Titel-Favoriten, ein neues Stadion und ein 40-jähriger Dauerbrenner: Tschechiens Fußballliga startet
Die sogenannte Fortuna Liga in Tschechien startet schon diesen Samstag. Das heißt, der Ball rollt wieder in der höchsten Spielklasse des tschechischen Fußballs. Im Folgenden ein Bericht über die Favoriten der anstehenden Saison, die Eröffnung eines lange ersehnten Stadions und einen 40-jährigen ehemaligen Bundesliga-Spieler.
Im Frühjahr feierte Sparta Prag den Titel. Am Samstag aber beginnt die neue Saison, und der tschechische Rekordmeister wird der Gejagte sein. Größter Konkurrent: Erzrivale Slavia Prag. Sportredakteur Mikuláš Jáša vom Tschechischen Rundfunk sieht jedoch den Titelverteidiger etwas besser aufgestellt:
„Ich halte Sparta für den größeren Favoriten, wenn man den Kader und die Verstärkungen betrachtet sowie die Offensivkraft. Vor allem konnten fast alle Spieler gehalten werden, und das Team wurde um schnellfüßige Neuzugänge ergänzt. Auf der anderen Seite wird Slavia enorm motiviert sein, den Titel zu holen, der ihnen in den vergangenen zwei Jahren jeweils praktisch aus den Händen gerissen wurde.“
Zu den schnellen Neuzugängen bei Sparta gehören vor allem der junge nigerianische Stürmer Victor Olatunji, der von Slovan Liberec kommt, und der serbische Nationalspieler Veljko Birmančević. Er wurde vom FC Toulouse für ein Jahr geliehen. Gefühlt neu ist zudem Mittelfeldspieler Jakub Pešek, der nach einem Kreuzbandriss zurückkehrt. Der mittlerweile 30-Jährige wurde mehrfach als schnellster Akteur der tschechischen Liga gestoppt mit einem Topwert von 36 Stundenkilometern. Abgegeben haben die Titelverteidiger allerdings Stürmer Tomáš Čvančara, der zu Borussia Mönchengladbach gegangen ist.
Dass Rivale Slavia zuletzt zweimal den Titel noch am Ende der Saison verspielt hat, ist erstaunlich – vor allem wenn man sich die Dominanz in den Jahren zuvor klar macht. Da gewannen die Rot-Weißen vier Meisterschaften in fünf Jahren. Hat Slavia mittlerweile ein strukturelles Problem? Sportredakteur Jáša wiegelt ab…
„Hierzulande heißt es von einigen Seiten, dass sich Trainer Jindřich Trpišovský schon etwas überlebt habe. Meiner Meinung nach könnte es aber auch in Richtung eines englischen Modells gehen. Trpišovský würde dann ein zweiter Sir Alex Ferguson werden, der über 20 Jahre lang Manchester United geführt hat. Meiner Meinung nach liegt der Fehler nicht beim Trainer“, so der Fußballexperte.
Zudem habe sich Slavias Vereinsleitung bemüht, den Kader zu ergänzen. Mikuláš nennt vor allem Stürmer Mojmír Chytil, der von Sigma Olmütz kam, und den gambischen Verteidiger Sheriff Sinyan, der vom norwegischen Spitzenklub Molde verpflichtet wurde. Letzterer ist aber erst einmal verletzt und wird wohl frühestens in drei Monaten zum Einsatz kommen.
Auf der anderen Seite sagt der Sportjournalist, dass ihm bei Slavia ein erfahrener Akteur fehle, der das Team auf dem Platz führen könne. Deswegen glaubt Mikuláš Jáša:
„Slavia wird zwar in dieser Saison etwas stärker sein. Doch Sparta hat meiner Meinung nach die größeren Chancen auf den Titel.“
Viktoria Pilsen schaut nicht nach dem Titel
Als dritter Meisterschafts-Kandidat wird Viktoria Pilsen gehandelt. Allerdings ist das die Sicht Außenstehender…
„Interessant ist, dass der Pilsener Chefcoach Miroslav Koubek auf der Pressekonferenz vor dem Saisonstart gesagt hat, dass man nicht den Titel im Blick habe, sondern für ihn auch etwa der dritte Platz ein Erfolg sei“, schildert der Sportredakteur.
Ob dies Understatement ist oder nicht: In jedem Fall geht der Verein aus Westböhmen mit neuen Eigentümern in die anstehende Saison. Wäre Viktoria nicht im vergangenen Jahr Meister geworden und danach in die Champions League eingezogen, wer weiß, ob es den Verein so noch gäbe. Im Juni aber hat Adolf Šádek den Klub mehrheitlich an die in Österreich angesiedelte FCVP GmbH verkauft. Hinter der Firma stehen der schweizerische Unternehmer Martin Dellenbach und der ehemalige Finanzchef von Rapid Wien und Ex-Vorstand der österreichischen Bundesliga, Raphael Landthaler. Nun ist ein Modell entstanden, das interessant ist. Denn zur FCVP GmbH gehört auch je ein Verein in der ersten und in der zweiten österreichischen Liga.
