Ex-Star Ručinský: Rolle des Weltcup-Außenseiters dürfte uns liegen

Martin Ručinský (Foto: Archiv HC Sparta Prag)

Wenn ein bedeutendes Eishockeyturnier bevorsteht, dann haben die tschechischen Sportfans viel zu diskutieren. Das ist gegenwärtig wieder der Fall, denn an diesem Wochenende beginnt im kanadischen Toronto der World Cup of Hockey, der hierzulande sehr aufmerksam verfolgt wird. Die internationale Fachwelt räumt Tschechien nur Außenseiterchancen ein, Team-Manager Martin Ručinský aber sieht darin auch eine Chance.

Der World Cup of Hockey ist ein internationales Eishockeyturnier von hohem Stellenwert. So manche Experten bezeichnen ihn sogar als die „wahre Weltmeisterschaft“, weil bei diesem Turnier alle internationalen Top-Stars mit von der Partie sind. Dies ist ansonsten nur bei den Olympischen Spielen der Fall. Es ist so, weil das Eishockey – im Gegensatz zum Fußball und den anderen populären Mannschaftssportarten – eine Besonderheit aufweist: Die mächtige nordamerikanische National Hockey League (NHL), rundum anerkannt als die stärkste Eishockey-Profiliga der Welt, lässt sich vom Eishockey-Weltverband (IIHF) nicht vorschreiben, welche Spieler sie zur jährlich ausgetragenen Weltmeisterschaft abstellt. Da das WM-Turnier jedes Jahr im Mai stattfindet, fehlen dort regelmäßig auch die besten NHL-Spieler, weil sie zu dieser Zeit stets im weltbesten Clubwettbewerb im Einsatz sind – im Stanley Cup. Seit 1998 legt die NHL alle vier Jahre während der Olympischen Winterspiele eine Wettkampfpause ein, so dass Olympia fortan im Pucksport die weltweit höchste Anerkennung und Aufmerksamkeit genießt. Gleich danach aber kommt der Weltcup, der ab kommenden Samstag zum dritten Male veranstaltet wird.

Canada Cup 1976  (Foto: YouTube)
Vorläufer des Weltcups war der traditionsreiche Canada Cup, der von 1976 bis 1991 ausgetragen wurde. Bei der Premiere vor 40 Jahren bestritt das Team der Tschechoslowakei überraschend das Finale gegen Favorit Kanada. Nach dem sensationellen 1:0-Sieg der Tschechen und Slowaken gegen die Gastgeber in der Vorrunde, zogen sie dann in der Finalserie (Best of Three) mit 0:6 und 4:5 nach Verlängerung gegen die Ahornblätter den Kürzeren.

Bei den ersten zwei Ausgaben des Weltcups, die 1996 und 2004 veranstaltet wurden, hat in der rein tschechischen Mannschaft auch der Olympiasieger und dreifache Weltmeister Martin Ručinský mitgewirkt. Heute ist der 45-Jährige der Generalmanager der tschechischen Nationalmannschaft für den bevorstehenden World Cup. An die Turniere vor 20 und 12 Jahren hat er ganz unterschiedliche Erinnerungen:

„Der Weltcup im Jahr 1996 verlief und endete für uns katastrophal. Und das, obwohl wir dachten, wir hätten eine solch starke Mannschaft wie noch nie beieinander. Der Höhepunkt unserer blamablen Vorstellungen war die 0:3-Heimniederlage gegen Schweden.“

„Der Weltcup im Jahr 1996 verlief und endete für uns katastrophal. Und das, obwohl wir dachten, wir hätten eine solch starke Mannschaft wie noch nie beieinander. Der Höhepunkt unserer blamablen Vorstellungen war die 0:3-Heimniederlage gegen Schweden in der Großen Sporthalle von Sparta Prag. Nach der Schlusssirene haben die enttäuschten Zuschauer Bierdosen nach uns geworfen.“

