Gesamtausgabe als Geschenk zum 100. Geburtstag von Bohumil Hrabal?
Bohumil Hrabal ist einer der bedeutendsten tschechischen Autoren des 20. Jahrhunderts, er hat Werke wie „Sanfte Barbaren“ oder „Ich habe den englischen König bedient“ geschaffen. Seit zwei Wochen nun taucht sein Name wieder vermehrt in den Feuilletons tschechischer Medien auf.
„Bohumil Hrabal wurde am 28. März geboren, und im kommenden Jahr wird sein 100. Geburtstag begangen. Das ist meiner Meinung nach ein guter Grund, sich ein Geschenk für ihn auszudenken. Und das beste Geschenk für einen Schriftsteller ist doch, seine Gesamtwerke herauszugeben. Wir wollten mit der Initiative darauf hinweisen, dass es eigentlich schon eine Gesamtausgabe gibt. Es ist ein großes Unternehmen, gesammelte Schriften herauszugeben, und das kann sich wohl kein Verleger in Tschechien derzeit leisten. Wir wollten daher anständige Firmen und Personen ansprechen, für die eine Summe von zwei Millionen Kronen (80.000 Euro) kein Problem ist und die solch eine Sache unterstützen möchten.“
Bei der Gesamtausgabe handelt sich um 19 Bände, die allerdings in den Buchläden längst vergriffen sind. Daher sollen diese Bücher nun neu aufgelegt werden:„Es handelt sich um jene Ausgabe, die Václav Kadlec zusammen mit Bohumil Hrabal ab 1991 in seinem Verlag Pražská imaginace herausgegeben hat. Er war ein Freund von Hrabal und war von diesem direkt angesprochen und aufgefordert worden, sich um die Gesamtausgabe zu kümmern. Der letzte Band erschien 1997, im Todesjahr von Bohumil Hrabal. Es steht also eine Gesamtausgabe zur Verfügung, die von einem renommierten Redaktionsteam und von großen Persönlichkeiten der Literaturwissenschaft erarbeitet wurde. Nun geht es darum, sie wieder in die Buchläden zu bringen, wo sie in den 1990er Jahren schon einmal war.“
Václav Kadlec war ein enger Freund von Bohumil Hrabal. Bereits in den 1980er Jahren druckte er in seiner Wohnung Texte von Hrabal im Selbstverlag. An diese Arbeit im Untergrund konnte er nach der Wende mit dem offiziellen Verlag Pražská imaginace anknüpfen. Die Verlagsarbeit wird auch von Filmregisseur Jiří Menzel hoch geschätzt. Menzel ist bekannt für seine zahlreichen Hrabal-Verfilmungen, und er hat für seinen Streifen „Liebe nach Fahrplan“ sogar einen Oscar erhalten:
„In seiner Edition ist kein einziger Buchstabe verlorengegangen. Und darüber hinaus herrscht in der Edition Ordnung, und das ist bei Hrabal ziemlich schwer zu bewerkstelligen.“
Der Schriftsteller selbst beschreibt in einem Dokumentarfilm aus dem Fernseharchiv, wie schwer die Arbeit an der Edition gewesen war:„Zunächst bin ich der Dichter. Alles kommt heraus wie bei einem Wolkenbruch. Und dann muss ich Kritiker werden. Ich schneide mit einer Schere und gruppiere immer wieder die Abschnitte um. Ich füge etwas hinzu, ich schiebe den Anfang an das Ende oder umgekehrt. Ich spiele mit dem Text wie ein Regisseur, der mit dem spielt, was die Jungs hinter der Kamera produzieren.“
In tschechischen Buchhandlungen gibt es heute viele Bücher Hrabals. Eine Gesamtausgabe aber fehlt. Tomáš Weiss:„Es ist sogar so, dass die einzelnen Bücher, die schrittweise erschienen sind, sofort vergriffen waren. Bereits im Jahr 1997, als die Gesamtausgabe mit dem letzten Band abgeschlossen wurde, war sie eigentlich nur noch ein Torso, weil einige frühere Titel nicht mehr zur Verfügung standen. Derjenige, dem es gelungen ist, alle 19 Teile zu erwerben, der kann sich glücklich schätzen.“
