir große Freude, dass uns dieser Coup gelungen ist. Herr Fasel übergab uns den neuen WM-Pokal, den wir in der Kabine mit Sekt füllten, und als er hinzukam, haben wir ihn damit etwas nass gemacht. Das gehört einfach dazu. Herr Fasel kam wie versprochen in unsere Kabine und wurde dafür auch ´belohnt´. Ich denke aber, er hat es sportlich genommen und ziemlich genossen.“

Der Schweizer René Fasel ist seit 1994 der Präsident der Internationalen Eishockey-Föderation (IIHF). In dieser Funktion weiß er die Verdienste von Spielern, Trainern, Funktionären und Schiedsrichtern für das internationale Eishockey auch besonders zu schätzen. Um deren Leistungen entsprechend zu würdigen, hat der Weltverband 1997 in Zürich seine eigene Ruhmeshalle gegründet, inzwischen weltweit bekannt als die IIHF Hall of Fame. Seit ihrer Gründung zählt die Ruhmeshalle nun schon 195 Mitglieder, und bei der WM in Prag und Ostrava / Ostrau kommen weitere fünf hinzu. Zu ihnen gehören auch die beiden Tschechen Dominik Hašek und Robert Reichel. Der ehemalige Center und heutige Nachwuchstrainer Reichel ist über diese Ehrung sehr erfreut:

„Es ist schon angenehm, dass man sich so an mich erinnert. Die Auszeichnung liegt sicher darin begründet, dass die tschechische Mannschaft noch vor einigen Jahren sehr gute Ergebnisse bei internationalen Titelkämpfen erreicht hat, zu denen ich meinen Teil beitragen konnte. Darüber hinaus wurde ich ein paar Mal in das All-Star-Team einer WM gewählt. Ich bin natürlich erfreut darüber, dass mir nun diese Ehre zuteil wird. Das zeigt auch, dass ich Eishockey nicht nur zum Vergnügen gespielt habe, sondern einst wirklich zu den Besten in der Welt gehörte. Und besonders freut mich, dass ich bei der Heim-WM in Prag geehrt werde.“

In seiner Karriere hat Robert Reichel an neun Weltmeisterschaften der Männer, zwei Weltcups, einem Canada Cup und an zwei olympischen Turnieren teilgenommen. Als Profi hat er in elf Spielzeiten für vier Franchises in der NHL gespielt und dabei 900 Begegnungen absolviert, in denen er 260 Tore schoss. Aber lediglich mit Toronto kam er in Tuchfühlung zum begehrten Stanley Cup. Das war im Frühjahr 2002, in dem die Maple Leafs erst im Eastern Conference Final an Carolina scheiterten. Eine besonders gute Erinnerung hat Reichel indes an seinen anderthalbjährigen Abstecher in die Deutsche Eishockey-Liga (DEL). Den machte er vom Herbst 1994 bis zum Frühjahr 1996 zu den Frankfurt Lions, bei denen er in der Saison 1995/96 auch den bis heute gültigen Scorer-Rekord der DEL aufstellte: In nur 46 Spielten erzielte er 47 Tore und 54 Assists, womit er den Rekord auf 101 Punkte schraubte.

Jiří Lála  (Foto: YouTube)
„Was das Eishockey und das Umfeld in Frankfurt betrifft, war es sehr angenehm, dort zu spielen. Es herrschte stets eine tolle Atmosphäre in Frankfurt, von dieser Seite her kann ich mich nicht beschweren. Zudem haben wir ein wirklich attraktives Eishockey geboten, und dass ich zusammen mit Jiří Lála in einer Reihe spielen konnte, war ein Genuss. Daran habe ich gute Erinnerungen. Der einzige Wermutstropfen war, dass der Verein seinerzeit kein adäquates Management hatte. Das war sehr schade. Denn wenn es dort einen Menschen in der sportlichen Leitung gegeben hätte, der vom Eishockey wirklich etwas versteht, dann hätte die gute Mannschaft durchaus noch weiter funktionieren können. Viele von uns wären gern noch länger geblieben, und dann hätten wir wohl auch noch mehr erreichen können, als wir es bis dahin geschafft hatten.“

Robert Reichel  (Foto: Archiv Rytíř TV)
Im Sommer 2010 beendete Robert Reichel in Litvínov seine aktive Karriere. Danach begann er sofort als Trainer zu arbeiten. In der Saison 2010/11 war er Chefcoach der Erstligamannschaft aus Litvínov, doch das funktionierte nicht, denn der Abstand zu seiner Zeit als Spieler war noch zu kurz. Seit 2011 trainiert Reichel daher den Nachwuchs – in Litvínov und auf Auswahlebene. Zuerst kümmerte er sich um die U16-Mannschaft, seit zwei Jahren coacht er die U17-Auswahl. Diese Arbeit macht ihm sehr viel Spaß. Insbesondere deshalb, weil Reichel merkt, dass sie bereits erste Früchte trägt:

IIHF Hall of Fame  (Foto: Archiv IIHF)
„Natürlich ist es schön, wenn man gewinnt und schon keine solchen ´Packungen´ mehr bekommt wie zu Beginn meiner Trainertätigkeit. Man ist froh darüber, dass sich schon etwas zum Besseren bewegt hat. Doch es gibt noch viel zu tun, wenn wir auch im Nachwuchsbereich zu den führenden Eishockeynationen wie Russland, Kanada und die USA weiter aufschließen wollen. Noch liegen wir hinter ihnen.“

Wer Robert Reichel kennt, der weiß, dass er alles dafür geben wird, dass dieser Abstand geringer wird. Fleiß, Zielstrebigkeit und unbändiger Wille haben ihn schon als Spieler ausgezeichnet. Eigenschaften, die es neben seinem hohen Können bewirkt haben, dass Robert Reichel nun auch in die Ruhmeshalle des Eishockey-Weltverbandes einzieht.

Autor: Lothar Martin
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