Verwobene Sphären: Neo Rauch und Rosa Loy stellen in Liberec aus

Neo Rauch ist ohne Zweifel einer der bedeutendsten deutschen Gegenwartskünstler. Aber auch seine Frau, Rosa Loy, ist eine herausragende Malerin. In der Regionalgalerie in Liberec / Reichenberg stellen die beiden aktuell gemeinsam aus.

Neo Rauch ist einer der international erfolgreichsten Maler der Gegenwart, seine Bilder werden für Millionenbeträge verkauft. Er und seine Frau Rosa Loy sind bedeutende Vertreter der sogenannten Neuen Leipziger Schule. Nun stellen sie erstmals gemeinsam in Tschechien aus – in der Regionalgalerie in Liberec, die sich in einer ehemaligen altehrwürdigen Schwimmanstalt aus k. u. k. Zeiten befindet. Filip Suchomel ist der Direktor des Kunsttempels und erklärt im Gespräch für Radio Prag International, wie es zu der Ausstellung gekommen ist:

„Im vergangenen Jahr bin ich der neue Direktor der Galerie geworden. Als ich das Programm konzipiert habe, dachte ich mir, dass es notwendig ist, hier die tschechische Kunst mit der internationalen Szene zu verbinden.“

Rosa Loy und Neo Rauch | Foto: Ota Bartovský,  Regionale Galerie Liberec

Die Gemälde von Neo Rauch seien ihm dann gleich in den Sinn gekommen, so Suchomel. Die Bilder des Starkünstlers würden sich vor allem durch Figurenmalerei auszeichnen, meint der Galeriedirektor:

„Die Gemälde weisen damit einen gänzlich anderen Blick auf als beim Rest dessen, was in den 1990er und den Nuller Jahren entstanden ist.“

Neo Rauch: Hohe Zeit | Foto: Regionale Galerie Liberec

Suchomel verweist zudem auf die Maße der Gemälde, die teils mehrere Meter hoch und breit sind.

„Diese Monumentalität und dieser geradezu surrealistische Blick zieht einen in Rauchs großformatige Kompositionen hinein.“

Wie der Kunsthistoriker aber weiter ausführt, sei es auch ein Anliegen gewesen, die Werke von Rauchs Ehefrau Rosa Loy zu zeigen. Sie sind oft kleiner und bilden zumeist nur weibliche Personen ab. Suchomel führt aus, dass Loy häufig im Schatten ihres Künstlerehemannes stehe – und das zu Unrecht:

„Rosas Werke hatten schon immer eine sehr intensive Farbigkeit. Damit hat sie meiner Meinung Neo in dessen Anfangsjahren auch beeinflusst. Denn 1994 oder 1995 hatte er zwar schon seinen eigenen Stil entwickelt, seine Bilder waren aber oft monochromatisch.“

Rosa Loy: Reparatur | Foto: Regionale Galerie Liberec

In der Ausstellung in Liberec werden deshalb Bilder von beiden Künstlern präsentiert. Passend ist dann auch der Name zur Schau: „Verwobene Sphären“.

„Die Idee dazu kam von Neo, und Rosa bekräftigte ihn und meinte, dass sie beide wirklich zwei Sphären seien, die sich miteinander verbinden. Immerhin sind die beiden seit 40 Jahren zusammen. Künstlerisch inspirieren sie sich gegenseitig, ohne aber direkt in das Schaffen des anderen einzugreifen.“

Die erste Gemeinschaftsausstellung in Tschechien

Foto: Ruth Fraňková,  Radio Prague International

Während Neo Rauch erstmals 2007 in der Prager Galerie Rudolfinum mit einer Ausstellung vertreten war, sind Loys Gemälde bisher noch nie in Tschechien zu sehen gewesen. Die Idee zur aktuellen Gemeinschaftsausstellung in Liberec sei bei dem Künstlerehepaar gleich auf Anklang gestoßen, berichtet Suchomel:

„Als wir im Frühling vergangenen Jahres darüber gesprochen haben, dass wir diese Ausstellung realisieren könnten, waren Neo und Rosa begeistert, ihre Bilder in Liberec zu zeigen. Denn unser Ausstellungsraum ist frisch restauriert und sehr variabel. Die Werke kann man hier unterschiedlich inszenieren. Das hat den beiden gefallen.“

Als Kurator hat Filip Suchomel die Ausstellung gemeinsam mit seiner Ehefrau, Marcela Suchomelová, initiiert. Wie der Galeriedirektor ausführt, sei das besondere an der Schau in Liberec auch, dass die Werke größtenteils nicht aus öffentlichen oder privaten Sammlungen stammen, sondern aus dem Privatbesitz von Rauch und Loy…

