Gemeinsam für die Ukraine: Benefizkonzert mit „Markt der Hilfe“ in Prag

Tschechische Bürger helfen der Ukraine auf unterschiedliche Weise. Unter anderem wurden in den zurückliegenden Wochen zahlreiche Benefizveranstaltungen organisiert. Unter dem Motto „Gemeinsam für die Ukraine“ fand ein Benefizkonzert am Sonntagnachmittag am Prager Letná-Park statt. Zu der Veranstaltung gehörte auch ein sogenannter „Marktplatz der Hilfe“.

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Bei frostigem Wetter kamen am Sonntagnachmittag über 5000 Menschen zur Letná. Viele hatten ukrainische Flaggen und Transparente mit. Auf diesen stand beispielsweise „Killer Putin“ oder „Stoppt Russland“. Zu sehen waren auch russische Flaggen, jedoch ohne rote Farbe. Diese Flaggen haben jene Russen weltweit zu nutzen begonnen, die gegen den Krieg in der Ukraine protestieren. Die rote Farbe symbolisiert ihrer Meinung nach Gewalt und Blut. Im Laufe des Konzerts konnten die Besucher über die Plattform Donio Spenden schicken. Die Redner dankten den Menschen für die Unterstützung der Ukraine und machten immer wieder darauf aufmerksam, dass weitere Hilfe nötig sein werde. Unter den Rednern war auch der Direktor des Prager Nationaltheaters, Jan Burian. Er dankte den NGOs für ihre hervorragende Arbeit und erinnerte an eine Initiative der tschechischen Theaterensembles.

Jan Burian | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Theater in ganz Tschechien haben ein Hilfszentrum für ihre Kolleginnen und Kollegen gegründet, die aus der Ukraine fliehen mussten. Wir vermitteln dort Arbeitsstellen und Studienaufenthalte sowie Möglichkeiten für Tänzerinnen und Tänzer, an Trainings teilzunehmen. Viele Theater haben zudem Programme für die mehreren Zehntausend ukrainischer Kinder zusammengestellt, die sich in Tschechien aufhalten. Wir sollten so nett sein und weitermachen. Denn unsere Hilfe dürfte noch lange gebraucht werden. Die Lage in der Ukraine wird sich ändern, Menschen werden kommen und andere dorthin zurückkehren, Familien werden zusammengeführt. Auf uns wartet eine komplizierte Zeit.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Bisher sind über 300.000 Menschen aus der Ukraine nach Tschechien geflüchtet. Der Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib (Piraten) dankte auf dem Podium den den Bürgern der tschechischen Hauptstadt für ihre Hilfe. Schockiert zeigte er sich über die Gräueltaten der russischen Truppen:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Seit fast sechs Wochen verübt Diktator Putin Kriegsverbrechen in der Ukraine. Er ermordet Zivilpersonen und hat Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Ich verurteile entschieden das abartige Vorgehen von Putins Russland.“

Hřib forderte die tschechischen Bürger dazu auf, den Kampf der Ukraine für ihre Freiheit und für demokratische Werte weiterhin zu unterstützen. Dazu merkte der OB an:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Dies ist auch unser Kampf. Es darf nicht dazu kommen, dass Putins Übel relativiert oder sogar toleriert wird. Ich möchte den ukrainischen Bürgern versichern, dass wir alles unternehmen, damit sie hier in Sicherheit leben und auch ihr Potenzial verwirklichen können.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Tschechisch-Kurse und Beratung

Zdeněk Hřib dankte auch allen Freiwilligen, die sich um die Geflüchteten kümmern. Dabei machte er auf die Arbeit des Integrationszentrums Prag aufmerksam, das den Ukrainern unter die Arme greift.

