Forum 2000 in Prag: Rückblick mit einer Gedankenauslese
Über das traditionelle Treffen „kluger Köpfe“ in Prag, gemeint ist „Forum 2000“, haben wir bereits in der vergangenen Woche berichtet. Immerhin, eine Veranstaltung derartigen Ausmaßes verdient unserer Meinung nach erneute Aufmerksamkeit. Einen Einblick in den Gedankenaustausch auf dieser internationalen Konferenz will noch einmal Jitka Mladkova vermitteln.
„Auf dem diesjährigen 12. Forum 2000 haben über 100 Delegierte aus aller Welt gekommen. Es waren Menschen der verschiedensten Berufe und Glaubensbekenntnisse. Da die Konferenz parallel an acht verschiedenen Orten in Prag stattfand, konnte man sich nicht eine vollkommene Übersicht über die diskutierten Themen verschaffen. Das wird aber nach der Herausgabe des geplanten Sammelbandes mit substantiellen Diskussionsbeiträgen möglich sein.“
So die abschließende Bilanz des Schirmherrn der Konferenz, Václav Havel. Viel mehr als die Zahl der Konferenzteilnehmer und der diskutierten Themen hob er aber etwas anderes hervor:
„Menschen, die unterschiedliche Anschauungen vertreten, waren in der Lage sich friedlich auszutauschen. Wichtig war aber auch das, was sich um die Konferenz herum abspielte. Hier konnten Menschen miteinander reden, die sonst kaum zusammentreffen würden, und Projekte besprechen, die in keinem Zusammenhang mit dem Forum stehen.“Expolitiker, Intellektuelle, politische Aktivisten, Journalisten, Politologen und andere Vertreter unterschiedlicher Berufsgruppen äußerten sich zu den Hauptproblemen der heutigen Welt.
Über die Situation auf Sri Lanka sprach Ashis Nandy aus Indien, Psychologe und Soziologe, den das US-amerikanische Magazin Foreign Policy auf die Liste von hundert einflussreichsten Intellektuellen der Welt für das Jahr 2008 gestellt hat. Er und viele andere konnten sich darauf einigen, dass der Extremismus und Terrorismus in verschiedensten Teilen der Welt Vieles gemeinsam haben:
„In den meisten Fällen wird die Religion für politische Zwecke missbraucht. Wie sie den Islam interpretieren, ist kein Islam. Würden wir an die Lehren unserer Lehrer zurückkehren, sei es Christus, Mohamed oder andere große Denker der verschiedensten Religionen, wären wir heute alle in einer besseren Welt,“sagte Turki Al-Faisal, Vorsitzender des Verwaltungsrates des Zentrums für Forschung und Studien des Islam von König Faisal, ehemaliger Botschafter Saudi Arabiens in Großbritannien und den USA.
Über den Kampf um Freiheit für die einen und den für die Rückkehr alter Verhältnisse für die anderen, die dich der Gewalt bedienen, sprach Ammar Al-Hakim, Vertreter des Obersten Islamrates im Irak (SIIC):
„Wir streben wirklich danach, unsere Rechte im Einklang mit der Verfassung und den Gesetze zu erlangen. Alle Iraker sind gleichberechtigt, unabhängig von ihrer Religion und Nationalität. Wir wünschen uns einen zivilen Staat, in dem sich jeder Bürger als Partner des Staates fühlt.“
Gabriel Nissim, Vorsitzender der Vereinigung der Internationalen Nichtregierungsorganisationen für Menschenrechte, Frankreich:
„Es könnte eine phantastische Gelegenheit seit, uns zu öffnen. Niemals in der Geschichte hatten wir so viele Möglichkeiten auszureisen oder umgekehrt so viele Menschen aus so vielen Ländern und so vielen Kulturen und Religionen im eigenen Land willkommen zu heißen. ABER – man verspürt eine Gefahr und man will sich vor Gefahren schützen. Die Globalisierung ist da und die erste Reaktion darauf ist die Individualisierung, die Tendenz, eigenes Territorium zu verteidigen.“
Mit diesem Gedanken stimmte Doris Donnelly überein, Leiterin des Kardinal-Suenense-Zentrums der John Carroll-Universität in Cleveland, USA:
„Alle religiösen Traditionen sind sich ähnlich in ihrem Potential, nämlich den Menschen dabei zu helfen miteinander im Frieden zu leben. Keine Gewalt ist substantiell für die Lösung unserer Probleme. Die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei und die anderen demokratischen Bewegungen haben bewiesen, dass positive Änderungen ohne Gewalt herbeizuführen sind. Wichtig ist der Wille, Kompromisse zu machen.“
Der Wille ist aber oft nicht vorhanden. Auf dem Prager Forum 2000 war es allerdings das Gegenteil. Begeistert über den Meinungsaustausch als einen Ausdruck von Demut und gegenseitigem Respekt auf dem Forum 2000 zeigte sich der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg:„Das ist, glaube ich, bei den letzten Generationen vor allem in Europa etwas verloren gegangen. Eigentlich haben wir von uns selbst gedacht, dass unsere Denkweise den Gang der Welt bestimme. Wir haben dabei die Demut verloren und sind der eigenen Eitelkeit und dem Egozentrismus verfallen. Vielleicht wird sich auch die gegenwärtige internationale Finanzkrise als eine Art Gesundungsmittel erweisen, das uns erkennen lässt, dass wir nicht die Mitte der Welt sind und dass der Rest der Welt viel wichtiger ist. Von dem reichhaltigen Kulturerbe unserer Zivilisation können wir auch etwas zur Schatzkammer der Welt beisteuern, werden aber zweifelsohne nicht mehr das Sagen haben.“
Nun, Forum 2000 fand zum 12, Mal statt, obwohl es ursprünglich nur bei einem Mal vor zwölf Jahren also bleiben sollte. Václav Havel war sich aber sicher, dass es auch das 13. Mal geben wird:
„Das Leben selbst hat gezeigt, dass es sinnvoll ist, derartige Begegnungen zu veranstalten. Ich glaube, dass es in einem Jahr auch das 13. Forum geben wird.“
Die abschließenden Botschaften einiger Konferenzteilnehmer, an denen sich die heutige Welt orientieren sollte, lassen in ihrem breiten Spektrum noch vieles zu wünschen übrig: Respekt vor dem Anderssein bis hin zum alltäglichen Dialog.