Finanzskandal um das Stahlwerk Vitkovice?

Das nordmährische Stahlwerk Vitkovice, das in der letzten Zeit zwei Mal nur mit Mühe einen Konkurs hat vermeiden können, ist im Zusammenhang mit einem vermuteten Finanzskandal in die Schlagzeilen geraten. Für fiktive Beratungsdienste einer ausländischen Firma soll Vitkovice hohe Summen bezahlt haben. Mehr dazu von Rudi Hermann im folgenden Beitrag.

Die im Grossraum Ostrava beheimateten Stahlwerke Vitkovice, eines der Problemkinder der tschechischen Schwerindustrie, sind bei ihren Finanzproblemen offenbar nicht nur Opfer schlechten Managements, sondern wahrscheinlich auch von Machenschaften am Rand oder gar jenseits der Legalität geworden. Wie die Tageszeitung Mlada Fronta dnes diese Woche berichtete, wird nämlich vermutet, dass das frühere Management bedeutende Finanzmittel für angebliche Beratungsdienste ins Ausland leitete. Dass es sich bei der Firma, die die Beratungsdienste geleistet haben soll, um eine Briefkastenfirma im Fürstentum Liechtenstein handelt, lässt nämlich die Angelegenheit nicht im besten Licht erscheinen. Wie die Zeitung Mlada Fronta dnes schreibt, soll es sich bei den abgeflossenen Mitteln um eine Volumen von rund 250 Millionen Kronen, umgerechnet etwa 15 Millionen D-Mark, handeln. Das scheint zwar nicht allzu dramatisch im Lichte dessen, dass die Stahlwerke Vitkovice den Bankrott nur durch eine staatliche Injektion von mehreren Milliarden Kronen vermeiden konnten.

Dennoch konkretisiert sich der Verdacht, dass es nicht nur ungenügendes Management war, das die Firma an den Rand des Ruins brachte. Die jetztige Unternehmensleitung vermutet, dass die zwischen 1993 und 1997 geleisteten Zahlungen an die liechtensteinische Firme Nalko dazu dienten, Finanzmittel aus dem Unternehmen abzusaugen. Ausser einem Vorvertrag gebe es zu den Verbindungen mit Nalko keine Dokumente, beispielsweise eine Aufstellung der geleisteten Beratungsdienste, zitierte die Zeitung Mlada Fronta dnes eine ungenannt bleiben wollende Informationsquelle aus dem Unternehmen Vitkovice. Die Quelle meinte auch, die internationale Auditorenfirma Deloitte and Touche sei bei einer eingehenden Buchprüfung zum Schluss gekommen, dass die Besitzer der Firma Nalko nicht bekannt seien. Roman Hradil, früher Mitglied des Vitkovice-Spitzenmanagements und laut der Zeitung verantwortlich für die Verbindung zu Nalko, behauptete gegenüber der Mlada Fronta dnes allerdings, die Beziehungen zu Nalko seien klar dokumentiert. Dank der Beratungstätigkeit habe Vitkovice seine Exporte nach Westeuropa steigern können.

Laut einem weiteren früheren Führungsmitglied der Stahlwerke habe die Verbindung zu der liechtensteinischen Firma, die über gute Kontakte in Brüssel verfügt habe, auch bewirkt, dass die EU keine Antidumpingverfahren gegen Vitkovice angestrengt habe. Das aktuelle Spitzenmanagement von Vitkovice ist über den Wert der Beratungstätigkeit von Nalko aber anderer Meinung. Gute Dienste könnten nur Firmen leisten, die im Stahlbusiness bekannt seien und sich nicht hinter einer Briefkastenadresse versteckten. Wer in dieser Kontroverse recht hat, dürfte sich nach dem zuständigen tschechischen Staatsanwalt bald zeigen. Wenn das in Liechtenstein hängige Rechtshilfegesuch positiv beantwortet werde, könnten Einvernahmen der zuständigen Vertreter der Firma Nalko aufgenommen werden.

Autor: Rudi Hermann
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