„Fehlender Konsens“ - eine Analyse der tschechischen Außenpolitik
Die Außenpolitik der Tschechischen Republik ist geprägt vom Kampf für Menschenrechte und von der Exportförderung. Zwei Schwerpunkte, die sich nicht immer vereinen lassen. Dazu kommt, dass zwei Institutionen die Außenpolitik für sich beanspruchen: Der Staatspräsident und die Regierung. Präsident Miloš Zeman feierte am Sonntag sein 100-tägiges Jubiläum, Premier Petr Nečas musste zurücktreten. Für Radio Prag analysiert der Leiter des Instituts für Internationale Beziehungen, Petr Kratochvíl, die derzeitige Ausrichtung der Außenpolitik.
„Ich glaube, diese Botschafterbesetzung ist nicht ausschlaggebend. Sie deutet aber auf ein größeres Problem hin. Dieses große Problem der tschechischen Außen- wie auch der Innenpolitik liegt darin, Konsens zu finden und zu bilden. Die letzten mehr oder weniger konsensuellen Ziele waren der Nato-Beitritt und die EU-Mitgliedschaft. Seitdem taumelt die tschechische Außenpolitik, und es gibt keinen Konsens. Und der Streit um die Botschafterbesetzung ist ein gutes Beispiel für dieses Problem.“
Wie werden diese taumelnde Außenpolitik und der fehlende innenpolitische Konsens im Ausland aufgenommen?„Was die Kredibilität der tschechischen Außenpolitik betrifft, halte ich das für höchst gefährlich. Diese zwiespältige Natur der tschechischen Außenpolitik bereitet dann weitere Probleme: Zum Beispiel wissen unsere Partner in der EU oft nicht, was sie erwarten sollen. Wer spricht für das Land? Ist das der Staatspräsident oder ist es die Regierung? Kritisieren wir Russland wegen dem Georgienkrieg oder nicht? Ist die tschechische Außenpolitik euroskeptisch oder nicht? Für all diese Fragen bekommt man mehrere Antworten und weiß daher nicht, was man erwarten soll.“
Ein weiteres Problem tauchte in den Medien eher am Rande auf. Der Industrie- und Handelsminister will die Kontrolle des Waffenexports aus der Kompetenz des Außenministeriums nehmen und an eine unabhängige Kommission übergeben. Ein richtiger Schritt?
„Ja, das ist ein weiteres, großes Problem. Es besteht im Kampf zwischen der Tradition der Dissidenten, die ja sehr stark in den 1990er Jahren die ganze tschechische Außenpolitik geprägt hat, und einer viel jüngeren, pragmatischeren und ambitiöseren Generation. Für diese Leute spielen die Fragen der Menschenrechte keine solch große Rolle mehr, sie interessieren sich sehr pragmatisch für Investitionen und Geschäfte.“
Vielleicht zum Schluss noch ein Blick auf Deutschland: Was erwarten Sie von der geplanten Grundsatzrede von Staatspräsident Zeman in Berlin Ende Juni?„Also die Beziehungen zu Deutschland und auch Österreich gehören für Zeman zu den schwierigsten Bereichen. Dafür gibt es viele Gründe, der wichtigste ist wohl mit seiner Wahlkampagne verbunden. Viele Politologen behaupten, dass Zeman seinen Gegenkandidaten geschlagen habe, weil er die sudetendeutsche Karte geschickt gespielt habe. Deswegen hoffe ich, dass er während des Besuchs ganz deutlich zeigt, dass er nicht fremdenfeindlich ist und das er gute Beziehungen zu Deutschland pflegen will. Andererseits ist es ja bekannt, dass Zemans Bemerkungen oftmals undiplomatisch, manchmal sogar ungehobelt sind. Deswegen glaube ich, dass wir uns überraschen lassen müssen.“