Das Integrationszentrum Prag (www.icpraha.com) gehörte zudem zu jenen Wohltätigkeitsorganisationen, die beim Benefizkonzert einen Stand auf der Letná hatten. Vor dem Stand wimmelte es von Menschen. Michaela Palánová vom Integrationszentrum sagte gegenüber Radio Prag International:

Michaela Palánová  (rechts) | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Wir bieten hier Dienste des Integrationszentrums Prag an. Dazu gehören Tschechisch-Kurse, Beratungen im Sozial- und im Rechtsbereich, Dolmetscherdienste und eine Begleitung für die Gänge zu staatlichen und kommunalen Behörden. Wir stellen diese Dienste schon seit zehn Jahren für Ausländer bereit, die nach Tschechien gezogen sind. Gleichzeitig suchen wir hier nach Freiwilligen, die im Prager Assistenzzentrum für die Ukraine helfen möchten. Dort koordinieren wir die Arbeit der Dolmetscher. Das Interesse für unser Angebot war an unserem Stand bedeutend größer, als wir das erwartet haben. Wir mussten ins Büro zurück, um weitere Info-Materialien zu holen. Die meisten Menschen haben nach Tschechisch-Kursen gefragt, nach einem Job und viele der ukrainischen Geflüchteten auch nach Schulen für ihre Kinder gesucht.“

Stand der Tschechischen Caritas | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Auch der Stand der Tschechischen Caritas war von Menschen fast ständig belagert. Jan Oulík ist Sprecher der kirchlichen Organisation:

„Wir präsentieren hier allgemein unser Hilfsangebot. Zudem werden Spenden gesammelt. Die Mitarbeiter der Erzdiözesancaritas Prag bieten Hilfe vor Ort an. Ein Jurist sitzt hier zusammen mit einem Dolmetscher am Stand. Er kann die Menschen beraten. Die Caritas hat des Weiteren eine Hotline auf Ukrainisch eingerichtet, die Telefonnummer steht auf den Flugblättern, die hier verteilt werden.“

Hilfe für die Ukraine | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Caritas gehört zu jenen Organisationen, die sich in großem Maß an der Hilfe für die Ukrainer sowohl direkt in ihrer Heimat, als auch in Tschechien beteiligen. Jan Oulík:

„Wir gehören zu den Freiwilligenteams und arbeiten in den Assistenzzentren für Geflüchtete aus der Ukraine, die in allen Regionen eingerichtet worden sind. Wir informieren die Geflüchteten über ihre Rechte, wo sie sich registrieren lassen sollen, was sie zu erledigen haben. Dabei ist es wichtig, immer wieder zu betonen, dass sämtliche Hilfe kostenlos ist, die ihnen der Staat, die Kommunen und die NGOs bieten.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Hilfe vor Ort: Medikamente und Inkubatoren

Evžen Diviš | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Evžen Diviš ist bei der Caritas für die Hilfe in der Ukraine zuständig. Er sei vor einigen Tagen aus dem Kriegsland zurückgekehrt, erzählt er gegenüber Radio Prag International. Zwei Wochen habe er in der Westukraine verbracht, so Diviš:

„Ich bin dort hingefahren, damit ich mir mit eigenen Augen ein Bild von der Lage machen konnte – und nicht nur anhand von vermittelten Informationen. Ich habe mich mit Mitarbeitern der Caritas in der Ukraine getroffen und mit Vertretern von Kommunen, um mehr darüber zu erfahren, was sie derzeit am dringendsten brauchen. Die tschechische Caritas hat schon zwei Tage vor dem russischen Angriff mit einer Spendensammlung für die Ukraine begonnen. Neben finanzieller Unterstützung liefern wir seit Kriegsbeginn vor allem Lebensmittel, Hygieneartikel, medizinisches Material, Generatoren sowie Inkubatoren für Neugeborene in die Ukraine. Diese Lieferungen sind weiterhin gefragt. Wir rechnen damit, dass wir uns in einiger Zeit auch auf Hilfe konzentrieren werden bei der Bereitstellung von Unterkünften für Menschen aus der Ostukraine, die im Westen des Landes Zuflucht gefunden haben.“

Geflüchtete | Foto: Lukáš Milota,  Tschechischer Rundfunk

Evžen Diviš zufolge suchen mehrere Tausend Menschen aus der Ostukraine im Westen des Landes nach einer Unterkunft. Die Caritas denkt auch darüber nach, psychosoziale Hilfe in der Ukraine anzubieten.

