"Geopark Barrandien" - Ein Großteil Böhmens auf wenigen Quadratmetern
Proterozoikum, Paläozoikum, Mesozoikum, Tertiär, Quartär. Wer die heutige Sendreihe "Reiseland Tschechien" hört, dem werden sicher die erdgeschichtlichen Begriffe, die er in der Schulzeit lernen musste, wieder ins Gedächtnis kommen. Es wird nämlich vor allem um Steine, Gesteine und um die Geologie gehen. Gemeinsam mit Markéta Kachlíková und Thomas Kirschner besuchen Sie in den folgenden Minuten den sog. "Geopark Barrandien", der im Jahre 2003 im Hofe des Museums in der mittelböhmischen Stadt Beroun eröffnet wurde. Auf einer kleinen Fläche kann man sich dort eine Vorstellung über ein umfangreiches Gebiet Böhmens bilden, das nach dem französischen Paläontologen des 19. Jahrhunderts, Joachim Barrande, benannt wurde. Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung.
"Bitte nicht berühren!", "Berühren verboten!" und ähnliche Warnungen und Bitten, die in Museen oft zu sehen sind, findet man im Geopark Barrandien in Beroun nicht. Im Gegenteil: die Besucher können die Exponate selbst abtasten, und sogar einen Stein mit nach Hause nehmen. Im Geopark sind Gesteine verschiedener Arten und unterschiedlichen Alters ausgestellt, die für das Gebiet "Barrandien" charakteristisch sind. Was sich anhört wie ein vergessenes Königreich, das ist der Name für das geologische Gebiet rund um Prag, benannt nach dem Forscher Joachim Barrande:
"Barrandien ist eine geologische Formation, die sich von Brandýs bis nach Klatovy erstreckt. Ein jüngerer Bestandteil von Barrandien ist das Prager Becken. Barrandien umfasst die typischsten Gesteine aus dem jüngsten Proterozoikums und dem ganzen ältere Paläozoikum - Kambrium, Ordovicium, Silur und Devon", sagt unser Begleiter durch den Park, Jirí Zápotocký, und startet eine Besichtigungsrunde, bei der er uns auf die interessantesten Steinstücke und Steinblöcke im Garten aufmerksam macht:
"Hier ist eine Tafel, vor der man die Besichtigung anfangen sollte. Hier steht, was Barrandien ist. Wir wissen, dass die Erdkruste etwa 6,6 Milliarden alt ist. Diese ganze Ära ist hier wegen der Anschaulichkeit in zwölf Stunden geteilt. Wir können hier sehen, dass unsere Ära, d.h. der Quartär, nur eine Minute von diesen zwölf Stunden einnimmt."
Die Ausstellung im Freien ergänzt eine Geologie-Ausstellung im eigentlichen Museum. Eigentlich sollte sie bereits im Jahr 2002 eröffnet werden. Im Sommer kam damals jedoch das verheerende Hochwasser, das den Hof bis zur Höhe von fast zwei Metern überflutet hat. Der Geopark wurde daher erst im Mai 2003 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er dient nicht nur als ein Ausstellungsraum, sondern auch als eine grüne Oase in der Stadt. Zurück aber zur eigentlichen Ausstellung, deren Exponate ein Gewicht von mehreren Tonnen erreichen.
"Wir haben hier insgesamt 23 Bodenmuster. Alle tragen eine Tafel mit dem Namen und weiter führen wir gründliche Informationen über jedes Gestein an: den Fundort, die Zusammensetzung, die Entstehung usw. Der Besucher kann sich mit dem Gestein je nach seinem Interesse nur oberflächlich oder auch sehr detailliert bekannt machen."
