„Familie, Arbeit und Freizeit – Frauen in der Armee müssen gut organisieren können“
Vor 80 Jahren wurden erstmals Frauen in die tschechoslowakische Armee aufgenommen. Die heutigen tschechischen Streitkräfte haben mittlerweile zwei Frauen im Rang eines Generals. 2017 wurde Lenka Šmerdová als erste der beiden ernannt. Im Interview für Radio Prag schildert sie, wie sie zunächst gegen Vorurteile ankämpfen musste und warum sie Soldatin wurde. Wir haben die interessantesten Passagen zusammengestellt.
Lenka Šmerdová kann man durchaus als Vorkämpferin bezeichnen für die Gleichstellung von Frauen in der tschechischen Armee. Vor zehn Jahren war sie die erste Frau im Rang eines Obersts, fünf Jahre später folgte die Ernennung zur ersten Generalin.
„Für mich war es eine Überraschung, dass die Wahl auf mich fiel. Denn damals dienten bereits drei Oberstinnen. Ich empfand das alles als eine riesengroße Anerkennung nicht nur meiner Arbeit, sondern auch die meiner Kollegen. In der Armee erreicht man allein gar nichts. Bis heute erinnere ich mich an das Erhebende des feierlichen Zeremoniells auf der Prager Burg. Ich wurde gleichzeitig mit Soldaten ernannt, denen der Status eines Kriegsveteranen zuerkannt wurde. Ich ging an ihrer Seite. Mittlerweile habe ich eine weitere Kollegin im Generalstab. Sie ist Rektorin der Universität der Verteidigungskräfte. Zudem dienen weitere neun Frauen als Oberstinnen“, so Šmerdová.
Für das Jahr 2022 hat die tschechische Armee sogar einen Kalender herausgebracht mit Frauen in ihren Reihen. Denn sie sind heutzutage nicht mehr wegzudenken aus diesem traditionell eher männerdominierten Teil der Gesellschaft. Lenka Šmerdová:
„Mittlerweile sind im gesamten Bereich, der dem Verteidigungsministerium untersteht, 3700 Frauen angestellt. Das sind 13,7 Prozent aller Beschäftigten. Damit nimmt Tschechien innerhalb der Europäischen Union den zehnten Platz ein. Frauen sind in allen Einheiten vertreten, auch bei den Fliegern, den Bodentruppen sowie in der Burgwache oder bei der Militärpolizei. Wir beweisen unsere Fertigkeiten in allen Fachbereichen.“
Das sagt die Generalin, die auch selbst einen Anteil hat an dieser Entwicklung. Denn Šmerdová berät den Leiter des Generalstabs bei der Einstellung neuer Soldaten und in Genderfragen.
Das tschechische Verteidigungsministerium wird im Übrigen auch von einer Frau geführt, Ende Dezember übernahm die Bürgerdemokratin Jana Černochová dieses Amt. Erste Frau an der Spitze des Ressorts war ab 2007 die damalige Christdemokratin Vlasta Parkanová.
Lenka Šmerdová entschied sich bereits im Kindesalter dazu, keinen typischen Frauenberuf zu ergreifen. Das war noch in den 1970er Jahren, also in tiefsten kommunistischen Zeiten. Sie habe Action gewollt, hat sie einmal in einem Interview gesagt. Aktiv war sie damals etwa bei der Freiwilligen Feuerwehr, sie spielte Fußball mit den Jungs und bestritt Wettkämpfe im Orientierungslauf. Und weiter:
„In der Primarstufe der Schule mussten wir uns entscheiden, für welche Ausbildung wir uns anmelden wollen. Ich schrieb, dass ich auf die Militärakademie wolle. Das löste Verwunderung aus. Mein Klassenlehrer wusste damit keinen Rat und schickte mich ins Rektorat. Auch der Schulleiter war aber überrascht und begann, sich darüber zu informieren. Dann ließ er mich zu sich rufen und sagte, dass Mädchen nicht in die Armee aufgenommen würden und ich mich erst melden könne, wenn ich das Abitur gemacht habe. Ich meinte darauf: ‚Dann mach ich irgendwann eben das Abitur.“
Lenka Šmerdovás Mutter war jedoch nicht einverstanden und schickte ihre Tochter zunächst auf eine weiterführende Schule mit wirtschaftlicher Ausrichtung – und zwar mit den Worten, danach könne sie sich immer noch entscheiden. Nach dem Fachabitur versuchte es die junge Frau erneut, diesmal auf einer militärischen Fachschule.
