Filmfabrik „Studio Barrandov“ macht weltweit Konkurrenz

Filmstudios Barrandov (Foto: www.barrandov.cz)

Die tschechische Hautstadt ist bekanntlich reich an Denkmälern, die verschiedene Zeitperioden der Kunst- und Kulturgeschichte repräsentieren. Im heutigen Kultursalon können Sie eine Einrichtung besuchen, die zwar nicht auf eine allzu lange Vergangenheit zurückblicken kann, die aber von der modernen tschechischen Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht wegzudenken ist. Gemeint sind die Filmateliers Barrandov. Am 25. Januar 1933, nur zwei Jahre nach der Grundsteinlegung für eines der größten Filmstudios in Europa, war dort die erste Filmklappe gefallen.

Es soll der Genius loci gewesen sein, der auf dem Barrandov-Plateau oberhalb der Moldau eine architektonisch moderne Gartenstadt und ein hoch modernes Filmstudio in Prag entstehen ließ. Das Projekt stammte aus der Werkstatt des bekannten Architekten Václav Havel, dem Vater des späteren tschechischen Staatspräsidenten. Inspirationen holte er sich von seinem Studienaufenthalt in Kalifornien. Zu Ehren des französischen Wissenschaftlers Joachim Barrande, der durch seine Trilobitenfunde im Felsen unterhalb dieses Prager Plateaus berühmt wurde, taufte Václav Havel sen. das neue Villenviertel auf den Namen Barrandov. Viele Filmstars und Unternehmer fanden dort ihr Domizil. Havels Bruder Milos wurde der erste Direktor der in einer Rekordzeit gebauten Filmateliers für die Tonfilmproduktion. Für den Bau wurden die neuesten Erfahrungen ausländischer Filmstudios verwertet, so dass europaweit eines der modernsten Filmateliers entstehen konnte. Im Laufe der 1930er Jahre wurde dort eine ganze Reihe von Streifen produziert, die heutzutage zum Goldenen Fonds der tschechischen Kinematografie gehören.

Fast gleich von Anfang an wurden in Prag auch Filme in Koproduktion gedreht. Einige Beispiele von Filmhistoriker Karel Čáslavský:

„1936 drehte auf Barrandov Julien Duvivier seinen französisch-tschechoslowakischen Film ‚Golem’. Die Deutschen haben die Ateliers weiter ausgebaut und während der Zeit des Zweiten Weltkriegs ihre gesamte Filmproduktion auf Barrandov verlegt. Nach dem Krieg kamen auch Russen, weil ihre Filmstudios in Moskau und dem damaligen Leningrad ausbombardiert waren. Bei uns sind zum Beispiel Trickszenen für den Film ‚Der Fall von Berlin’ entstanden.“

In den 50er und 60er Jahren und auch noch später arbeiteten auf Barrandov französische, britische und andere ausländische Filmteams. Man hat darüber nur nicht oft gesprochen.

Filmstudios Barrandov  (Foto: www.barrandov.cz)
Bereits 1944 unterschrieb Präsident Edvard Beneš in seinem Londoner Exil ein Dekret über die Verstaatlichung der Barrandov-Filmateliers und gab damit dem Druck von links orientierten tschechischen Filmemachern nach. 1948 wurde seine Entscheidung durch die in einer Regierungsanordnung verankerte Gründung der staatlichen Gesellschaft „Československý státní film“ besiegelt.

Unter den unzähligen Filmen, die während des kommunistischen Regimes im „Filmstudio Barrandov“ produziert wurden, findet man viele propagandistische Streifen, aber auch international anerkannte Kunstwerke.

Nach dem Wendejahr 1989 wurden die Filmateliers in einem langwierigen Prozess schrittweise wieder privatisiert. So viele Filme tschechischer Herkunft wie früher werden aber heutzutage in den Filmateliers Barrandov nicht mehr gedreht, trotzdem stehen sie dank ausländischer „Klientel“ hoch im Kurs. Doch nicht nur sie allein. Seit einigen Jahren sind vor allem die historischen Stadtteile Prags der Grund, warum die tschechische Hauptstadt als Drehort für international bekannte Filme ausgewählt wird. Unter ihnen zum Beispiel auch „Casino Royale“ mit dem damals neuen James Bond-Darsteller Daniel Craig. Prag sei noch schöner als er erwartet habe, sagte er während seines Aufenthaltes vor Journalisten. Daniel Craigs Wertschätzung Prags teilte auch der Regisseur Martin Camble während der Dreharbeiten:

