Fast 100.000 Menschen demonstrierten in Prag ihre Unterstützung für die streikenden Fernsehmitarbeiter
An die Atmosphäre von November 1989 konnte man sich am Mittwochabend in Prag erinnern, wo sich auf dem Wenzelsplatz fast 100.000 Menschen versammelten, um ihre Unterstützung für die streikenden Mitarbeiter des Tschechischen Fernsehens zu demonstrieren. Auf der von den Gewerkschaften und einer Bürgerinitiative organisierten Demo sprachen Vertreter der Fernsehmitarbeiter, Künstler, Gewerkschafter, Publizisten und auch Politiker. Martina Schneibergova war dabei:
Es handelte sich nicht um die erste Demonstration für die Bewahrung der Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien, sondern sicherlich um die größte Demonstration. Bereits in den vergangenen Tagen haben sich jeden Abend einige Tausend Menschen vor dem Nachrichtenstudio des Tschechischen Fernsehens versammelt, um ihre Solidarität mit den Fernsehmitarbeitern zum Ausdruck zu bringen, die gegen die neue Führung des Senders protestieren.
An der Demonstration nahmen - wie gesagt - viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teil. Die Redner betonten hauptsächlich die Tatsache, der Protest gegen den neuen Fernsehdirektor sei keine Aktion einiger Aufständischen oder Anarchisten, sondern eine Manifestation souveräner Bürger, die Befürchtungen um die Freiheit des Wortes haben. In diesem Sinne äußerte sich auch der Chef des Unabhängigen Gewerkschaftsverbandes des Senders, Antonin Dekoj:
"Wir sind keine professionellen Rebellen, wir sind Mitarbeiter des Tschechischen Fernsehens verschiedener Berufe - nicht nur Journalisten. Wir haben sehr lange gezögert, bevor wir den Streik ausgerufen haben. Es war für uns der letzte verzweifelte Versuch, wie wir die Mitarbeiter verteidigen können, die im Fernsehgebäude übernachten, um dort Sendungen vorbereiten zu können."
Von den Politikern sprach auf der Demo Vizepremier Vladimir Spidla, der von den Demonstranten nicht gerade begrüßt wurde. Er informierte darüber, dass das Kabinett eine Novelle des Fernsehgesetzes verabschiedet hatte, die andere Regeln für die Zusammenstellung des Fernsehrates enthält. Direkt von der Sondersitzung des Senats kam der Chef der oppositionellen Freiheitsunion Karel Kühnl auf die Demonstration, der bemerkte:
"Ich bin mir fast sicher, dass die Mehrheit der Abgeordneten eine schnelle Verabschiedung des novellierten Fernsehgesetzes unterstützen wird. Wir müssen schnelle Lösungen finden, die dazu führen werden, dass die Nachrichtenredakteure nicht im Gebäude geschlossen werden müssten und dass die Lage im Sender wieder normal sein wird."
Auf der zwei ein halb Stunden dauernden Demonstration sprachen auch mehrere Künstler, deren Ansprachen oft sehr emotional wirkten. Die Prager Schauspielerin Eva Holubova gehört zu den Begründern der Bürgerinitiative "Das Tschechische Fernsehen - eine öffentliche Angelegenheit". Sie betonte:
"Zahlreiche Politiker tun so, als ob es uns nicht gäbe. Es zeigt sich jedoch, dass es uns gibt, und dass wir immer mehr sind. Es gibt immer mehr Menschen, die die Demokratie verteidigen wollen."
Was bewegte die Menschen, die auch vom lande nach Prag gekommen sind, zur Teilnahme an der Demo. Hier stellvertretend die Meinung eines Demonstranten:
Zum Abschluss der Demonstration erklang ähnlich wie in den vergangenen Tagen vor dem Prager Fernsehstudio das Lied "Tahnete do haje" (was etwa bedeutet: "Packt eure Koffer") von Ivan Hlas: