Gemälde der Barockwelt: Kunst aus Augsburger Sammlungen in Liberec
In der Regionalgalerie in Liberec sind derzeit Gemälde und Grafiken aus dem 17. und 18. Jahrhundert zu sehen. Die Werke sind eine Leihgabe der Kunstsammlungen und Museen Augsburg.
Das nordböhmische Liberec und das 400 Kilometer Luftlinie entfernte Augsburg sind seit 2001 Partnerstädte. Gelebt wird diese Partnerschaft unter anderem im Bereich der Kunst. So sind in der Regionalgalerie in Liberec derzeit die Werke barocker Meister aus den Kunstsammlungen und Museen Augsburg und deren Deutscher Barockgalerie zu sehen.
Filip Suchomel ist der Direktor der Regionalgalerie Liberec und sagte vergangene Woche bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Programms:
„Wir arbeiten schon sehr lange mit den Kunstsammlungen und Museen Augsburg zusammen. Nun wollten wir daran anknüpfen und haben uns deshalb an die Kollegen mit der Bitte um eine Kooperation gewandt.“
Dass Barockkunst aus Süddeutschland in Nordböhmen gezeigt werde, sei nicht sehr häufig, so Suchomel. Der Museumsdirektor betont jedoch:
„Augsburg war ein früher wichtiges Zentrum der Druckkunst und bot auch böhmischen Künstlern Inspiration.“
Barockgemälde und Rettungsdecke
Julia Quandt arbeitet für die Kunstsammlungen Augsburg und ist die Kuratorin der Ausstellung. Im Gespräch für Radio Prag International sagt sie, dass man sich im Sommer 2024 auf das Konzept geeinigt habe. Die Kollegen aus Liberec seien für einen Besuch nach Bayern gekommen, so Quandt:
„Es sollte wieder eine Kooperation geben, und man wollte sich einmal anschauen, was wir hier zu bieten haben. Die Auswahl ist dann relativ schnell auf das gefallen, was ganz typisch für Augsburg ist: die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts. Denn Augsburg war eines der Zentren der Barockkunst in Süddeutschland.“
Wenn man den Ausstellungsraum in Liberec betritt, fällt der Blick aber zunächst nicht auf barocke Malereien, sondern auf eine goldene Rettungsdecke, die schräg von oben über ein Fenster herunterhängt. Jana Farská Hájková hat die Ausstellung von tschechischer Seite her betreut und erläutert, was es damit auf sich hat:
„Wir haben mit einem jungen Ausstellungsarchitekten zusammengearbeitet, Václav Podestát. Er hat ein minimalistisches Konzept entwickelt, bei dem es nur einige wenige architektonische Interventionen gibt, die auf den Barock verweisen. Zum einen verwenden wir das Motiv des vierblättrigen Kleeblatts. Es gibt etwa eine Sitzbank in der Form. Und dann ist da noch diese goldene Draperie, die aber ironischen Charakter hat. Denn sie besteht aus einer Plastikfolie, die man etwa in der Apotheke kaufen kann, um einen verletzten Skifahrer einzuwickeln. Als wir diesen Vorhang hier angebracht haben, haben wir uns sofort in ihn verliebt. Er ist ein Hingucker, der sehr gut zu den Barockgemälden passt.“
Großformatige Bilder und kleine Ölskizzen
Julia Quandt hat für Liberec 15 Gemälde ausgewählt. Es handelt sich dabei um Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die von süddeutschen Künstlern wie Johann Heinrich Schönfeld und dem Rembrandt-Schüler Johann Ulrich Mayr stammen. Die Bilder kommen teils aus der Dauerausstellung der Deutschen Barockgalerie, die im Augsburger Schaezlerpalais angesiedelt ist. In Liberec hängen aber auch Gemälde aus dem Depot, die bisher nur sehr selten ausgestellt wurden. Denn in dem prächtigen Augsburger Rokokopalais fehle dafür schlichtweg der Platz, sagt Quandt:
„Das Schaezlerpalais ist zwar ein sehr großes Gebäude. Es handelt sich aber um ein ehemaliges bürgerliches Wohnhaus. Ich sage immer zum Spaß, dass es zur Hälfte aus Türen und Fenstern besteht. Es gibt also nicht viel Hängefläche, und deswegen haben wir wenig Gelegenheit, großformatige Gemälde zu zeigen.“
Die Galerie in Liberec hingegen sitzt im ehemaligen Kaiser-Franz-Joseph-Bad. Die Schwimmanstalt wurde vor gut zehn Jahren umfassend restauriert und in einen zeitgemäßen Kunsttempel umgewandelt. Ganz andere Bedingungen also für Julia Quandt:
„Es war so toll, diese riesige Wandfläche zu haben, auf der man einfach machen kann, was man will. Eine 13 Meter lange, weiße Wand! Das gibt es bei uns im Schaezlerpalais nicht.“
So sei dann auch Platz gewesen für eines ihrer Lieblingsobjekte aus den Kunstsammlungen, wie Quandt sagt. Es handelt sich um ein großformatiges Leinwandgemälde von Johann Georg Bergmüller. Er war Direktor der Kunstakadamie und laut Quandt ein sehr einflussreicher Künstler in der Region. Sein Werk, das nun in Liberec hängt, zählt – obwohl es sonst nicht ausgestellt werden kann – laut der Kuratorin zu den wichtigsten der Augsburger Kunstgeschichte. Aber was macht es so besonders?