Bei der Pressekonferenz zum Ligastart sprachen die neuen Eigner erstmals öffentlich über ihre Ziele mit der Akquise aus Tschechien. So soll Viktoria Pilsen mit dem Zweitligisten SV Lafnitz und dem Erstligisten TSV Hartberg gut vernetzt werden. Im Vereinsfernsehen sagte Martin Dellenbach, dass sich junge Spieler aus der Pilsner Fußball-Akademie bis zur internationalen Klasse weiterentwickeln sollen. Und weiter:
„Dafür haben wir Pilsen als Höchstes, aber dazwischen auch die anderen Klubs. Und in diesen Vereinen können die Spieler, immer nach ihrem aktuellen Stand, fußballerisch den nächsten Schritt machen, um dann hoffentlich am Schluss im Stadion in Pilsen an internationalen Spielen teilzunehmen.“
Das heißt aber auch nichts anderes, als dass Viktoria Pilsen die Plätze im Blick hat, die zum Start in den europäischen Pokalwettbewerben berechtigen.
Langes Warten aufs neue Stadion
Und was geschieht hinter der vermeintlichen Ligaspitze? Mikuláš Jáša richtet die Augen auf weitere Vereine:
„Interessant wird zu beobachten, wie es dem FK Pardubice ergehen wird. Denn das Team gilt in Anführungszeichen als perspektivlos. Die Mannschaft wurde nicht verstärkt. Die Namen der Spieler bei dem Verein aus Ostböhmen klingen nicht sonderlich interessant. Vielleicht lohnt es sich zudem, einen Blick auf die Tabellenmitte zu werfen. Dazu gehört der FK Mladá Boleslav sowie der FK Jablonec aus Nordböhmen, der sich ziemlich verstärkt hat.“
Gerüchte, dass der FK Jablonec pleite sein könnte, hält Jáša hingegen für Spekulationen. Zumindest weise die Verlegung eines neuen Rasens im dortigen Stadion eher auf das Gegenteil hin, so der Redakteur des Tschechischen Rundfunks. Und weiter sagt er:
„Ähnlich interessant ist Slovan Liberec, also der Nachbarverein von Jablonec. Bei Liberec bestehen große Ambitionen, man würde gerne in die Top sechs der Liga vorstoßen. Oder auch Hradec Králové. Dieser Klub hat es als Aufsteiger schon einmal in diese Höhen geschafft. Mal sehen, wie all diese Vereine zurechtkommen.“
Für den FC Hradec Králové hält die anstehende Spielzeit in einer Hinsicht schon jetzt ein Highlight bereit. Denn nach 30 langen Jahren des Wünschens, Überlegens und Planens soll noch im Sommer das neue Fußballstadion eröffnet werden. Eine Multifunktionsarena mit 9300 Plätzen ersetzt das weite Rund der alten Spielstätte, das immer baufälliger wurde. Geblieben sind nur die sogenannten Lutscher – das sind vier kultige Flutlichtmasten von 1975.
Doch es wird immer enger mit der Inbetriebnahme des Stadions. Schon vor einem Monat hätte eigentlich die sogenannte Kollaudierung stattfinden sollen – also die endgültige baurechtliche Abnahme des Stadions. Und jetzt ist auch noch die Feuerwehr auf den Plan getreten, wie der stellvertretende Oberbürgermeister von Hradec Králové / Königgrätz, Lukáš Řádek (Top 09), am Donnerstag eingestehen musste…
„Es fand der Kontrollgang der Feuerwehr statt. Das Ergebnis wäre im Idealfall ein zustimmender bindender Bericht gewesen. Den haben wir aber nicht, weil die Feuerwehr bekannt gab, dass der Kontrollgang erfolglos gewesen sei. Deswegen ist unserer Ansicht nach der Termin der großen Kollaudierung durch das Bauamt gefährdet“, so der Politiker.
Geplant war die Kollaudierung für den 31. Juli. Nun steht auch der erste Anstoß im neuen Stadion in Frage – konkret das Heimspiel des FC Hradec Králové am 5. August.
Petržela peilt die 500 an
Im Übrigen lassen sich in den tschechischen Stadien auch einige ehemalige Spieler aus der deutschen Bundesliga beobachten. Allen voran Michal Kadlec, der in der Pfalz aufwuchs und dann viele Jahre bei Bayer Leverkusen kickte. Er hält heute beim 1. FC Slovácko die Abwehrreihen zusammen.
Zur Kategorie der ehemaligen Bundesligaprofis, wenn auch nicht annähernd so erfolgreich wie Kadlec, gehört zudem Jan Kliment von Viktoria Pilsen. Der Stürmer stand einst im Kader des VfB Stuttgart. Ein weiterer ist Václav Pilař vom FK Hradec Králové. Er wurde 2012 vom VfL Wolfsburg verpflichtet, absolvierte seine einzigen Bundesligaspiele aber später für den SC Freiburg, an den er verliehen wurde.
Ein besonderer Fall ist Milan Petržela, der eine Spielzeit lang beim FC Augsburg unter Vertrag stand. Denn mit 40 Jahren ist er mittlerweile Rekordspieler der tschechischen Liga. In der anstehenden Saison könnte er die Marke von 500 Starts hierzulande knacken. Auch Mikuláš Jáša zollt ihm große Anerkennung:
„Milan Petržela ist eine Ikone des tschechischen Liga-Fußballs. Wir bei Český rozhlas Sport, dem digitalen Sportsender des Tschechischen Rundfunks, haben ihn zu einem der herausragenden Mittelfeldspieler in den 30 Jahren der eigenständigen tschechischen Liga gewählt. Auch für uns gilt er als Legende. Und ich bin fest überzeugt, dass er die 500 schafft.“
Wenn alles gut geht, kommt es dazu im Frühling nächsten Jahres. Jetzt steht aber erst einmal die erste Runde der neuen Saison an – mit je vier Spielen am Samstag und am Sonntag.