Folgen der Corona-Pandemie: Häufigere Depressionen bei Senioren
Die Sorgentelefone für Senioren in Tschechien haben 2021 dreimal mehr Anrufe verzeichnet, bei denen es um Depressionen ging, als noch im Jahr zuvor. Zugleich verdoppelten sich die Hinweise auf Selbstmordgedanken.
Der häufigste Grund, warum ältere Menschen hierzulande Hilfe im Gespräch suchen, war auch im vergangenen Jahr die Einsamkeit. Kateřina Bohatá leitet das Sorgentelefon für Senioren beim Verein Elpida. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks berichtete sie von ihren Erfahrungen:
„Das Gefühl von Einsamkeit ist sehr belastend. Es geht nicht nur darum, dass ein Mensch allein ist. Er hat außerdem niemanden, an den er sich bei Problemen wenden kann. Dies war auch schon vor der Pandemie der häufigste Grund, warum Menschen bei uns angerufen haben. Aber die Corona-Maßnahmen haben den Senioren das Leben noch zusätzlich erschwert. In vielen Fällen verhinderten sie den weiteren Kontakt zu anderen Menschen.“
Noch deutlicher werden die Auswirkungen der Pandemie beim Thema Depressionen. Die Zahl der Telefonate mit diesem Betreff hat sich 2021 bei Elpida verdreifacht. Dies sei nur zum Teil auf die ärztlich belegten Folgen von überstandenen Covid-Erkrankungen zurückzuführen, so die Koordinatorin:
„Gleichzeitig wirken sich die Corona-Maßnahmen, die zunehmende Einsamkeit, die große Angst vor einer Erkrankung und die Sorgen um die Gesundheit der Familienangehörigen negativ aus. Bei einem sowieso schon kranken oder gebrechlichen Menschen können sich dann also Anzeichen von Depressionen entwickeln.“
Der zweithäufigste Grund, warum Senioren die kostenlose Nummer bei Elpida wählen, sind Konflikte in der Familie. Obwohl dazu auch Fälle häuslicher Gewalt gehörten, handle es sich zumeist aber um Kommunikationsschwierigkeiten. Laut Bohatá fühlen sich Senioren oft bevormundet oder eingesperrt, wenn die Familie für sie den Einkauf erledigt und ihnen aufträgt, nicht unter Menschen zu gehen.
„Weil die Pandemie die Senioren ermüdet hat, sind sie in der Kommunikation manchmal nur kurz angebunden. Da wird dann etwas einfach nur abgelehnt. Innerlich mögen sie für die Hilfe dankbar sein, aber das kommt in dem einen Satz womöglich nicht zum Ausdruck. Daran stören sich die jüngeren Angehörigen aber sehr oft, und dann wird die Kommunikation immer schlechter“, erläuterte die Leiterin des Sorgentelefons.
Viele solcher Anrufe können mit praktischen Kommunikationsübungen erledigt werden. Liegt das Problem tiefer, informiert Elpida die Senioren darüber, wo professionelle Hilfe zu finden ist:
„Das Versorgungsnetz in Tschechien ist ausreichend. Man kann sich an den Hausarzt wenden oder in die psychiatrische Ambulanz gehen. Im Rahmen einer aktuellen Reform entstehen jetzt zudem überall im Land sogenannte Zentren der psychischen Gesundheit. Diese bieten eine Kombination aller Hilfsdienste an.“
Depressionen werden von den Betroffenen und ihrem familiären Umfeld oft nicht sofort als solche erkannt. Darum würden die Mitarbeiter des Sorgentelefons die Anrufer ermutigen, frei über ihre Ängste zu reden, sagt Bohatá:
„Tatsächlich werden psychische Erkrankungen bei Senioren häufig unterschätzt. Auch Familienangehörige halten sie oft fälschlicherweise für ein Zeichen des Alterns. Darum legen wir den Senioren nahe, selbst um Hilfe zu bitten – wenn ihnen etwa morgens schwer ums Herz ist, wenn sie häufig sorgenvolle Gedanken sowie Angst um sich und ihre Angehörigen haben.“
Im Gespräch werde dann herausgefunden, welche Hilfe sich der Betroffene selbst idealerweise wünsche – entweder die der Familie oder die eines Psychologen, erläutert die Expertin.