Franz Pany: Es ist wichtig über das Trennende und Verbindende zu reden
Die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Tschechien im kirchlichen und sozialen Bereich hat bereits vor der Wende von 1989 die Wurzel. Damals wurden die Gläubigen sowie die Priester von den bayerischen christlichen Organisationen auf verschiedene Art und Weise unterstützt, ob mit Lieferungen von Literatur, die in der kommunistischen Tschechoslowakei nicht erschien, oder mit Medikamenten, die Mangelware waren. Offizielle Kontakte zwischen kirchlichen Institutionen, wie beispielsweise den Caritasverbänden, konnten erst nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes geknüpft werden.
„Es war im Endeffekt beides: bestehende Kontakte auszubauen, aber auch neue anzuknüpfen – beispielsweise bei der Landkreisregierung in Budweis. In Pilsen haben wir die Kontakte ausgeweitet, wir trafen mit Bischof Radkovský zusammen. Pilsen ist vor allem Ansprechpartner für Regensburg, und jetzt wird die Landescaritas als Kooperations- und Ansprechpartner auch zur Verfügung stehen. Insgesamt war es sehr interessant und aufschlussreich.“
Hatten Sie die Möglichkeit, einige konkrete Einrichtungen zu besuchen, die in Trägerschaft der Caritas sind?„Ja, wir haben in Budweis die Einrichtung ´Domino´ für junge psychisch kranke Menschen besucht. Das war ein sehr tief gehendes Erlebnis. Denn man hat gesehen, mit welchen eigentlich einfachen und doch effektiven Mitteln hier jungen Menschen geholfen wird, die an Ängsten und seelischen Erkrankungen leiden. Wenn man das gesehen hat, mit welcher Aufopferung hier die Caritas-Leute tätig sind, das war sehr beeindruckend.“
Sie haben bei dieser Zusammenarbeit nicht von der Null begonnen, denn sie läuft seit etwa 20 Jahren. Von der bayerischen Seite wurden die kirchlichen Kreise bereits vor der Wende unterstützt.
„Das wichtigste ist es heutzutage, dass man sich austauscht, weil die Probleme gleich sind. Es haben alle das Problem von Armut, Jugendarbeitslosigkeit sowie Probleme mit dem täglichen Leben. Die gemeinsame Suche nach Möglichkeiten und der Austausch sind für mich das Wichtigste. Dazu kommt – und damit bin ich in meinem Gebiet - dass man versucht, jungen Leuten eine Möglichkeit zu bieten, auf bayerischer Seite im Austausch zu studieren, eine Schule zu besuchen, und jeweils den anderen besser kennen zu lernen und die Lösungsansätze mit ins eigene Land zu tragen.“
Denken Sie daran, auch eine bilaterale Konferenz oder ein bilaterales Treffen der Caritas-Leute aus West- und Südböhmen und aus Bayern zu initiieren?„Ja. Es ist überall durchgeklungen, dass so eine Konferenz in absehbarer Zeit – d. h. im Laufe des nächsten Jahres – abgehalten werden soll. Das ist auch der Wunsch aller Beteiligten. Ob das jetzt eine generelle Konferenz oder eine auf Fachgebiete spezialisierte Konferenz sein wird, das wird man sehen, aber es sollte eine gewisse Nachhaltigkeit dieses Besuches erzielt werden und dazu gehören auch Folgekonferenzen.“
Beabsichtigen Sie auch Oberösterreich mit einzubeziehen?„Im Rahmen der entstehenden Euroregion Donau-Moldau ist sicherlich auch an Oberösterreich mitgedacht, dass man auch die österreichische Seite hier mit einbezieht.“
Herr Pany, Ihre Familienwurzel sind in Böhmen. Sie sind Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft. In wie weit gelingt es Ihrer Meinung nach, die Vorurteile, die es leider immer noch auf tschechischer Seite gegenüber den Deutschen gibt, abzubauen?
