Kleiner Pieks, große Nachfrage? In Tschechien startet die Kampagne zur vierten Coronaimpfung
In Tschechien hat die Kampagne für die zweite Booster-Impfung gegen Covid-19 begonnen. Aber wie groß ist das Interesse an der Auffrischungsdosis in der Bevölkerung?
Seit dem 18. Juli können die Menschen in Tschechien die zweite Auffrischungsimpfung gegen die Lungenkrankheit Covid-19 bekommen. Insgesamt handelt es sich dabei um die vierte Impfung. Hierfür ist keine Registrierung von Nöten. Die Bedingung ist lediglich, dass die Impflinge ab 18 Jahre alt sind und die dritte Dosis vor mindestens vier Monaten verabreicht wurde. Laut dem Gesundheitsministerium wurde dieses Angebot in Tschechien bisher von 90.000 Menschen genutzt, die sich mit der vierten Dosis schützen haben lassen. Erst am Montag begann nun aber die offizielle Impfkampagne der Regierung.
Es sei Zeit, einen Schlusspunkt hinter dem Coronavirus zu setzen – so klang der Slogan der ersten Impfkampagne, die im April vergangenen Jahres in Tschechien begann. Nun will das Gesundheitsministerium jedoch einen anderen Weg gehen. Was geplant ist, erklärte der Sprecher des Ressorts, Ondřej Jakob, in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wir wollen den Menschen sagen, dass das Coronavirus noch immer unter uns ist und dass es gefährlich werden kann. Es soll deutlich werden, dass die Impfung vor allem vor einem schweren Krankheitsverlauf schützt. Ein Ende der Pandemie oder einen ‚Schlusspunkt‘ wollen wir nicht versprechen. Stattdessen sollen die Menschen aufgefordert werden, sich impfen zu lassen, um so überfüllte Krankenhäuser, gesundheitliche Risiken durch Covid-19 und weitere Lockdowns zu verhindern.“
Aber wie groß ist das Interesse in der tschechischen Bevölkerung, sich die vierte Dosis verabreichen zu lassen? Mit dieser Frage hat sich eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts PAQ Research im Auftrag des Tschechischen Rundfunks auseinandergesetzt. Befragt wurden 1600 Teilnehmer der Studie „Česko 2022: Život k nezaplacení“ (Tschechien 2022: Unbezahlbares Leben). Gezeigt hat sich dabei, dass das Interesse an einer Auffrischungsimpfung in den letzten Monaten stetig abgenommen hat: Ende Mai wollten noch 60 Prozent der Erwachsenen die vierte Dosis, im Juli waren es nur noch 38 Prozent der befragten Personen.
Während Menschen bis 34 Jahre einer vierten Impfung nur wenig aufgeschlossen gegenüberstehen, möchte sich von den Personen im Alter ab 55 Jahren jeder Zweite impfen lassen. Doch besonders bei der älteren Generation ist die Impfbereitschaft scheinbar auch vom Bildungsstand abhängig. So zeigt die Umfrage, dass drei Viertel der Senioren mit einem Hochschulabschluss die vierte Dosis wollen. Bei ihren Altersgenossen ohne Abitur liegt der Anteil aber nur bei 40 Prozent. Daniel Prokop hat die Studie mitverfasst und erklärt die Gründe dafür:
„Das liegt zum einen am geringen Vertrauen in die Institutionen und in die Impfstoffe. Die Menschen haben Zweifel, ob die Injektion auch wirklich hilft und die Impfung Sinn hat. Das hängt damit zusammen, dass ältere Menschen und Leute mit einem niedrigeren Bildungsabschluss weniger gut informiert sind. Sie sind nicht im Bilde darüber, dass die Wirkung der Impfung nachlässt.“
Laut der Vorsitzenden des Seniorenrates, Lenka Desatová, spielen auch persönliche Erfahrungen eine Rolle:
„Als sich viele ältere Leute trotz der Impfung mit Corona infiziert haben, kam die große Enttäuschung. Die Menschen waren von da an überzeugt, die Impfung sei überflüssig und die Vakzine funktionierten nicht. Die Vorteile wurden nicht mehr gesehen. Das ist ein Problem der Kampagne, die den definitiven Schlusspunkt hinter der Pandemie versprochen hatte.“
Die Impfbereitschaft hängt laut der Studie von PAQ Research auch von der Region ab, in der die Menschen leben. In Prag sei das Interesse am größten. Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen wollten sich hier erneut impfen lassen, sagen die Soziologen. Auch der Vorsitzende der Vereinigung der Allgemeinärzte in Prag 7, Karel Bláha, bestätigt diesen Eindruck…
„Direkt nachdem die zweite Booster-Impfung angekündigt wurde, haben wir eine große Welle der Nachfrage verzeichnet. Das Interesse war sehr stark. Derzeit impfen wir in unserer Praxis 10 bis 15 Menschen täglich.“
Auch im Kreis Mittelböhmen sei das Interesse an der zweiten Auffrischungsimpfung groß, so die Studie. In den sozial schwächeren Regionen Tschechiens sieht das aber anders aus. Laut PAQ Research liegt das Interesse dort nur noch bei circa 35 Prozent.