Gastromapa Tschechien: Restaurantkritik mal anders
Der Schauspieler Lukáš Hejlík weiß, wo man in Tschechien gut essen kann. Seit einigen Jahren steht er hinter dem Projekt „Gastromapa“ – also einer gastronomischen Karte Tschechiens. In einem Internet-Blog dazu gibt er in kurzen Zusammenfassungen Restaurant-Tipps. Er sieht sich jedoch selbst nicht als Kritiker, sondern eher als Gast mit offenen Augen.
Lukáš Hejlík ist eigentlich kein Gastronom oder Koch, sondern Schauspieler. Dennoch interessiert er sich für gutes Essen, und vor allem für gute Restaurants. Denn als Schauspieler kommt man viel rum, und mit der Zeit hat Hejlík eine private Karte für sich selbst angelegt:
„Immer nach einem Auftritt im Theater, vor allem wenn es eine Nachmittags-Vorstellung ist, schaue ich in die Karte und gehe dann zum Essen. Dabei bemühe ich mich, nicht schlecht zu essen, sondern vielfältig, schön und an einem Ort, der mir Freude bereitet. Dabei geht es nicht nur ums Essen an sich, sondern auch um das Ambiente, den Service, aber natürlich genauso darum, wie die Gerichte aussehen und schmecken.“Doch aus den privaten Eintragungen im Smartphone ist später mehr geworden:
„Vor sechs Jahren habe ich dann gemerkt: Eigentlich wäre es schade, nichts darüber zu erzählen. Damals kannte ich schon einige Food-Blogger, doch Kochen ist nicht unbedingt meine Stärke. Gleichzeitig wollte ich einfach etwas in die Richtung machen, denn ich bin von Natur aus sehr ehrgeizig. Mit viel Fleiß, Ausdauer und Mühe schaffe ich es nun, jeden Tag einen Restaurant-Tipp von mir zu geben.“
Mittlerweile ist eine digitale Karte Tschechiens entstanden. Dort kann man die Restaurants und Cafés anklicken, die Lukáš Hejlík mit der Zeit besucht hat. Zu jedem findet sich dann ein kurzer Kommentar auf Facebook, beziehungsweise eine kurze Empfehlung. Wie geht der Schauspieler aber bei seiner Arbeit vor?
„Ich setze mich irgendwo rein, bestelle mir was, esse es – und vielleicht einen Monat später entsteht daraus ein Text. Das Schreiben dauert in der Regel so eine halbe Stunde lang. Eigentlich sollte ich ein bisschen mehr Zeit investieren, dann wären die Texte auch etwas ausgefeilter.“In erster Linie geht es aber um den subjektiven Eindruck. Der Hobby-Gourmet ist jedoch nicht nur im digitalen Raum unterwegs. Ein Teil seiner Gastromapa ist vor kurzem auch zum Buch geworden mit dem Titel „365“. Dort stellt er 365 ausgewählte Restaurants vor, wobei für jedes nur eine Seite reserviert ist. Er plane zwar in absehbarer Zeit keinen zweiten Teil, meint Hejlík. Doch die Gastro-Landschaft verändere sich schnell, und vielleicht müsse er doch bald einen schreiben.
