Im Kleiderschrank von Maria Theresia oder Bert Brecht: der Fundus derBarrandov-Filmstudios

Foto: Ondřej Tomšů

Möbel, Töpfe, Bücher und vor allem Kostüme – der Fundus ist eines der Herzstücke der Prager Barrandov-Filmstudios. Doch über die Jahre hinweg hat er sich sehr verändert. Wie und warum, erfahren Sie in einem weiteren Teil unserer kleinen Serie zur Filmbranche in Tschechien.

Věra Krátká  (Foto: Ondřej Tomšů)
Es ist fast so, als ob man die Tür zu Großmutters Dachboden aufmacht. Nur, dass alles etwas größer ist. Alte Möbel stehen hier rum, Requisiten stapeln sich in allen Ecken, und vor allem sind hier unendlich viele Kleiderständer mit Kostümen. Věra Krátka leitet den Fundus der Prager Barrandov-Filmstudios, der mittlerweile schon seit 85 Jahren besteht:

„Wir versorgen ja nicht nur Filme, die hier in den Barrandov-Studios gedreht werden. Wir unterstützen auch viele ausländische Produktionen. Eigentlich haben wir nie mitgezählt, wie viele Aufnahmen wir unterstützt haben, es waren aber mehrere Tausend. Im Jahr sind es um die 300 Projekte, die Material aus unseren Beständen beziehen. Dabei handelt es sich nicht immer nur um Spielfilme, sondern auch um private Veranstaltungen oder Werbungen.“

Foto: Ondřej Tomšů
Im Zentrallager und drei weiteren Zweigstellen findet man fast alles: vom Empire-Nachttischchen bis zum Beichtstuhl, von der Zeitung aus dem Jahr 1876 über Stalin-Gemälde bis hin zum Kronleuchter. Besonders stolz kann der Fundus aber auf seine Kostüm-Sammlung sein. Wie viele Roben man hier finden könne, sei schwer zu sagen, meint Věra Krátka. Dennoch wagt sie eine Schätzung:

„In etwa eine halbe Million Posten finden sich hier im Fundus. Damit meine ich Kostüme, Perücken, Requisiten und Möbel insgesamt. Allein an Kostümen haben wir hier zwischen 250.000 und 300.000. Vorsicht, wir sprechen aber hier nicht von Kostümen allein, sondern von ganzen Kostüm-Sets. Es gibt Kostüme, die aus vier bis fünf Teilen bestehen. Die wirkliche Zahl der Stücke hier ist also noch größer.“

Kostüm von Amadeus  (Foto: Ondřej Tomšů)
Amadeus von Miloš Forman war ohne Frage eine der größten Produktionen, die aus dem Fundus der Barrandov-Studios ausgestattet wurden. Daneben waren es unzählige weitere Streifen, von der Komödie bis zum Horror. Derzeit sind zwei Märchenfilme von Regisseur Zdeněk Troška die größten Projekte. Aber auch Kundschaft aus Deutschland und Österreich arbeitet zurzeit mit Kostümen und Requisiten aus Prag:

„Was unsere deutschen Kunden angeht, laufen in Tschechien gerade die Aufnahmen zu einem Film über den Dramatiker Bertolt Brecht. Wir arbeiten dabei mit der Kostümbildnerin Ute Pattendorf zusammen. Außerdem hat ihre Kollegin Sandra Jones Kostüme von uns, die kommen in Ungarn bei der deutschen Geschichts-Serie ‚Sketch History‘ zum Einsatz. Außerdem beteiligen wir uns an der tschechisch-slowakisch-deutsch-österreichisch-ungarischen Koproduktion zum Leben von Maria Theresia, die zum 300. Geburtstag der Herrscherin entsteht.“

Foto: Ondřej Tomšů
Dass gerade der Fundus der Barrandov-Filmstudios für dieses Projekt engagiert wurde, ist kein Zufall. Die Prager Requisiten-Sammlung hat nämlich einen besonderen Schwerpunkt:

„Ich muss klar sagen, dass wir keine Requisiten und Kleider aus der ‚Gegenwart‘ haben und auch nichts für Science-Fiction-Produktionen. Das hat einen ganz einfachen Grund: Wenn man einen Film dreht, der in der Gegenwart spielt, kann man einfach in den Laden um die Ecke gehen und da seine Requisiten kaufen. Für Science Fiction wiederum müssen Kostüme und Bühnenbilder speziell hergestellt werden. Deshalb sind wir mit unseren Stücken spezialisiert auf die Zeit von der Antike bis ungefähr ins Jahr 2000.“

Foto: Ondřej Tomšů
Der Fundus der Filmstudios ist aber nicht nur ein Lager für gebrauchte Kostüme, sondern auch Werkstatt für neue. Doch gerade da hat sich laut Věra Krátka viel verändert in den vergangenen 85 Jahren:

„Der Fundus hat sich auf zwei Arten entwickelt. Zum einen kam bis zum Jahr 1989 alles, was für die Filme hergestellt wurde, anschließend zu uns. Zum anderen wurden Kostüme vor allem auch hier in eigenen Werkstätten gefertigt, die damals noch viel größer waren. Heutzutage stellt man die Kostüme nicht mehr selbst her, die Teams leihen sich die Dinge nur noch aus. Das liegt in erster Linie daran, dass man früher mehr Zeit für die Vorbereitungen zu einem Dreh hatte. Als 1984 Amadeus gedreht wurde, hatte man einen Vorlauf von gut einem Jahr. Nun muss alles innerhalb eines Monats oder nur drei Wochen fertig sein, bevor es vor die Kamera geht. Alles ist ganz einfach viel schneller.“


Der Fundus der Barrandov-Filmstudios bietet einen Verleih der Filmkostüme und Requisiten an. Mehr Informationen dazu und auch Termine für Führungen durch die Requisitenkammern finden Sie auf der Webseite des Fundus: www.barrandov-fundus.cz