Von 23 Bodenmustern sind 19 Sedimente, d.h. Absatzgesteine. Nur vier sind vulkanische Gesteine. Bei der Besichtigung stoßen wir auch auf einen Haufen von kleineren Steinen, die eine besondere Funktion haben:
"Hier kann jeder Besucher einen Stein als Souvenir mitnehmen. Man kann darauf auch Abdrücke einiger Fossilien finden. Hier haben wir schöne Abdrücke der Kopffüßerschalen. Die Kopffüßer waren damals, im Silur Raubtiere. Sie verbargen sich in ihrer Schale und von dort aus brachen sie zur Attacke hervor. Sie konnten sich sehr schnell bewegen: Sie trieben aus der Schale schnell Wasser aus und bewegten sich durch einen Rückstoß wie eine Rakete. Ihre Schalen, die aus einzelnen Kreisen bestanden, konnten die Länge von bis zu fünf Metern erreichen. Es wuchsen ihnen immer weitere Kreise, und in jedem Glied hatten sie Luftblasen, die ihnen die Bewegung in verschiedenen Höhen ermöglichten. Sie haben bis heute überlebt, zu den heutigen Arten der Kopffüßer gehören Tintenfische, Calamari usw."
Gleich nebenan zeigt uns Herr Zápotocký Abdrücke, die er besonders interessant findet:
"Das ist ein unaufälliger, aber interessanter Stein, ein Graptolithenschiefer. Sie sehen hier viele Striche. Bei jedem Strich handelt es sich um eine Kette von Kammern. In jeder Kammer lebte ein Lebewesen, ein Graptolith. Das waren Vorgänger der Wirbeltiere."
Beim Verlassen des Geoparks wartet auf die Besucher noch ein beliebtes Spiel: nämlich "wir bestimmen typische Gesteine aus Barrandien". 12 Gesteinsarten sind dort ausgestellt, ihre Namen bleiben jedoch hinter einem Türchen versteckt.
"Jeder Besucher, der den Geopark besichtigt hat, kann dann hier überprüfen, in wie weit er die kennen gelernten Gesteine im Kopf hat. Hier bestimmt er das Gestein und dann schaut in einer Schublade nach, ob es richtig ist."
Große Verdienste um die Erforschung des geologischen Gebiets Mittelböhmens hat sich der französische Ingenieur Joachim Barrande erworben. Er hat die Formation, die nach ihm später benannt wurde, in einem 22bändigen wissenschaftlichen Riesenwerk beschrieben. Wie kam er eigentlich nach Böhmen? Davon erzählt Jirí Zápotocký:
"Joachim Barrande war ursprünglich ein Bauingenieur, der in Frankreich Straßen und Brücken baute. Er wurde 1799 geboren. Die Frage ist, warum er eigentlich nach Böhmen kam? Er war nämlich nicht nur ein gebildeter, sondern auch sehr kultivierter Mann und wirkte als Erzieher des Enkels des französischen Königs Karls X., Heinrich von Bourbon. 1830 brach wie bekannt die Revolution in Paris aus, bei der die Bourbonen gestürzt wurden. Sie emigrierten zunächst nach Großbritannien, wo Barrande anfing, sich für die Paläontologie zu interessieren."
Danach nahm die französische Königsfamilie die Einladung des österreichischen Kaisers Franz I. nach Prag ein. Der Kaiser saß in Wien, die Prager Burg war leer, und so kam Barrande 1832 nach Böhmen.
"Prag war bereits seit dem 18. Jahrhundert durch Funde von interessanten Fossilien bekannt. Barrande fand bei seinen Spaziergängen im Prokop-Tal, in Hlubocepy usw. schöne Versteinerungen. Zu seiner endgültigen Entscheidung für Paläontologie kam es, als sich die Fürstenberger aus der Burg Krivoklát an ihn wandten. Er sollte Möglichkeiten für den Bau einer Eisenbahn aus Krivoklát nach Pilsen untersuchen, wohin sie Holz befördern wollten. Barrande fand dort, in Skryje, so viele wertvolle Versteinerungen, dass er sich entschlossen hat, die ganze Umgebung, die Gegend zwischen Prag und Pilsen und noch weiter zu erforschen. Er blieb hier weitere 50 Jahre, bis zu seinem Lebensende."