Subjektiver Eindruck statt Statistik
Lukáš Hejlík will kein Restaurant-Kritiker oder -Rezensent sein. Ihm macht es einfach Spaß, Essen zu gehen und darüber zu berichten:
„Ich mache das Ganze alleine und bewerte meine konkreten Besuche in den Restaurants. Ich bin ja kein Fachmann, sondern eher ein Quereinsteiger. In meiner ganzen Subjektivität versuche ich doch irgendwie objektiv zu sein, obwohl mir schon wichtig ist, was mir gefällt und was nicht. Mein Projekt kann aber auf jeden Fall für all diejenigen ganz nützlich sein, die einen ähnlichen Geschmack haben wie ich.“
Welche Kriterien wendet er aber an, nach denen er ein Restaurant letztlich bewertet? Vor allem will sich Lukáš Hejlík beim Restaurantbesuch ein bisschen überraschen lassen:„Mittlerweile ist das schon ein bisschen komplexer. Am Anfang habe ich wirklich immer nur so sechs Zeilen geschrieben, und es waren sehr emotionale Eindrücke. Heute versuche ich schon eher, den ersten Eindruck eines Gastes beim Besuch eines neuen Restaurants zu simulieren. Ich schaue mir also an, wie es mit seiner Atmosphäre, seinem Konzept und dem Service auf mich wirkt, aber natürlich auch wie das Essen schmeckt. Das sind so die grundsätzlichen Eckpunkte, die ja auch eine richtige Rezension beinhalten sollte.“
Doch steht Lukáš Hejlík mit seiner Gastromapa nicht nur im Gegensatz zu den renommierten Kritikern und Gastrobloggern. Einen weiteren Gegenpol zu seinen subjektiven Bewertungen sieht der Film- und Theatermensch auch in Online-Bewertungsplattformen wie TripAdvisor. Der Unterschied liegt dabei in der Qualität seiner Kritik:
„Hier in Tschechien bewertet man nach folgenden Punkten: Größe der Portion, Geschwindigkeit des Personals – was oft ganz absurd ist –, Preis und schließlich Service. Mir geht es hingegen um das Konzept des Betriebs, die Qualität des Essens, die Atmosphäre und den Service sowie nicht zuletzt das Preis-Leistungs-Verhältnis.“Dabei ist der letzte Punkt besonders wichtig für Lukáš Hejlík. In seinen Augen darf nicht entscheiden, dass das Essen möglichst preiswert ist. Für ihn ist nämlich viel wichtiger, was sich hinter der Kostenkalkulation verbirgt:
„Das Gleichgewicht muss stimmen zwischen der Mühe hinter dem Angebot einerseits und dem Verständnis des Gastes andererseits. Denn am Ende sollten beide Seiten ihre Freude haben an dem Besuch. Der Gast sollte beispielsweise sagen: ‚Die brauen hier ihr eigenes Bier und bieten gute tschechische Küche – dafür lasse ich dort gern mein Geld.‘ Es geht darum, dass der Gastwirt einen adäquaten Preis verlangt, die Leute diesen bereitwillig zahlen und das Gefühl haben, in eine gute Sache investiert zu haben.“
Doch insgesamt gilt:
„Wenn jemand beispielsweise nach Prerov fährt und dort das beste Restaurant finden will, dann bekommt er bei Bewertungsportalen Folgendes: einen generierten Durchschnitt der besten Bewertungen. Das mag oft recht gut sein. Für den konkreten Gast bleibt es aber vielleicht nur Durchschnitt, da das Restaurant nicht seinen individuellen Geschmack trifft.“
Aus Kritik das Beste machen
Auf der Gastromapa findet man nur wenige bissige Bewertungen. Das liegt einerseits daran, dass Lukáš Hejlík die meisten Restaurants nach seinem eigenen Geschmack aussucht. Andererseits will er Kritik konstruktiv verpacken, wenn er sie schon einmal übt. Der Schauspieler setzt auf einen Dialog mit den Wirten und Köchen. Diesen will er vor allem vor Ort führen:„In einem Restaurant in Tábor hat mich mal eine Bedienung gefragt: ‚Na, wie hat Ihnen das geschmeckt?‘ Da kann man dann nicht einfach sagen, dass das Essen gut, so lala oder eben schlecht war. Ich habe gesagt, dass es toll war. Dazu habe ich aber noch Tipps gegeben, dass man das Blumenkohl-Püree mit Trüffel-Öl verfeinern oder geröstetem Sesam bestreuen könnte. Die Kellnerin war begeistert davon und wollte das gleich in der Küche ausrichten. Daraus hat sich letztlich ein nettes Gespräch entwickelt. Ich erwarte nicht, dass es dann beim nächsten Mal besser wird. Aber so eine grundlegende Interaktion war da.“
Gleichzeitig verlangt er aber auch von den Gästen, mit den Restaurantbetreibern zu reden und sie konstruktiv zu kritisieren. Genau dafür soll nämlich die Gastromapa eine Plattform sein:
„Ich antworte in der Regel den Leuten, die meine Beiträge auf Facebook kommentieren. Das nimmt sogar mehr Zeit in Anspruch als das Schreiben meiner Texte selbst. Wenn dann aber jemand zu einem Restaurant kommentiert: ‚Bäh, das war furchtbar, da gehe ich nie wieder hin‘, dann antworte ich meist: ‚Vielen Dank für den Kommentar, aber warum ist denn das Restaurant für Sie bäh, und warum wollen Sie da nicht mehr hingehen? Die Wirte lesen Ihre Kritik ja auch.‘ Damit bin ich in gewisser Weise nützlich für die Restaurants. Das ist nicht so wie bei den harten Rezensionen oder Ranglisten. Auf Facebook sieht man dann klare Meinungen.“