Fußball: Ausländische Spieler bereichern tschechische Liga immer mehr

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Seit gut einer Woche rollt auch in Tschechien wieder der Ball auf dem grünen Rasen. In der Rückrunde der ersten Fußball-Liga wurde am Wochenende der zweite Spieltag ausgetragen. Dabei wurde deutlich: Der Einfluss anderer Länder auf den tschechischen Vereinsfußball wird immer größer.

Michael Ngadeu-Ngadjui  (Foto: ČTK)
Wenn im tschechischen Mannschaftssport ein erfolgreicher Torschütze bejubelt wird, dann waren bisher beispielsweise Novák, Procházka oder Růžička sehr gängige Namen dafür. Beim Punktspiel der ersten Fußball-Liga am Samstag zwischen Gastgeber Příbram und Slavia Prag aber hörte sich dies ganz anders an:

„Michael Ngadeu, Michael Ngadeu, …“, riefen die Gästefans.

Michael Ngadeu-Ngadjui ist der Name eines jungen Kameruners, der seit dieser Saison für die Prager spielt. Als 20-Jähriger verlässt er seine afrikanische Heimat, um in Deutschland Bauingenieurwesen zu studieren. Sein Bruder, der in Dortmund lebt, hilft ihm bei der Eingewöhnung. Und neben dem Studium erfüllt sich Ngadeu-Ngadjui in Deutschland auch einen Kindheitstraum: Er wird Fußballspieler, wenn auch vorerst nur in den zweiten Mannschaften des SV Sandhausen und des 1. FC Nürnberg. Sein Talent aber bleibt nicht verborgen. Im vergangenen Sommer unterschreibt er einen Drei-Jahres-Vertrag bei Slavia Prag und gehört fortan zu den auffälligsten Akteuren der Moldaustädter.

Jaroslav Šilhavý  (Mitte). Foto: ČTk
Mittlerweile hat der 26-Jährige seinen Wert enorm gesteigert. Mit der Nationalmannschaft seines Heimatlandes gewann er Anfang Februar den Afrika-Cup. Zum Rückrundenstart in der tschechischen Liga traf Slavia zu Hause auf die in den Abstiegskampf verwickelte Mannschaft aus Jihlava. Die Partie gewann Slavia mit 2:0, und das ohne Ngadeu-Ngadjui, der wegen seiner vierten Gelben Karte gesperrt war. Die afrikanischen Titelkämpfe in Gabun waren zudem ziemlich strapaziös, deshalb ließ Slavia-Trainer Jaroslav Šilhavý den 1,90 Meter großen Abwehrhünen auch im Spiel gegen den Tabellenletzten aus Příbram zunächst pausieren. Erst kurz nach dem Seitenwechsel schickte er ihn aufs Feld, und der Kameruner dankte es ihm mit dem ersten Hattrick seiner Karriere. Die Prager siegten souverän und deutlich mit 8:1. Doch nicht nur das erfreute den Schwarzafrikaner, sondern auch die Sprechchöre der Slavia-Fans mit seinem Namen:

Příbram - Slavia  (Foto: ČTK)
„Sie haben mir gezeigt, dass sie mich als Spieler mögen. Ich möchte allen Leuten von Slavia und den Fans für alles danken, was sie für mich tun. Es ist das erste Mal, dass ich solch eine Anfeuerung höre, und das macht mich wirklich froh.“

Froh ist auch sein Trainer, mit Michael Ngadeu-Ngadjui einen echten Stabilisator für die Abwehr von Slavia gefunden zu haben. In Příbram aber war Šilhavý ebenso angetan von den offensiven Qualitäten seines Schützlings:

„Michael hat mich und das gesamte Team angenehm überrascht, wie produktiv er ist.“

Durch den klaren Auswärtssieg und den gleichzeitigen Punktverlust von Titelverteidiger Viktoria Pilsen beim 0:0 in Zlín hat Slavia Prag nun die Tabellenführung übernommen. Mit 40 Toren sind die Hauptstädter zudem das offensivstärkste Team der Liga. Slavia ist die einzige Mannschaft, die im Schnitt mehr als zwei Treffer pro Spiel erzielt hat. Einen gewissen Anteil daran hat auch Mittelfeldspieler Jan Sýkora, der erst in der Winterpause von Liberec nach Prag an die Moldau kam. In der Begegnung mit Příbram war er mit einem Treffer und drei Torvorlagen der überragende Mann auf dem Platz. Doch der 23-Jährige bleibt bescheiden:

Michael Ngadeu-Ngadjui: „Die Slavia-Fans haben mir gezeigt, dass sie mich als Spieler mögen. Es ist das erste Mal, dass ich solch eine Anfeuerung höre, und das macht mich wirklich froh.“

„Ich fühle mich wohl in der Mannschaft – und das nicht zuletzt, weil ich sehr gute Mitspieler habe. Dass ich dem Team heute mit dem Tor und den Vorlagen helfen konnte, freut mich sehr. Ich hoffe nun, dass ich auf diesem Weg fortfahren werde.“

Sýkora würde am liebsten gleich am kommenden Sontag die nächste Glanzleistung bieten, wenn das absolute Top-Spiel der Liga auf dem Programm steht: Spitzenreiter Slavia Prag empfängt den Meister aus Plzeň / Pilsen. Das Match ist mit rund 20.000 Zuschauern ausverkauft, und auch Sýkora richtete kurz nach dem Abpfiff in Příbram seinen Blick gleich nach vorn:

Jan Sýkora  (Foto: ČTK)
„Heute werden wir den Sieg ein wenig genießen, doch ab morgen werden wir uns schon auf das sehr wichtige Spiel am kommenden Sonntag vorbereiten. Ich hoffe, dass wir dann wieder eine solch starke Leistung abliefern wie heute.“