„Damals gab es mehrere einjährige Fachschulen der Armee. Gegen die Luftstreitkräfte sprach ein kleiner Sehfehler. Deswegen entschied ich mich für die einjährige militärische Fernmelde-Schule“, so die Generalin.
Die Schule beinhaltete auch den Grundwehrdienst. Danach musste Lenka Šmerdová mehrere Jahre lang in der Fernmeldetruppe dienen, konkret in Stará Boleslav / Altbunzlau in Mittelböhmen. Erst danach konnte sie ihren ursprünglichen Wunsch umsetzen und an eine Hochschule der Armee gehen. In Bratislava studierte sie Pädagogik. Da Šmerdová schwanger wurde und einen Sohn bekam, um den sie sich kümmerte, war sie von 1991 bis 1994 vom Dienst freigestellt. Ab 1996 wechselte sie in den Bereich Personalwesen und machte dort Karriere. Was aber empfand sie in ihrem Werdegang am schwersten?
„Beim Wechsel meiner Funktionen stand ich jedes Mal wieder vor einer Aufgabe, mit der zuvor niemand anderes konfrontiert gewesen ist. Aber ich mag Herausforderungen. Wenn ich zurückdenke, dann mussten wir zum Beispiel nach der Professionalisierung der tschechischen Armee im Jahr 2005 überhaupt erst einmal Rekrutierungszentren aufbauen. So etwas hat es hierzulande nie gegeben, und wir ließen uns von unseren Kollegen im Ausland einweisen. Plötzlich meldeten sich Leute zur Armee, die auch wirklich dienen wollten. Für mich als Armeeangehörige war aber auch schwer, dass ich aus Mähren komme, aber ans andere Ende Tschechiens versetzt wurde. Als meine Eltern erkrankten und ich nicht in ihrer Nähe sein konnte, entstanden für mich schwierige Momente.“
Ein weiteres Problem besteht darin, Beruf und Familie zusammenzubringen. Lenka Šmerdová:
„Wir Frauen in der Armee bemühen uns nicht nur, unsere Aufgaben so gut wie möglich zu erfüllen, sondern die meisten von uns müssen auch gut organisieren können. Wir schaffen es, Familie, Arbeit und auch Freizeit so miteinander zu verbinden, dass fast nichts zu kurz kommt. Ich sage deswegen ‚fast‘, weil es nicht immer ganz klappt. Dazu muss man anfügen, dass es auch auf das Umfeld ankommt – also die Familie, den Ehemann, die Kinder und die Freunde sowie Bekannte. Manchmal entsteht eine Situation, in der man ohne Hilfe seine Aufgaben nicht erfüllen kann.“
Aber wie haben eigentlich ihre Kollegen darauf reagiert, als Lenka Šmerdová auf der Karriereleiter immer höher stieg?
„Mir ist es sogar einmal passiert, als ich eine neue Funktion angetreten habe, dass mich der Befehlshaber mit den Worten begrüßt hat: ‚Eine Frau habe ich hier aber nicht gewollt.‘ Ansonsten habe ich aber Glück darin gehabt, dass alle anfänglichen Zweifel immer verschwunden sind und ich wunderbare Mitarbeiter und auch Vorgesetzte hatte, die mich haben machen lassen. Sie konnten dann sehen, was meine Arbeit wert ist, und haben mir keine Steine in den Weg gelegt. Ich arbeite mit anderen für andere zusammen und mache das sehr gerne.“
Im Übrigen muss auch die 57-jährige Generalin immer noch regelmäßig ihre Fitness unter Beweis stellen. Daran führe in der Armee kein Weg vorbei, gesteht sie:
„Einer unserer Slogans lautet, dass die Fitness in unsere Arbeitszeit fällt. Jedes Jahr werden wir Soldaten darin auch getestet. Aber natürlich bestehen Alterskategorien, schließlich kann man mit 50 Jahren nicht mehr so schnell laufen wie noch mit 20 Jahren.“