„Es handelt sich um psychosoziale Hilfe für diejenigen, die aus der Ostukraine kommen – und besonders für jene, die im letzten Augenblick durch die humanitären Korridore aus den Kriegsgebieten geflohen sind. Wir möchten zudem Menschen unterstützen, die mit den Geflüchteten arbeiten und am Rande des Burnout stehen.“

Illustrationsfoto: Ladislav Novák,  Tschechischer Rundfunk

Was wird aber nach Informationen von Evžen Diviš in der Ukraine am dringendsten gebraucht?

„Allgemein würde ich sagen, dass dort auch weiterhin dringend Waffen gebraucht werden. Aber von jenen Gütern, die die Caritas liefern kann, sind vor allem Lebensmittel und medizinisches Material gefragt. Dazu gehören Verbandskästen, die unter Kampfbedingungen genutzt werden. Es mangelt dort an bestimmten Arzneimitteln, vor allem an Insulin. Und Hygieneartikel werden weiterhin gefordert. Auch Generatoren werden gebraucht.“

Die achtjährige Aryna Juskowa kam mit ihrer Mutter aus Charkiw nach Tschechien. Sie trat neben renommierten Musikern aus Tschechien und der Ukraine auf dem Podium auf. Aryna begleitete sich selbst auf dem ukrainischen Musikinstrument Bandura, das auch als ukrainische Lautenzither bezeichnet wird.

Aryna Juskowa | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Schutzwesten, Helme und Drohnen

Stand der Heilsarmee | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Neben der Caritas und dem Prager Integrationszentrum hatten auch weitere Hilfsorganisationen ihre Stände auf der Letná. Zu ihnen gehörten die Lebensmittelbank, die Heilsarmee und der Verein Post bellum. Letzterer ist hierzulande durch das einzigartige Projekt „Memory of Nation“ bekannt geworden, in dessen Rahmen über 13.000 Zeitzeugenaussagen aufgezeichnet worden sind. Der Verein unterstützt die Ukraine seit mehreren Wochen, und zwar auch mit Militärmaterial. Martin Ocknecht von Post bellum stellte die Hilfe für die Ukraine während des Benefizkonzerts vor:

Martin Ocknecht | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Wir haben aus den Aussagen der Zeitzeugen gelernt, dass man nicht dem Übel nachgeben darf, sondern es ankämpfen muss. Schon am 22. Februar haben wir eine Spendensammlung für die Verteidiger der Ukraine gestartet. Bisher sind über 260 Millionen Kronen in der Sammlung zusammengekommen. Für dieses Geld haben wir bisher 5280 Schutzwesten, 2350 Helme, medizinisches Material im Wert von 40 Millionen Kronen, 98 Drohnen, 230 Funksprechgeräte sowie 10.000 Fleischkonserven in die Ukraine geschickt.“

Jeden Tag werden laut Ocknecht 200 Schutzwesten an die Verteidiger der Ukraine geliefert. Der Verein hat seinen Worten zufolge Informationen darüber, dass die Schutzwesten inzwischen Leben gerettet haben. Ocknecht erwähnte zudem eine Mail, die er am Sonntag aus der Ukraine erhielt:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Ich bekam die Nachricht, dass im Krankenhaus in Charkiw 250 Prothesen für Menschen nach Beinamputationen fehlen. Zudem mangelt es dort an Beruhigungsmitteln und Medikamenten zur Blutstillung. Die Ukraine blutet. Sie haben vermutlich von den grausamen Taten gehört, die russische Soldaten in Browary, Irpin und Butscha begangen haben. Sie haben auch von erschossenen Zivilpersonen und vergewaltigten Frauen gehört – über ein neues Srebrenica. Unterstützen wir die Verteidiger der Ukraine in ihrem Kampf! Bei Charkiw, Norddonezk, Lysytschansk oder Mariupol wird auch für uns gekämpft. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle gemeinsam siegen werden. Denn wie im Johannes-Evangelium steht: Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat´s nicht begriffen. Slava Ukrajini!“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
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