Die Verstärkungen im Team von Slavia Prag sind letztlich vor allem das Werk der chinesischen Energiefirma CEFC. Im September 2015 kauften die Asiaten die Aktienmehrheit am tschechischen Traditionsverein. Und seitdem lassen sie keinen Zweifel daran, dass sie die Rot-Weißen wieder ganz nach oben führen wollen. Wie stark das chinesische Kapital inzwischen auch den tschechischen Fußball beeinflusst, wird aber noch an einem weiteren Fall deutlich. Für die Ablösesumme von 8,5 Millionen Euro wechselt Fußballnationalspieler Bořek Dočkal vom Lokalrivalen Sparta Prag zum chinesischen Erstligisten Henan Jianye. Der 28-jährige Mittelfeldspieler unterschrieb einen Dreijahresvertrag bei dem Verein aus Zhenzhou und wird sich ihm schon in den nächsten Tagen anschließen.

Sparta Prag - FK Rostow  (Foto: ČTK)
Noch vor zehn Tagen sah alles anders aus. Für Sparta Prag war Mittelfeldregisseur Dočkal nicht aus dem Kader wegzudenken. Mit ihm an der Spitze wollten die Hauptstädter ebenfalls die Meisterschaft anvisieren und zudem in der Europa League weiter für Furore sorgen. Das zweite Vorhaben ging jedoch schnell schief. Gegen den russischen Club FK Rostow hatte Sparta im Sechszehntelfinale der Europa League keine Chance: Nach einer desolaten Vorstellung beim 0:4 im Hinspiel in Rostow erzwangen die Prager im Rückspiel nur ein 1:1. Dass sie so sang- und klanglos ausgeschieden sind, lag auch daran, dass sie beide Vergleiche mit jeweils neun Feldspielern beenden mussten. In Rostow war Tiémoko Konaté nach einer halben Stunde vom Platz geflogen, im Rückspiel bekam Verteidiger Costa ebenso die Gelb-Rote Karte. Diese beiden Spieler hatten ihr Temperament offenbar nicht im Griff. Das wurde dann auch von Sparta-Trainer Tomáš Požár kritisiert:

Mario Holek: „Ohne Bořek Dočkal wird es komplizierter, doch wir dürfen uns davon nicht beirren lassen. Wir werden möglicherweise unsere Spielweise etwas ändern, und wir werden kämpfen.“

„Wir haben uns relativ lange Zeit gezielt auf diese beiden schweren und wichtigen Begegnungen vorbereitet. Und dann spielen wir die Hälfte der Zeit nur zu Zehnt. Das ist sicher nicht in Ordnung. Spieler, die verwarnt werden, müssen sich der Gefahr einer gelb-roten Karte danach bewusst sein und ihre Spielweise entsprechend umstellen. Diese Platzverweise hätten nicht passieren dürfen.“

Weil die Prager aber nun frühzeitig ausgeschieden ist, haben sie dem Werben der Chinesen nachgegeben und ihren besten Akteur ziehen lassen. Kann man ohne Dočkal aber nun das zweite Ziel, die Meisterschaft, erreichen? Unter den Sparta-Spielern herrscht vorsichtiger Optimismus. Mario Holek:

Mirzad Mehanović  (rechts). Foto: ČTK
„Das wird schwer, vor allem für unseren Verein. Denn Sparta wollen alle Gegner in der Liga besiegen. Ohne Bořek wird es komplizierter, doch wir dürfen uns davon nicht beirren lassen. Wir werden möglicherweise unsere Spielweise etwas ändern, und wir werden kämpfen.“

Im ersten Punktspiel ohne Dočkal aber war davon nicht viel zu sehen. Sparta verlor das Auswärtsspiel in Jablonec nad Nisou / Gablonz nach schwacher Vorstellung mit 1:3. Doppeltorschütze für die Gastgeber war dabei ein Ausländer, den ein hartes Schicksal nach Tschechien geführt hat: der Bosnier Mirzad Mehanović. Er stammt aus dem Ort Srebrenica, der 1995 weltweit bekannt wurde durch den Massenmord, der dort im jugoslawischen Bürgerkrieg verübt wurde. Zwei Jahre vorher wurde Mirzad geboren, ein Teil seiner Familie verließ mit ihm die umkämpfte Heimat. Seinen Vater aber lernte er nie kennen, denn er starb im Krieg. Mirzad ging im mittelböhmischen Mladá Boleslav / Jungbunzlau zur Schule und erkannte schnell, dass er es im Fußball durchaus zu etwas bringen könnte. Dabei hatten er und weitere seiner bosnischen Mitbürger auch stets ein Vorbild vor Augen: Nationalspieler Edin Džeko, der einst für Teplice spielte. Über die Stationen Wolfsburg und Manchester City ist Džeko nun für den AS Rom aktiv. Mirzad Mehanović:

Mirzad Mehanović: „Uns Bosniern hat Edin Džeko die Tür nach Tschechien geöffnet. Für uns war es also schon einfacher, hier in der Liga anzuheuern.“

„Uns Bosniern hat Edin Džeko die Tür nach Tschechien geöffnet. Für uns war es also schon einfacher, hier in der Liga anzuheuern. Ich bin allerdings schon ziemlich lange in Tschechien und habe dafür noch nicht besonders viele Spiele bestritten. Ich hoffe aber, dass sich dies in Zukunft ändern wird.“

Michael Ngadeu-Ngadjui und Mirzad Mehanović auf der einen, Bořek Dočkal auf der anderen Seite – es sind nur drei Beispiele von vielen, die zeigen: Auch die tschechische Fußball-Liga ist heutzutage deutlich internationaler als es noch vor 10 oder 20 Jahren der Fall war.

Autor: Lothar Martin
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