Geschlossene Wochenmärkte – existenzbedrohte Bauern

Bauernmarkt (Foto: Ladislav Bába, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Wochen- und Bauernmärkte mit frischem Obst und Gemüse haben sich in den vergangenen Jahren auch überall in Tschechien etabliert. Doch seit dem 10. März dürfen diese Märkte nicht mehr abgehalten werden, das ist eine der Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen das Coronavirus. Deswegen stehen nun zahlreiche kleine landwirtschaftliche Betriebe vor dem Aus. Bauern und Marktbetreiber fühlen sich aber diskriminiert gegenüber den Handelsketten.

Bauernmarkt  (Foto: Ladislav Bába,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Radka Šťastná  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Der Bauernhof Šťastné saláty (Glückliche Salate) liegt in der Nähe von Mělník in Mittelböhmen. Und jetzt im Frühjahr ist das Lager endlich wieder voll…

„Weißkohl, Wirsing, Mohrrüben, Sellerie, Petersilie und Chinakohl“, zählt die Chefin Radka Šťastná unter anderem auf. Sein Gemüse verkauft der Familienbetrieb regelmäßig auf drei Märkten in Prag.

„Wir sind traurig über das Verbot. Denn wir wissen nicht, was wir machen sollen. Auf den Feldern lacht uns das Gemüse an, aber wir müssen es wegsperren“, so Šťastná.

Jiří Sedláček  (Foto: Archiv des tschechischen Landwirtschaftsministeriums)
Laut den Schätzungen des Verbandes privater landwirtschaftlicher Betriebe sind durch die Coronakrise bis zu 40 Prozent der Kleinbauern in Tschechien in ihrer Existenz bedroht. Dabei verstehen sie und die Marktbetreiber nicht, warum Lebensmittelläden offen sind, aber an Ständen im Freien nicht verkauft werden darf. Jiří Sedláček war Vorreiter beim Aufbau der sogenannten Bauernmärkte in Tschechien und leitet heute den entsprechenden Verband. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks verglich er die Situation hierzulande mit der in den Nachbarländern:

„Viele europäische Städte – beziehungsweise die Regierungen in den jeweiligen Ländern – haben den Betrieb von Wochenmärkten nicht verboten. Denn sie halten diese für einen wichtigen Weg, um die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen. Wir haben uns beispielsweise von Berlin und Wien bestätigen lassen, dass die dortigen Märkte auch während der Coronakrise abgehalten werden können.“

Karel Havlíček  (Foto: ČTK / Michal Krumphanzl)
Die tschechische Regierung hat sich aber dagegen entschieden. Warum eine Ansteckungsgefahr in einer Warteschlange im Geschäft jedoch geringer sein sollte als draußen an der frischen Luft, konnte auch Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček (parteilos) nicht überzeugend erklären:

„Uns geht es um die Gesundheit der Menschen, und wir müssen uns nach den Empfehlungen der Epidemiologen und der Mediziner richten. Während im Supermarkt der Verkauf wenigstens zum Teil koordiniert abläuft, auch zum Beispiel desinfiziert wird, wollten wir draußen eine Grüppchenbildung von Menschen vermeiden.“

Jiří Sedláček hält die Entscheidung jedoch für diskriminierend. Er hat deswegen einen Brief geschrieben an Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos) und die Leiterin des staatlichen Gesundheitsamtes, Jaroslava Rážová. In dem Schreiben sichert er den zuständigen Stellen konkrete Hygienemaßnahmen zu…

Bauernmarkt am Prager Moldauufer
„Es würde sich um einen Verkauf ausschließlich aus dem Lieferwagen heraus handeln. Dabei wird der Sicherheitsabstand zwischen Verkäufer und Kunden eingehalten, zwischen ihnen steht ein Pult. Für die Schlangen würden Abstandsmarken auf den Boden geklebt. Außerdem wollen wir Desinfektionsmittel bereitstellen, und natürlich wird sich an die Mundschutzpflicht gehalten“, so Sedláček.

Zudem soll anstatt Bargeld eine Zahlung mit Karte bevorzugt werden, erläuterte Sedláček. Eine Antwort vom Gesundheitsministerium habe er noch nicht erhalten, gestand der Marktbetreiber am Donnerstagvormittag. Doch seinen Worten nach drängt die Zeit:

„Am Prager Moldauufer zum Beispiel, wo der wohl bekannteste Bauernmarkt abgehalten wird, verkaufen übers Jahr gerechnet 300 Familienbetriebe ihre Produkte. Und diese kleinen Bauernhöfe können sich nicht mit alternativen Vertriebsformen wie Hauslieferungen oder Onlinehandel über Wasser halten. Denn auf diese Weise kann nur ein marginaler Teil abgesetzt werden, außerdem ist dies sehr zeitaufwendig.“

Autor: Till Janzer
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