„Bergmüller hat vor allen Dingen für Kirchen gearbeitet. Das heißt, er hat meist Altargemälde gemalt, die relativ selten in Museen hängen, sondern eben vor allem an Ort und Stelle verblieben sind. Hierbei handelt es sich aber tatsächlich um ein richtiges Gemälde. Es hat zwar auch eine religiöse Thematik – es zeigt eine badende Batseba aus dem Alten Testament. Aber wir sind uns sicher, dass es für einen privaten Auftraggeber entstanden ist. Denn man sieht eine sinnliche Aktszene. Zudem ist das Gemälde an den Rändern beschnitten worden. Vielleicht war es früher Teil einer Wanddekoration.“
Zu den Exponaten zählen auch kleinere Ölskizzen – sogenannte „Bozzetti“.
„Es ist ganz charakteristisch für unsere Sammlungen, dass wir viele solcher kleinformatigen Skizzen haben. Sie stammen vor allem aus dem 18. Jahrhundert und wurden genutzt, um Deckenfresken zu entwerfen. Es handelt sich um Kontraktentwürfe, die die Künstler den Auftraggebern zeigen konnten, um diesen einen ersten Eindruck ihres geplanten Projekts zu verschaffen.“
Druckgrafik: Stadtpläne und barocker Zeitvertreib
Neben den Gemälden und Skizzen wurden auch noch 30 druckgraphische Blätter nach Liberec gebracht, die Quandts Kollege Christoph Nicht ausgewählt hat. Die Kupferstiche zeigen etwa einen historischen Stadtplan. Quandt verweist aber ebenso darauf, dass man die Blätter teils unter dem Wort „Gebrauchsgrafik“ zusammenfassen könnte. So handelt es sich etwa um Entwürfe für Möbelstücke oder Bilderrahmen. Und Quandt macht noch auf weitere Exponate aufmerksam: Blätter, auf denen in Farbe etwa Möbel, Türen, eine Treppe oder Kunstwerke abgebildet sind.
„Das sind Ausschneidebögen, die von Kindern aber teilweise auch von Erwachsenen genutzt wurden, um sich die Zeit zu vertreiben. Die Figuren und Gegenstände konnte man ausschneiden und damit Innenräume oder andere Szenarien gestalten.“
Weitere Ausstellungen mit tschechisch-deutscher Thematik
Viel zu sehen also in Liberec. Die Schau zur barocken Kunst aus Augsburg ist jedoch bei weitem nicht das einzige Projekt mit einem Bezug zum Nachbarland. So gab es in der Regionalgalerie zuletzt eine Ausstellung der sächsischen Künstler Neo Rauch und Rosa Loy. Zeitgleich mit dem Barockschwerpunkt wurde nun auch eine Werkschau zu Milan Kunc eröffnet. Der 1944 in Prag geborene Künstler verbrachte einen Großteil seines Lebens in Deutschland und studierte dort bei Joseph Beuys und Gerhard Richter. Und für den Herbst hat man in Liberec eine weitere Ausstellung geplant, die auf einen tschechisch-deutschen Aspekt verweist. Jana Farská Hájková:
„Wir zeigen Kunst der Oktobergruppe. Das waren deutsche Künstler, die hier in Liberec in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tätig waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie jedoch vertrieben, und ihre Kunst ist heute überall in Europa verstreut. Die Kuratorin Anna Habánová hat mehrere Jahre lang zu dem Thema geforscht und eine beeindruckende Sammlung an Werken gewinnen können, weshalb wir uns bereits jetzt sehr auf die Ausstellung freuen.“
Die Ausstellung „Gemälde der Barockwelt“ ist noch bis 1. Juni in der Regionalgalerie Liberec zu sehen. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.
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