Gemeinsames Marketing: Zusammenarbeit der Tourismus-Regionen Böhmische und Sächsische Schweiz
Der Tourismus konzentriert sich in Tschechien auf einige wenige Regionen. Prag steht dabei über allem, obwohl auch andere Gegenden vieles zu bieten haben. So etwa die Böhmische Schweiz mit ihren teils bizarren Felsformationen. Die frühere Industrie dort ist eingegangen, der Fremdenverkehr könnte deren Rolle übernehmen. Auch deshalb arbeitet der dortige Tourismusverband mit dem der Sächsischen Schweiz zusammen.
„Ich würde das außerordentlich positiv einschätzen. Allein dass wir uns vor zehn Jahren auf einen gemeinsamen Weg gemacht haben, also im Sinne des Wanderers, der versucht den Zweitausender, den Dreitausender, den Viertausender zu erklimmen, ist schon ein Akt. In Deutschland gibt es nicht so viele Regionen, die solch eine grenzüberschreitende Arbeit machen. Und auch nicht in Westeuropa, in Belgien oder Frankreich.“
Doch was lässt sich alles gemeinsam machen, was weiterhin getrennt? Wie waren die Voraussetzungen auf beiden Seiten, und was wurde erreicht? Zbyněk Linhart ist tschechischer Senator und Verwaltungsratsvorsitzender der gemeinnützigen Gesellschaft „Böhmische Schweiz“:„Obwohl wir uns bemühen, die Gegend Sächsisch-Böhmische Schweiz gemeinsam zu präsentieren und zu bewerben, besteht ein grundlegender Unterschied – und das ist sogar historisch gegeben: Auf der sächsischen Seite werden etwa drei Millionen Besucher im Jahr verzeichnet, bei uns ist das nur ungefähr die Hälfte. Das Serviceangebot ist eben jenseits der Grenze deutlich bunter und besser, was unter anderem daran liegt, dass die Menschen früher in der DDR in bestimmten Bereichen unternehmerisch tätig sein durften. Damit fiel der Start in den 1990er Jahren dort leichter.“
Als Urväter der gemeinsamen Marke lassen sich vielleicht sogar die beiden Schweizer Künstler Adrian Zingg und Anton Graff bezeichnen. Im 18. Jahrhundert besuchten sie das Elbsandsteingebirge – und fühlten sich erinnert an ihre Heimat, den Schweizer Jura. So kam es erst zum Begriff „Sächsische Schweiz“. Für die heutige grenzüberschreitende Region wurde dann nicht der Name Elbsandsteingebirge gewählt, sondern das neue Wort Sächsisch-Böhmische Schweiz.Tourismus soll Textilindustrie ersetzen
Diese Marke ist es auch, auf die ganz besonders die tschechische Seite setzt. Denn dort besteht seit der Wende ein deutliches Strukturproblem. Senator Linhart:„In der Region Böhmische Schweiz / Schluckenauer Zipfel ist die Leichtindustrie, die Textilindustrie, in den vergangenen 20 Jahren wiederholt komplett eingegangen, auch wenn zwischendurch versucht wurde sie wiederzubeleben. Bis auf einige Ausnahmen besteht praktisch keine Industrie in der Gegend, also weder traditionelle noch neue Betriebe, und damit fehlen auch die Arbeitsplätze. Der Fremdenverkehr ist eine der Branchen, von der die Leute in der Gegend gut leben könnten. Dabei ist die sächsische Seite für uns eine Inspiration, dort kommen viele Besucher hin, und das dortige Serviceangebot wird genutzt. Der Jahresumsatz im Tourismus liegt dort bei rund zwei Milliarden Euro. Wir wären schon froh, wenn wir ein Zehntel davon erreichen könnten. In dem Bereich haben wir aber auch noch viele Reserven. Die Böhmische Schweiz und der Schluckenauer Zipfel haben natürlich nach oben gewisse Grenzen. Aber vor dem Zweiten Weltkrieg lebte hier ein Vielfaches der heutigen Bevölkerung, und die Menschen gingen damals viel mehr in die Natur, als das heute der Fall ist. Trotzdem hat die Gegend das ausgehalten.“
