Geheimnisse aus dem Hintergrund - Ungarische Historikerin spricht in Prag über die kommunistische Vergangenheit

Maria Schmidt (Foto: Autorin)
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Die kommunistische Ideologie hat zwar an Anziehungskraft verloren, aber der Kommunismus hat trotzdem immer noch viele Anhänger. Wie ist dies zu erklären? Diese sowie andere Fragen wurden während einer Diskussion mit der ungarischen Historikerin Maria Schmidt gestellt, die vor kurzem im Oberhaus des tschechischen Parlaments unter der Teilnahme des Vizevorsitzenden des Senats Jiri Liska stattfand.

Maria Schmidt  (Foto: Autorin)
Maria Schmidt ist Leiterin des "Hauses des Terrors" in Budapest, eines Museums des nationalsozialistischen und des kommunistischen Geheimdienstes, in dem an die Opfer der Diktaturen des 20. Jahrhunderts erinnert wird. Im Prager Senat nahm sie an der Präsentation des Buches "Zeuge" von Whittaker Chambers teil, weil sie ein Vorwort zur tschechischen Ausgabe des Buches verfasst hat. Das autobiografische Buch, das der ehemalige Kommunist Chambers 1952 schrieb, befasst sich unter anderem mit den Beweggründen, die junge idealistische Intellektuelle in den zwanziger Jahren in die Reihen einer totalitären Partei brachten. Maria Schmidts Vorwort zu Chambers erschien als eigenständiges Buch unter dem Titel "Geheimnisse aus dem Hintergrund" und enthält ihre neuesten Forschungsergebnisse über die von den Kommunisten in den fünfziger Jahren in der Tschechoslowakei sowie in Ungarn inszenierten Schauprozesse. Wie erklärt sie sich als Historikerin die Tatsache, dass die Kommunisten von einem Teil der Gesellschaft für mehr oder weniger akzeptabel gehalten werden? Maria Schmidt sagte gegenüber Radio Prag:

"Der Kommunismus wurde besiegt, aber danach folgte keine moralische Verurteilung des Kommunismus. Keiner der kommunistischen Führer musste sich vor Gericht verantworten. Die Massenmedien wollen von der Brutalität und Kriminalität der kommunistischen Regime nichts hören. In Ungarn sind wir so weit, dass sich diejenigen, die Antikommunisten sind, nach Meinung der Medien schämen sollen. Denn die Medien, unterstützt von westlichen Intellektuellen, die rot beziehungsweise rosarot sind, versuchen Leute, die die Kommunisten nicht dulden wollen, zu diskreditieren. Dies finde ich unmöglich. Daraus resultiert, dass die extrem Linken und Kommunisten nun bei den Bundestagswahlen in Deutschland fast 10 Prozent der Stimmen bekamen, und in Tschechien würden die Kommunisten jetzt 18 Prozent der Stimmen erhalten. Diese Tatsache halte ich für sehr gefährlich. Dies ist auch auf den Punkt zurückzuführen, dass wir unsere Aufgabe nicht erfüllt haben. Wir haben unseren Kindern und Mitbürgern nicht offen gesagt, was für eine Brutalität die kommunistische Herrschaft für die Völker Osteuropas bedeutete. Ich glaube, wir haben auch als Historiker in dieser Hinsicht noch sehr viel zu tun."

Der Kommunismus und seine so genannten "Errungenschaften" werden in Westeuropa meistens eher für lächerlich als gefährlich gehalten. Wie kommt es, dass dieser Totalitarismus im Unterschied zum Nationalsozialismus nicht so stark belastet ist und oft wohlwollend geduldet wird? Die Historikerin meint:

"Ich glaube, dass es zweierlei Ursachen hat. Erstens, dass die westlichen Intellektuellen wissen, dass sie geschwiegen haben, als sie zu sprechen hätten müssen und dass sie ihre Stimme nicht erhoben haben, als Menschen gequält und denunziert wurden. Da sie eine Art Wohlwollen gefühlt haben. Es war doch so interessant, in einem Cafe in Paris zu sitzen und darüber zu diskutieren, was für ein schönes Experiment die Leute in der Sowjetunion oder in Ungarn durchführen! Die kämpfen da für die Zukunft, und wenn es gelingt, dann werden wir es übernehmen, und wenn nicht, dann werden wir weiter in den Cafes in Paris sitzen. Diese Haltung war so typisch."