Der wesentliche Grund dafür war: Die damalige tschechische Mannschaft war nur so gespickt mit Spielern aus der NHL. Und von denen hatten ihre Landsleute in der Heimat ganz einfach mehr erwartet:

„Damals gab es eine unglückliche Konstellation: Die Spieler aus tschechischen und europäischen Clubs, die im Mai die WM gewannen, wurden für den Weltcup so gut wie nicht berücksichtigt. Das Turnier wurde im September ausgetragen, nominiert wurden fast ausschließlich Spieler aus der NHL. Es wurde diskutiert, ob dies gut oder schlecht sei. Danach waren wir klüger: Wir spielten einen schlechten Weltcup, und für mich persönlich war es die schlimmste Erfahrung, die ich in meiner Spielerkarriere gemacht habe.“

Martin Ručinský  (Foto: Archiv HC Sparta Prag)
Aber, wie es im Leben nicht selten der Fall ist, das Schlechte hatte auch etwas Gutes:

„Ich sage bis heute, der Weltcup von 1996 hatte für uns auch eine heilende Wirkung. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein da. Denn wir bekamen dort so viel Dresche, dass wir daraus die Lehren zogen und fortan ganz anders auftraten und spielten. Ich selbst gehe sogar soweit und sage: Ohne diese Pleite beim Weltcup wären wir zwei Jahre später nicht Olympiasieger geworden.“

Und für die 0:3-Niederlage gegen die „Tre Kronors“ in Prag haben sich die Tschechen dann bei nächsten World Cup, acht Jahre später in Stockholm, eindrucksvoll revanchiert:

Ivan Hlinka  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Dort haben wir das Viertelfinalspiel gegen Schweden mit 6:1 gewonnen. Im Halbfinale gegen Kanada haben wir zwar knapp verloren, doch aus meiner Sicht war dies eines der besten Spiele, das eine Mannschaft meiner Generation je gemacht hat.“

Dabei musste die Mannschaft nur wenige Wochen vor dem Weltcup-Turnier noch einen schweren Schicksalsschlag einstecken: Nach einem Autounfall kam der beliebte und charismatische Nationaltrainer Ivan Hlinka ums Leben. Als sein Nachfolger sprang kurzerhand Slavia Prags Coach Vladimír Růžička in die Bresche. In den Gedanken der Akteure aber spielte der verstorbene Hlinka weiter mit:

„Beim Weltcup 1996 bekamen wir so viel Dresche, dass wir daraus die Lehren zogen und fortan ganz anders auftraten und spielten. Ich selbst gehe sogar soweit und sage: Ohne diese Pleite beim Weltcup wären wir zwei Jahre später nicht Olympiasieger geworden.“

„Ansonsten aber war das Jahr 2004 ein unglückliches Jahr, denn da starb auf tragische Weise Ivan Hlinka. Er war in der Nationalmannschaft, ja für das gesamte tschechische Eishockey eine Ikone. Sein Tod war ein schrecklicher Schlag für uns alle.“

Vom kommenden Samstag bis zum 1. Oktober wird der World Cup of Hockey nun zum dritten Male ausgetragen. In der nordamerikanischen Profiliga NHL spielen inzwischen nicht mehr so viele Tschechen wie früher, von den absoluten Superstars ganz zu schweigen. Deshalb wird dem tschechischen Team von der internationalen Fachwelt auch nur eine krasse Außenseiterrolle zugebilligt. Das aber sei gar nicht so schlecht, findet Martin Ručinský:

„Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Wenn wir irgendwo als Favorit anreisten und man von uns große Dinge erwartet hat, dann haben wir meist enttäuscht. Wenn wir indes Außenseiter waren und niemand uns auf der Rechnung hatte, dann haben wir nicht selten einen großen Erfolg gefeiert.“

In zwei Testspielen gegen Russland hat die heute von Head Coach Josef Jandač trainierte tschechische Mannschaft zumindest schon einmal Eindruck hinterlassen: Nach der knappen 3:4-Niederlage am vergangenen Donnerstag in St. Petersburg gewann sie das zweite Duell in Prag mit 2:1 nach Penalty-Schießen.