Foto: Matěj Kania,  Regionale Galerie Liberec

„Die meisten ausgestellten Objekte bewerten die Künstler selbst als relevant oder in gewisser Weise ikonisch. Das sind teils auch intime Werke. Vor allem von Rosa stellen wir kleinere Bilder aus, die sie an Freunde oder innerhalb der Familie verschenkt hat. So etwas ist sonst nicht bei Ausstellungen zu sehen.“

Der Fokus auf die Privatsammlung bringt aber auch noch eine weitere Besonderheit mit sich, wie Suchomel schildert:

„Neo Rauch malt pro Jahr vielleicht 15 Bilder. Seit 2008 oder 2009 behält er jährlich ein Gemälde seiner Serien für sich selbst. Weil er aber relativ spät damit begonnen hat, sind die Werke von 1994 bis 2008 kaum in seiner Sammlung vertreten und damit auch nicht in der Ausstellung zu sehen. Aus dieser Zeit zeigen wir lediglich kleinere Arbeiten, etwa Zeichnungen.“

Foto: Ruth Fraňková,  Radio Prague International

Dafür werden aber auch ganz neue Bilder ausgestellt, selbst solche, die Rauch und Loy erst in diesem Jahr angefertigt haben. Gezeigt werden zudem nicht nur Malereien und Grafiken, sondern auch bildhauerische Arbeiten von Neo Rauch. Hat Filip Suchomel eine Lieblingsarbeit?

„Bei Neo gibt es wirklich eine ganze Reihe Werke, die einen in das Geschehen und das Bild hineinziehen. Bei Rosa gefällt mir vor allem eines ihrer ersten Werke. Es heißt ‚Kleines Kollektiv‘, stammt aus dem Jahr 1996 und hängt bei dem Künstlerehepaar im Wohnzimmer. Zu sehen sind sozusagen zwei Geschwister, was charakteristisch für Rosa ist. Ihre Bilder zeigen oft Paare, einen Menschen mit seinem zweiten Ich. Für mich ist das ein wichtiges, außerordentliches Werk, das ich wirklich sehr mag. Ich bin froh, dass wir es hier zeigen können.“

Wortspiele in den Werktiteln

Wer aufmerksam durch die Ausstellung geht, dem fällt bei all dem auf, dass die einzelnen Werktitel nicht übersetzt sind. Aber warum?

Neo Rauch: Hüter | Foto: Regionale Galerie Liberec

„Vor allem bei Neos Arbeiten wäre das wohl sehr schwer. Er ist sehr belesen, was Etymologie angeht, und verwendet oft Wortspiele. Deshalb hat er darauf bestanden, dass die Titel nicht übersetzt werden. Wir sind da im Übrigen kein Einzelfall. Auch die Titel der Bilder, die in Amerika oder in Fernost gezeigt wurden, sind nicht übersetzt worden – ganz gleich, ob es sich nun um Englisch handelte oder um Koreanisch.“

Ein Beispiel für so ein Wortspiel ist etwa das Bild „Spannung“, auf dem Strommasten zu sehen sind. Und auch der Titel der Ausstellung, „Verwobene Sphären“, wurde nicht ins Tschechische übertragen.

Während die deutschen Werktitel tschechische Besucher womöglich ratlos zurücklassen, stören die fehlenden Übersetzungen Menschen aus Deutschland wohl kaum. Und diese wolle man mit der Ausstellung ebenso erreichen, sagt Suchomel und wirft einen Blick in die Zukunft:

„Ich hoffe, dass das nicht die letzte Ausstellung ist, in der wir zeitgenössische Kunst aus Deutschland zeigen. Wir möchten bei weiteren Projekten ebenfalls in diese Richtung gehen. Denn unsere Galerie ist auch dadurch besonders, dass Liberec in der Nähe zu Polen und Deutschland liegt. Wir wollen deshalb eine echte mitteleuropäische Kunstgalerie werden.“

Die Ausstellung „Verwobene Sphären“ in der Regionalgalerie Liberec kann noch bis zum 26. Januar 2025 besucht werden. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags auch bis 20 Uhr. Zur Ausstellung mit den Werken von Neo Rauch und Rosa Loy ist ein umfassender Begleitkatalog erschienen. Am 14. Dezember findet um 15 Uhr eine Führung durch die Ausstellung in deutscher Sprache statt.

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