Auf der tschechischen Seite fehlen weiterhin beispielsweise geeignete Unterkünfte. Wie stellt sich dies aus deutscher Sicht dar? Klaus Brähmig:„Ich würde sagen, es kann natürlich das eine oder andere gerne noch entstehen. Wir haben uns in der Sächsischen Schweiz um den Leitsatz bemüht, dass der Um- und Ausbau der historischen Kapazitäten, der alten Mühlen, Bergrestaurants und Hotels Vorrang hat vor dem Neubau auf der grünen Wiese. Das ist uns bis heute gelungen. Allerdings muss man auch sagen, und das ist in der Tschechischen Republik nicht anders als in Deutschland: Der Wettbewerb belebt das Geschäft. Das heißt, dort wo das Licht ist, sind die Motten. Will heißen: Je mehr Angebot besteht, desto besser ist die Qualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis. Und wir als Tourismusverband unterstützen hier in Deutschland jede nur erdenkliche Investition und jedes Engagement bei der Qualitätsverbesserung. Wobei wir natürlich als Gesamtregion in Europa auch als Aktivregion wahrgenommen werden. Dazu zählen das Klettern, das Fahrradfahren und der Aktivsport auf der Elbe. Und die Bewahrung der Landschaft, der Schöpfung ist auch ein Teil davon – dass wir hier eine einzigartige Natur- und Kulturlandschaft in Europa haben mit musealen Werken wie Burgen, Schlössern und Gärten und so weiter. Wir haben mächtig Pfunde, mit denen wir noch viel stärker wuchern können, als dies bisher der Fall ist.“
Internetmarketing hat Vorrang
Bewegt werden sollen diese Pfunde in den kommenden Jahren mit einem weiteren gemeinsamen Projekt. Für das haben die tschechische und die deutsche Seite einen Antrag auf Förderung im sogenannten Interreg-5-Programm gestellt. Tino Richter, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz:„Im neuen Kooperationsprojekt haben wir insgesamt circa zwei Millionen Euro zur Verfügung, die Böhmische und die Sächsische Schweiz zusammen. Mit dem Geld haben wir viele Maßnahmen vor, mehr als die Hälfte der Summe wollen wir in Marketingvorhaben investieren. Der Rest geht in das Projektmanagement, aber auch in die Qualitätsverbesserung, denn wir wollen natürlich auch in Zukunft als Tourismusregion gerüstet sein. Wenn man sich das Marketing heute anschaut, dann hat sich doch vieles gewandelt. Vor vielen Jahren ist man noch auf die Messen gefahren, hat jede Messe mitgenommen und dort geworben. Heute sind wir viel mehr online unterwegs, das heißt, wir investieren auch in die Internetplattform, in die sozialen Medien und werben dort für die Urlaubsregion. Denn wir wissen inzwischen, dass sich fast die Hälfte der Leute im Internet informiert und dann dort auch ihren Urlaub bucht.“
Gemeinsam vermarkten heißt jedoch nicht, dass alles vereinheitlicht wird. Auf tschechischer Seite beispielsweise hat der landesweite Wanderverein für eine hervorragende Ausschilderung der Strecken gesorgt. Das wird es auch weiterhin geben – und ebenso die eigenen Wegweiser auf deutscher Seite:„Die Wanderwege sind sehr gut in der Qualität und auch in der Beschriftung. Es wäre für die Region nicht sinnvoll, aus nationalen Systemen auszubrechen, deswegen gibt es an der Grenze schon einen Schnitt. Aber wir versuchen das zu verbessern, indem wir schon innerhalb der Sächsischen Schweiz zum Beispiel auf die Ziele in der Böhmischen Schweiz hinweisen, und umgekehrt. Der Wanderer merkt also an der Grenze, dass andere Schilder auftauchen, aber er trotzdem genauso gut weitergeführt wird.“
Die Kreise und der Staat sind gefordert
Um die Natur zu schützen, wurden auf beiden Seiten Nationalparks geschaffen, wobei das absolute Highlight auf tschechischer Seite liegt: das Prebischtor, die größte natürliche Sandstein-Felsenbrücke Europas.Doch rund um den Nationalpark Böhmische Schweiz müsse noch vieles aufgebaut werden, sagt Senator Linhart. Wer ist dann hier gefordert? Die Gemeinden, der Kreis oder der Staat?
„Die Gemeinden sind wirtschaftlich relativ schwach, besonders in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Einkommen. Ich würde sagen, dass sich die Gemeinden mit ihren Mitteln bereits sehr bemüht haben – oder mit Geldern der EU, wobei schade ist, dass die Förderung des Tourismus immer weiter abnimmt. Bei den selbstständigen Kreisverwaltungen sehe ich noch große Reserven. Aber ich hoffe, dass sich die Kreise allgemein darin verbessern und im Speziellen der Kreis Ústí nad Labem. Aber ich denke, vor allem ist dies eine Sache des Staates. Und es ist schade, dass er mit der Europäischen Kommission nicht ausgehandelt hat, auch den Fremdenverkehr zu fördern.“