Gemeinsam und konstruktiv – tschechisch-deutsche Kunst in Karlsbad
Die Interaktive Galerie Villa Becher in Karlovy Vary / Karlsbad zeigt eine Ausstellung mit dem Titel „Gemeinsam und konstruktiv“. Das Motto verrät es schon: Die Schau vereint Werke tschechischer und deutscher Künstler, und es sind Künstler, die sich der Richtung der Konkreten Kunst verschrieben haben. Entnommen sind die Bilder und Skulpturen allesamt der deutsch-tschechischen Sammlung Goller.
Die Sammlung ist in Jahrzehnte langer Tätigkeit des Galeristen-Ehepaares Hans-Joachim und Heidi Goller im oberfränkischen Selb entstanden. Dabei hat sich ein reger Austausch mit tschechischen Künstlern ergeben, darunter die Kunstgalerie Karlsbad, zu der die Villa Becher gehört. Deren Direktor Jan Samec hat nach vielen gemeinsamen Projekten mit Selb auch diese Ausstellung wieder in sein Haus geholt.
So wie andere von Reisen Andenken mitbrächten, seien sie in tschechische Galerien gegangen und hätten Bilder erworben, sagt Hans-Joachim Goller auf die Frage, wo der Ursprung der Sammlung Goller zu suchen ist. Es ist eines von vielen Bonmots, für die der ehemalige Kulturdezernent der Stadt Selb und pensionierte Gymnasialprofessor bekannt und geschätzt ist. Dass er Kunstsammler ist, wurde Goller erst voll bewusst, als die Stauräume und Schubladen in seinem Wohnhaus in Selb von Kunstwerken überquollen. Und als er dann die rund 1200 Grafiken, Gemälde und Skulpturen von 225 Künstlern inventarisierte, die er mit seiner Frau Heidi seit den 1970er Jahren erworben hatte, seien deren künstlerische Konturen erst deutlich hervorgetreten, so Goller. Und weiter:
„Nach dem Tod meiner Frau 2017 habe ich Zeit gehabt, mich um die Sammlung zu kümmern. Ich habe eine Excel-Liste angelegt und die Künstler mit den Werken, die ich besitze, darin verzeichnet. Später habe ich die einzelnen Arbeiten noch alle fotografiert. Auch so manche Überraschung habe ich dabei erlebt, dass ich dachte: Mensch, das hab ich auch? Das war wirklich toll.“
Künstlerische Bedeutung anstatt Marktwert
Laut Goller stand beim Sammeln für seine nichtkommerzielle Privatgalerie nie der Marktwert im Vordergrund, sondern das, was die Kunstwerke bei den Betrachtern auslösen könnten. Dennoch habe die Sammlung Goller schon aufgrund ihres Schwerpunkts, der auf zeitgenössischen Werken tschechischer und deutscher Konkreter Kunst liegt, ein Alleinstellungsmerkmal und einen besonderen künstlerischen Wert, betont Galeriedirektor Jan Samec. Mindestens ebenso bedeutend sei aber die gesellschaftliche Dimension der Sammlung.
„Diese Sammlung und das Wirken des Ehepaares Goller insgesamt haben sehr dazu beigetragen, dass sich tschechische und deutsche Künstler begegnen konnten – aber nicht nur Künstler, sondern auch Kunstfreunde und ganz allgemein Menschen, die schöne Dinge mögen“, sagt Samec.
Sowohl der Kunstgalerie Karlsbad also auch ihm persönlich sei der Austausch mit dem Kunstverein Hochfranken Selb und dessen führendem Mitglied Hans-Joachim Goller sehr zugute gekommen, resümiert der Galeriedirektor:
„Wir haben nun einen viel besseren Überblick über die deutsche Kunst, und manche Künstler konnten wir sogar persönlich kennenlernen, darunter namhafte Persönlichkeiten wie Eugen Gomringer, der bei uns eine Ausstellung hatte. Für mich persönlich war es aber auch sehr interessant zu erleben, wie deutsche Galerien betrieben, Vernissagen veranstaltet und Kunstobjekte installiert werden. Die Palette meiner neuen Erkenntnisse ist sehr breit.“
In der nunmehrigen Ausstellung sind neben vielen anderen Künstlern und Künstlerinnen auch Karl-Heinz Adler, Ingo Glass, Rupprecht Geiger, Jan Kubíček, Ditta Jiříčková und Zdeněk Sýkora vertreten. Wie die präsentierten Werke kunsthistorisch einzuordnen sind, bringt Goller in seiner Eröffnungsrede in wenigen Sätzen prägnant auf den Punkt:
„Kaum eine andere Kunstströmung konnte das klassische Bildverständnis derart nachhaltig aufbrechen und mit neuen Ideen bereichern wie diese ganz andere Kunst. Ausschließlich die Mittel der Malerei selbst, nämlich die Farbe, die Linie und die Fläche wurden ins Zentrum eines neuen Bildkonzeptes gerückt. Weil in der Moderne die Welt, die Natur, also das Erkennbare ausgedient hatte und nur ganz konkret die malerischen Mittel verwendet wurden, erhielt diese Kunst den Namen ‚Konkrete Kunst‘.“
