Ex-Präsident Václav Havel diskutierte mit Studenten

Vaclav Havel, photo: CTK

Einen solchen Menschenandrang hat die Philosophische Fakultät der Karlsuniversität Prag wahrscheinlich noch nie erlebt. Für die Debatte mit Ex-Präsident Václav Havel interessierten sich so viele Studenten, dass einige Hundert von Interessenten in den überfüllten Hörsaal gar nicht mehr rein kamen. Hauptthema der Diskussion konnte am Vorabend des Jahrestags der Wende nichts anderes als die Ereignisse von 1989 sein. Martina Schneibergova fasst zusammen.

Der größte Hörsaal drohte aus allen Nähten zu platzen, verzweifelte Veranstalter bemühten sich die lange Menschenschlange, die bis vor das Gebäude reichte, vor dem Eingang in den Saal zu stoppen, denn wie sie den Wartenden mehrmals laut verkündeten, es passe wirklich niemand mehr rein. Von den Glücklicheren, die im Saal auf den Ex-Präsidenten warteten, wurde dieser stürmisch begrüßt. Václav Havel räumte ein, er sei von einem solchen Empfang überrascht und gerührt. Der Ex-Präsident antwortete den Studenten auf Fragen, die das Geschehen in November 1989, aber auch die jetzige politische Lage betrafen - wie z. B. der jüngsten Wahlerfolg der Kommunisten bei den Regionalwahlen. Die Stimmung in den Tagen der Revolution bezeichnete der Ex-Präsident als eine "Atmosphäre der plötzlich entstandenen allgemeinen Zusammengehörigkeit, Solidarität und Opferbereitschaft". Ein derartiges Ethos wird Havel zufolge in diesem Land nicht häufig ins Leben gerufen, es sei jedoch im Potential der Gesellschaft enthalten. Der Ex-Präsident wurde nach der Entstehung des berühmten Mottos gefragt: "Wahrheit und Liebe werden Lüge und Hass besiegen". Er gab zu, er habe damals auf dem Wenzelsplatz ein entsprechendes Motto für den Abschluss seiner Rede gebraucht. Auch wenn es so zufällig entstanden sei, stehe er dahinter und sei bemüht, danach zu leben. Die gestiegenen Wahlpräferenzen der Kommunisten hält Havel nicht für eine Rückkehr der alten Ordnung:

"Wir kehren nicht zu alten Verhältnissen zurück, nur die Freunde der alten Verhältnisse lassen von sich hören. Die Freunde der alten Verhältnisse, die fünf Jahre lang darauf gewartet hatten, um die Ausreisegenehmigung nach Jugoslawien zu bekommen, währenddessen sie einige Mal an den Parlamentswahlen teilnehmen und die Kandidaten der Nationalen Front wählen mussten, die reisen jetzt in den Urlaub nach Mallorca. Trotzdem spüren sie irgendeine Unzufriedenheit oder sie haben ein schlechtes Gedächtnis."

Der Ex-Präsident stellte des Weiteren fest, dass ihm der Begriff der "samtenen Revolution", der einst von einem ausländischen Journalisten geprägt wurde, nicht gefällt. Denn die ersten Tage seien - so Havel - gefährlich gewesen, da die Armee und die Polizei einsatzbereit gewesen seien. Er wies die Vermutung zurück, dass es sich 1989 um einen im Voraus mit der Macht vereinbarten Umsturz gehandelt habe.

Auf die Frage, ob er sich irgendwelcher Fehler bewusst ist, die er im Präsidentenamt beging, antwortete Václav Havel:

"Ich weiß selbstverständlich, dass ich manchmal ungeschickt war und zum Glück hat das niemand bemerkt. Fehler, die mir Jahre lang immer wieder von jemandem vorgeworfen werden, die habe ich eigentlich nicht begangen oder es geht um bestimmte Mythen. Aber einige Fehler habe ich schon gemacht, und vielleicht werde ich darüber noch irgendwann in Ruhe etwas schreiben, wenn mir das der Herrgott oder eine höhere Kraft gönnen wird."