„Ich glaube, dass jetzt diese konkrete Arbeit auf dem Gebiet der Caritas auch ein Mosaikstein sein kann, um diese Vorurteile abzubauen, wobei ich aber – ehrenamtlich bin ich Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft - persönlich gemerkt habe, dass keiner der Gesprächspartner zusammengezuckt ist oder gesagt hat, er verlasse den Raum nur, weil man im Laufe der Gespräche gemerkt hat, dass hier einer ist, der sich vielleicht etwas mehr und intensiver mit der Landesgeschichte auskennt und damit auseinandersetzt. Ich habe auch keinen Hehl daraus gemacht, woher ich komme. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Arbeit, wie sie hier geleistet ist, ein wichtiger Beitrag dazu ist, um diese Vorurteile abzubauen und zu zeigen, dass man unter den vernünftig Denkenden relativ zu guten Lösungen kommen kann.“Können Sie sich vorstellen, dass Sie sich mehr in den tschechischen Medien präsentieren würden?„Sicherlich kann man sich in den tschechischen Medien mehr auf der einen oder anderen Seite präsentieren. Aber ich glaube, dass wichtiger das Handeln und nicht das Reden über das Handeln ist. In dem Sinn sollten wir auch weiter machen. Es muss nicht auf die große Glocke gehängt werden, wenn man etwas tut. Das, was man tut, kommt von Herzen und man macht es gern. Sie haben die Zeit des Kommunismus angesprochen: Ich habe immer noch eine Erinnerung als Kind 1970 hatten wir einen Pfarrer kennen gelernt. Das war die einzige Fahrt mit meinen Eltern in die Heimat meiner Eltern. Der Pfarrer war ein ganz armer Mann. Wir haben ihn dann privat unterstützt. Das Schöne daran war, dass er kein Deutsch sprach und ich relativ wenig Tschechisch. Wir haben dann über viele Jahre eine Brieffreundschaft in lateinischer Sprache gepflegt. Denn das war die einzige Sprache, die keiner hier übersetzen konnte. Mir tat es gut für die Schule, und er konnte das übersetzen. Wir hatten immer Kontakt und wussten, was los war. Man konnte in den Brief immer wieder etwas hinzufügen – außer Papier. Das waren beeindruckende Dinge, aber darüber hat man damals nicht geredet und man redet darüber heute auch nicht.“
Das war Ihre erste Reise nach Böhmen überhaupt?„Das war meine erste Fahrt und die einzige vor der Wende, weil wir als Familie nicht fahren durften, da mein Vater im Rahmen der Bundeswehrverwaltung angestellt war und da war es nicht gern gesehen. Ich war dann persönlich (mein Vater ist 1991 gestorben) zum ersten Mal in Marienbad, und habe mich dort zurechtgefunden nur aufgrund der Erzählungen von zu Hause. Das war schon tief beeindruckend. Ich habe dann 1993 mit wahrer Begeisterung in Stift Tepl geheiratet. Das war die erste Hochzeit nach der Niederschlagung des Kommunismus und nach 1945 in Stift Tepl. Getraut wurde ich dort von zwei Priestern - Pater Hugo Pitel und dem unvergessenen Norbert Schlegel, dem Vorsitzenden des Sudetendeutschen Priesterwerkes. Es war eine traumhafte Hochzeit. Die Stadt Marienbad hat uns auch unterstützt. Es war also ein gemeinsames Werk, und dies bereits 1993.“
Aber das Kloster war damals noch nicht renoviert worden oder?„Das Kloster war in einem desolaten Zustand, aber das hat uns gar nicht gestört. In der Kirche war es kalt, das Baugerüst hing dort herum, aber das war egal. Uns ging es darum, ein Zeichen zu setzen. Wir wollten nach Stift Tepl und wir wollten auch zeigen, dass wir dort zu Hause fühlen – nicht Besitz ergreifend, aber einfach von der Seele her. Wir fühlen uns da zu Hause.“
Kommen Sie ab und zu noch nach Tepl? Es hat sich inzwischen ein bisschen doch geändert.
„Ich komme nach wie vor mehrmals im Jahr nach Marienbad, nach Stift Tepl oder in die Kirche meiner Familie – das ist in Pistau / Pístov, wo man sich beim Pfarrfest trifft. Es vergeht kein Jahr, wo man nicht mehrmals da war. Denn das gehört dazu. Ich habe vor zwei Jahren eine Ehrung von der Stadt Marienbad bekommen, wo man gemerkt hat, dass die Stadt es schätzt, dass man da ist und vorurteilsfrei versucht, aneinander zuzugehen und miteinander das eine oder das andere zu gestalten.“
Was würden Sie sich für Ihre Arbeit im Ehrenamt bei den Sudetendeutschen sowie in Ihrer Stiftung wünschen?„In meinem Ehrenamt würde ich mir wünschen, dass man unvoreingenommen aufeinander zugeht und miteinander redet über das Trennende und über das Verbindende. Denn ich halte Folgendes für wichtig – wie es mal Peter Glotz formuliert hat: ´Nur wenn jede Seite über ihr Leid spricht, kann echte Verständigung und Versöhnung wachsen´. Dazu müssten wir kommen. Man sollte mal anerkennen, dass man miteinander reden muss. Was die Stiftung betrifft, die ich vertrete, da wünsche ich mir ein Interesse von jungen Menschen auf beiden Seiten, den Nachbarn, der so nahe ist, besser kennen zu lernen - gerade in den Sozialberufen, denn da liegen die Brennpunkte der Zukunft. Sicherlich ist es interessant, auch im Rahmen des Bologna-Prozesses möglichst international und europäisch aufgestellt zu sein, aber nah an Bayern ist nun mal die Tschechische Republik und hier sollte man kooperativ tätig sein.“