Tennis: Der neue Stern Karolína Plíšková ist in New York aufgegangen

Karolína Plíšková  (Foto: ČTK)
Zu den Olympischen Spielen in Rio hatte sie noch gekniffen, nun aber hat sie ihr augenscheinlich großes Potenzial zum ersten Mal auf der ganz großen Tennisbühne präsentiert – die Tschechin Karolína Plíšková. Bei den US Open in New York kam die Tennisspielerin aus der nordböhmischen Kleinstadt Louny / Laun erstmals in ihrer Karriere über die dritte Runde eines Grand-Slam-Turniers hinaus. Doch nicht nur das, mit ihrem Power-Tennis schmetterte sich die 24-Jährige bis in das Finale durch und schaltete auf dem Weg dorthin auch die bisherige Weltranglisten-Erste, Serena Williams (USA), aus. Erst im Endspiel fand sie ihre Meisterin: Sie unterlag der neuen Nummer eins, Angelique Kerber, nach über zwei Stunden Spielzeit und großem Kampf mit 3:6, 6:4 und 4:6. Dabei nahm die um zwei Minuten jüngere Zwillingsschwester von Kristýna Plíšková der Deutschen als einzige Turniergegnerin einen Satz ab. Doch für den ganz großen Coup reichte es noch nicht:

Karolína Plíšková  (Foto: ČTK)
„Es war sehr schwer. Nicht unbedingt psychisch, vor allem aber physisch. Zum einen wegen der Hitze und auch wegen der vielen Ballwechsel. Gegen Kerber zu spielen ist sehr anstrengend. Da gewinnt man nicht einfach so nach dem Schema Aufschlag-Return-Volley, nein, da muss man einen langen Atem haben. Sie bringt so viele Bälle zurück, wie keine andere Spielerin. Weil sie solange dagegenhält, zwingt sie eine Kontrahentin wie mich dazu, noch aggressiver zu spielen. Und zwar solange, bis man einen Fehler macht.“

Trotz des verlorenen Finales hat Karolína Plíšková allen Grund zum Jubeln. In der aktuellen WTA-Weltrangliste kletterte sie vom elften auf den sechsten Platz, das ist ihre bisher beste Platzierung überhaupt. Für ihre Finalteilnahme kassierte sie als Preisgeld die stattliche Summe von 1,75 Millionen Dollar. Und sie ist optimistisch, dass sich ihre neue Erfahrung, im Endspiel eines Grand-Slam-Turniers gestanden zu haben, in Zukunft noch auszahlen wird. Zur Siegerin sagte sie:

Angelique Kerber  (Foto: ČTK)
„Kerber war die Favoritin und hat ihre Rolle als neue Nummer eins hervorragend gemeistert. Sie ließ mir keine Chance, jeden Ballwechsel mit ihr musste ich konzentriert zu Ende spielen. Das ist natürlich schwer, und so habe ich dann auch ein paar Fehler zu viel gemacht. Aber ich bin darüber nicht enttäuscht, denn ich habe nicht nur ein gutes Match, sondern auch ein gutes Turnier gespielt.“

Ein sehr gutes Turnier hat auch die 29-jährige Lucie Šafářová gespielt. Zusammen mit Bethanie Mattek-Sands aus den Vereinigten Staaten bezwang sie im Finale des Damen-Doppel das französische Duo Caroline Garcia und Kristina Mladenović mit 2:6, 7:6 und 6:4. Für die Tschechin und ihre Partnerin war es bereits der dritte Triumph bei einem großen Turnier – im vergangenen Jahr haben beide die Australien Open und die French Open gewonnen.

Autor: Lothar Martin
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