Gericht spricht Rekordentschädigung für Geburtsfehler zu
Eine Familie aus Prag erhält ein Schmerzensgeld in Höhe von 30 Millionen Kronen (umgerechnet 1,1 Millionen Euro), weil ihr fünf Jahre altes Kind seit einem Geburtsfehler gelähmt und taubstumm ist. Das hat ein Prager Bezirksgericht am Montag entschieden. Es ist die höchste Summe, die Eltern in einem solchen Fall jemals in Tschechien zugesprochen wurde.
„Vojtěch kann nicht weinen, kann nicht lachen. Wir erkennen nur, wenn er zufrieden ist. Am besten fühlt er sich, wenn man ihn in den Armen wiegt – dann ist er ruhig. Das ist alles. Wir sind froh, wenn wir erkennen, dass ihm nichts wehtut.“
Bei der Geburt von Vojtěch kam es zu unerwarteten Komplikationen, auf die nach Ansicht des Gerichts nicht angemessen reagiert wurde. Die Familie versuchte zunächst eine außergerichtliche Lösung auszuhandeln. Nachdem diese nicht zustande kam, wandte sie sich an ein Gericht. Sie forderte zunächst 18 Millionen und nach einem Revisionsgutachten 30 Millionen Kronen als Schadensersatz. Die Richterin des Gerichts im zehnten Prager Stadtbezirk, Andrea Dobřichovská Gedeonová, hat nun der Forderung der Familie entsprochen:
„In diesem Fall handelt es sich um ein zerstörtes Leben gleich nach der Geburt. Das Kind hatte nie die Möglichkeit und wird nie die Möglichkeit haben, ein normales Leben zu führen. Die Summe ist der Schädigung des Kindes angemessen.“Die Klinik erwägt in Berufung zu gehen. Ihr Rechtsanwalt Miroslav Bartoň:
„Die geltende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besagt, dass für die Schädigung des Lebens zehn Millionen Kronen eine angemessene Summe sind.“
Der Arzt, der die Geburt medizinisch begleitete, war damals 29 Jahre alt. Er absolvierte in der Klinik ein Praktikum und hatte so gut wie keine Erfahrungen. Nach dem Unglück wurde er zu zwei Jahren Berufsverbot auf Bewährung verurteilt, im vergangenen Jahr hat ihn das Gericht indes freigesprochen. Für den Geburtsfehler muss sich nun die Klinik als solche verantworten.Die Praxis, dass nur ein junger Arzt die Geburt eines Kindes medizinisch begleitet, bezeichnet der Direktor der Uni-Klinik in Hradec Králové, Roman Prymula, als nicht adäquat:
„Das ist nicht üblich. In diesem konkreten Fall kam es sicher deshalb zu den vielen Fehlern, daher wurde auch ein solches Urteil gefällt.“
Völlig anders bewertet der stellvertretende Leiter der Tschechischen gynäkologischen Gesellschaft, Vladimír Dvořák, das Vorgehen.„Das ist so üblich. Üblich ist auch – und soweit ich weiß, wird es in den Medien stark propagiert – dass überhaupt kein Arzt bei der Geburt anwesend ist. Bei normalen Geburten hilft sehr oft nur die Hebamme. Die Tatsache, dass nur ein Arzt ohne Approbation dabei war, ist keinesfalls ein Fall non lege artis, ein solches Vorgehen entspricht den Vorschriften.“
Beide Ärzte sind sich jedoch einig darüber, dass die vom Gericht zuerkannte Entschädigungssumme sehr hoch sei. Dvořák zufolge handle es sich um einen Präzedenzfall, der künftig für Ärzte und Patienten gefährlich sein könnte. Das sieht Roman Prymula ähnlich:„Der Gerichtsbeschluss kann zum Präzedenzfall werden. Die Summe ist zweifelsohne hoch, es ist die höchste Summe, die bislang einem Patienten zugesprochen wurde. Die Kliniken sind für solche Fälle versichert. Diese Summe liegt beim Maximum dessen, was die Versicherung zahlt. Das heißt, dass die Versicherungsvereinbarung daraufhin gekündigt wird.“