Die Initiative zur erneuten Herausgabe der 19 Bände wurde bereits von Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland unterzeichnet:
„Ich habe Personen angesprochen, die eine enge Beziehung zu Bohumil Hrabal hatten oder mit seinem Werk irgendwie verbunden sind. Zu den Signataren gehören unter anderem der Filmregisseur und Hrabal-Freund Jiří Menzel, Schauspielerinnen und Schauspieler aus seinen Filmen wie Magda Vašáryová, Václav Neckář und Josef Sommer sowie Schriftsteller, die sich von Hrabal inspirieren ließen, wie Jáchym Topol und Emil Hakl. dazu kommen Literaturwissenschaftler und Übersetzer aus dem In- und Ausland, die große Kenner von Hrabals Werken sind.“ Die Bücher brauchen nur kosmetische Änderungen und Korrekturen, die den aktuellen Stand der Sprachentwicklung in Betracht ziehen, beziehungsweise eine neue graphische Gestaltung der Werke. Dazu ist eine Summe von etwa 80.000 Euro nötig. Nach der Veröffentlichung der Initiative stellte sich jedoch heraus, dass Geld nicht das größte Problem einer neuen Gesamtausgabe sein werde.„Nun hat sich ein anderes Problem neben der Finanzierung in den Vordergrund geschoben, und zwar die Urheberrechte. Zurzeit besitzt der Verlag Mladá fronta die Rechte für Hrabals Werke. In diesem Verlag erscheinen einzelne Bücher von Hrabal. Um das Gesamtwerk auf einmal herausgeben zu können, wäre eine gewisse Großzügigkeit und das Entgegenkommen mehrerer Seiten nötig. Im Moment sieht es aber so aus, dass Mladá fronta die Gesamtausgabe, die von Václav Kadlec noch zu Hrabals Lebzeiten und unter dessen Aufsicht zusammengestellt wurde, nicht herausgeben will. Der Verlag will seine eigene Variante publizieren, wobei es sich eher um eine Auswahledition handeln würde. Und er will für kein weiteres Projekt die Rechte zur Verfügung stellen.“
Das bestätigt Tomáš Černý vom Buchverlag Mladá fronta:„Wir bereiten seit mehr als einem Jahr ein großes Projekt vor. Es wird sich um eine Ausgabe von mehreren Bänden handeln.“
Tomáš Weiss gesteht, vor der Veröffentlichung der Initiative einen Fehler gemacht zu haben. Er hätte sich mit dem Mladá-fronta-Verlag verständigen sollen:
„Grund dafür war, dass mir der Herausgeber der Gesamtausgabe versichert hatte, niemand habe sich für seine Schriften interessiert. Und es wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen, dass ein so renommiertes Verlagshaus wie Mladá fronta die gesammelten Werke von Hrabal herausgeben möchte, ohne jenen Menschen zu kontaktieren, der sie bereits einmal zusammengestellt hatte.“
Tomáš Weiss hat die Sache nun aber in Gang gesetzt. Und die Entwicklung könnte in zwei Richtungen laufen:„Der Verlag Mladá fronta wird es sich hoffentlich überlegen. Man wollte dort zunächst nur einen Torso herausgeben. Hoffentlich kommt man nun zum Schluss, dass ein kleiner Schritt ausreichen würde, um sich mit Václav Kadlec zu einigen und die komplette Gesamtausgabe herauszugeben. Das wäre die beste Entwicklung. Die schlechtere Variante wäre, dass sich alle Seiten hinter ihren Positionen verschanzen und vergessen, worum es eigentlich geht. Es geht doch darum, eine vernünftige Gesamtausgabe von Bohumil Hrabal in die Buchhandlungen zu bringen. Ich rechne immer noch fest damit, dass am 28. März 2014 die Bände einer originellen, redlichen und kompletten Gesamtausgabe auf den Buchladentheken liegen werden.“