„Prag ist eine ideale Stadt für einen neuen Bond-Film. Es gibt hier viele Orte, wo man mit der Kamera drehen kann. Der Film entsteht auch in Karlsbad, in Planá bei Marienbad, aber auch in Großbritannien und auf den Bahamas. Im Unterschied zu den anderen Orten allerdings bleibt Prag im Film Prag.“

US-amerikanische Filmemacher drehen sowohl in den älteren Studio-Hallen, als auch im neuesten Studio mit dem Namen Max, das am 11.Dezember 2007 feierlich eröffnet wurde. Gegenwärtig gilt es als das größte Filmatelier in Europa. Marketingdirektor Petr Poledňák vom Barrandov Studio:

„Max hat ein Flächenausmaß von 4000 Quadratmetern und besteht aus insgesamt drei Atelierräumen, von denen der größte, der Raum 8, insgesamt 2000 Quadratmeter groß ist. Ihm schließen sich die Ateliers 9 und 10 an und alle drei sind durch eine schalldichte Wand voneinander getrennt.“

Mag sein, dass die Barrandov-Atelliers selbst trotz der zahlreichen und auch bekannten Filme, die dort produziert wurden, noch nicht so bekannt sind wie andere in Europa. Mit einer Besonderheit kann sich der neue Max-Komplex doch rühmen. Außer dass er der größte ist, ist er auch als einziger schalldicht. Aufzüge, Laufbrücken und vieles mehr – alles, was zu einer modernen Ateliereinrichtung gehört, ist auf den ersten Blick nicht zu sehen. Gut versteckt tauchen diese Hilfsmittel erst dann auf, wenn sie gebraucht werden. Der Fußboden ist aus Holz, damit die Fixierung der Kulissen sicher und einfach ist.

„Im ursprünglichen Projekt war eine Höhe von 12 Metern für die drei neuen Ateliers vorgesehen. Als mit dem Bau begonnen wurde, weilten wir zu verschiedenen Verhandlungen in Hollywood in Los Angeles. Der Direktor der ´physischen Produktion´ von Sony Picture, Garry Marten, hat uns persönlich ersucht, eine Aufstockung der geplanten Höhe der Ateliers um ein paar Meter zu erwägen, falls dies irgendwie möglich wäre. Es war auf den letzten Drücker, aber wir konnten wenigstens die Höhe des Ateliers Nummer 8 noch von 12 auf 13,75 Meter ändern. Nicht nur die Größe, sondern auch die Höhe der Filmhallen gilt heutzutage allgemein als einer der bedeutendsten Parameter für Filmarchitekten und ihre Filmbauten.“

Von außen gesehen sieht der Max-Komplex wie ein großer Karton ohne Fenster aus. Die Fassade bilden orangefarbene Dachziegel aus Keramik, die zum ersten Mal für einen solchen Zweck verwendet wurden – nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern auch zur Verbesserung der Innenakustik.

Wenn man vom Barrandov Studio spricht, kann man nicht seinen Fundus unerwähnt lassen, zu dem zum Beispiel über 260 000 Kostüme und Perücken gehören. Die Möbelsammlung umfasst den Zeitraum von Mittelalter bis Gegenwart. Aus diesem Fundus wird vieles nach ganz Europa verliehen. Jiří Matějka, Dierktor der Sektion „Fundus“ beim Barrandov Studio weiß mehr:

“Eine große Klientel haben wir in den baltischen Staaten, in Skandinavien, aber auch in Deutschland, Österreich oder Frankreich. An unseren Kostümen ist man auch in Italien interessiert, das weltweit als Bollwerk des Kostümdesign gilt. Sich dort durchzusetzen war wirklich sehr schwer.“

Zum Film gehört natürlich auch Musik. Als keine Seltenheit gelten Aufträge für die Einspielungen der jeweiligen Filmmusik in Prag. Hier ein Beispiel: Im Prager Rudolfinum hat das tschechische „Film Harmonic Orchestra“ die Filmmusik des berühmten Komponisten Alexandre Desplat zum romantischen Drama „The Painted Veil“ eingespielt. Dafür erhielt er 2006 den „Golden Globe“ der amerikanischen Filmakademie.