Die universelle Sprache der Konkreten Kunst
Ähnlich wie die Musik spreche die Konkrete Kunst mit ihren konstruktivistischen Bildplänen und geometrischen Grundformen eine universelle Sprache, findet Ausstellungsbesucherin Heike Arndt:
„Wir leben hier an der Grenze – an der sogenannten Grenze zu Tschechien, die für mich persönlich gar keine mehr ist. Aber natürlich stoßen hier zwei Kulturen aufeinander, die miteinander verwoben sind, sich gleichzeitig aber auch unterscheiden. Das ist ein ganz spannendes kreatives Feld, das zeigt sich auch in dieser Ausstellung. Werke tschechischer und deutscher Künstler sind nebeneinander gehängt, und ihre Bilder korrespondieren miteinander. Tatsächlich kann man, wenn man die Liste nicht hat, den Unterschied nicht sehen. Aber ich denke, sie haben sich gegenseitig inspiriert, und sie inspirieren auch die Betrachter aus Deutschland und Tschechien, die ja auch gemischt hierherkommen. Und gerade weil diese Konkrete Kunst ungegenständlich ist, weil sie sich nicht mit einem gegenständlichen Thema befasst, liefert sie ganz viel Assoziationsfreiraum. Deshalb ist es auch ein Genuss, die Bilder anzuschauen.“
Hans-Joachim Goller blickt auf eine respektable Reihe von Ausstellungen und anderen Projekten zurück, die er initiiert und mit tschechischen wie deutschen Künstlern mit großer Ausdauer und Konsequenz realisiert hat. Ein Künstler der ersten Stunde, der dabei mitgemacht hat, ist František Steker aus Plzeň / Pilsen…
„Als Hans-Joachim Goller bei sich zuhause eine eigene Galerie eröffnete und diesen zyklischen Wechsel einführte, dass dort abwechselnd immer tschechische und deutsche Künstler ausgestellt wurden, da war ich der erste tschechische Künstler, den er einlud. Das war 1995“, so Steker.
Zukunftspläne für die Sammlung Goller
Leihgaben aus der Kunstsammlung, die im Zuge seines Engagements für den Austausch mit tschechischen Künstlern gewachsen ist, möchte der Galerist auch künftig im öffentlichen Kulturleben zur Geltung bringen. Ein großer Wunsch, den er seit Langem hegt, ist indes in die Ferne gerückt:
„Meine Absicht besteht darin, in Selb ein Kulturforum Mitte Europa zu errichten, also eine große Institution, die mehrere Gebiete abdecken soll. Ihre wichtigste Aufgabe bestünde aber darin, die verschiedenen Kunstsparten von allen europäischen Ländern Europas zusammenzuführen“, sagt Goller.
So wie im Zentrum von Brüssel ein Haus der europäischen Geschichte geschaffen wurde, sollte auch an der Peripherie ein in die Zukunft blickender Dreh- und Angelpunkt des europäischen Kulturaustauschs errichtet werdet, findet der Visionär. Diesem Kulturforum würde Goller seine Sammlung als Grundstock vermachen. Leider sei eine solche Institution derzeit nicht in Sicht, räumt der Kunstsammler etwas melancholisch ein. Bleibt der ganz große Wurf aus, tut man gut daran, eine langsamere Gangart einzulegen. Die Weichen dafür sind gestellt – durch die Vernetzung mit dem Kunstverein Hochfranken Selb, mit tschechischen Künstlern und oberfränkischen Stellen. Nach der Villa Becher wird die Ausstellung als nächstes – mit einer erweiterten Werkauswahl – ab dem 12. Mai in der Freiheitshalle in Hof an der Saale gezeigt, einem regionalen Veranstaltungszentrum. Die Stadt Hof ist als Partner bei der Vernissage in Karlsbad durch Kulturamtsleiter Peter Nürmberger vertreten. Dieser sagt:
„Wenn man sich über Grenzen hinweg verstehen will, dann sind auch Freunde immer hilfreich. Hans-Joachim Goller ist ein solcher Freund, der schon immer zwischen unseren Ländern Brücken gebaut hat, und auch Jan Samec ist ein solcher Freund. Es ist ein großes Glück, mit Euch zusammenarbeiten zu können. Im Namen der Oberbürgermeisterin von Hof, Eva Döhla, und auch ganz persönlich bedanke ich mich bei Jan und bei Jochen und bei Ihnen allen, meine sehr verehrten Damen und Herren, für das gute Miteinander, für die gelungene Ausstellung, die wir anschließend ja in Hof zeigen werden, und für die Freundschaft.“
Die Ausstellung tschechischer und deutscher Konkreter Kunst aus der Sammlung Goller ist noch bis zum 16. April in der Villa Becher in Karlsbad zu sehen.