Gesund und jung zu sein ist besser als alt und krank – auch in Tschechien

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Würden sich alle in Prag lebenden Senioren zum selben Zeitpunkt entscheiden, den Antrag auf einen Platz im Altersheim zu stellen, hätte nur jeder 72. Antragssteller die Chance. In dieser Feststellung spiegelt sich die durchaus unerfreuliche Situation im Bereich der Alterspflege nicht nur in Prag, sondern auch außerhalb der Hauptstadt wider. Ähnliches gilt aber auch für den Bereich der Fürsorge für Langzeitpatienten, bei denen es sich in der Mehrheit um bejahrte Menschen handelt. Eine entsprechende Einrichtung zu finden ist hierzulande ebenfalls ein chronisches Problem. Für die nun folgende Ausgabe der Sendereihe Forum Gesellschaft hat sich Jitka Mladkova mit einem Sachkundigen direkt aus der Branche unterhalten.

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Im Diagnostischen und therapeutischen Zentrum im 4. Prager Stadtbezirk, kurz DTC, in dem derzeit insgesamt 23 fachmedizinische Dienstleistungen angeboten werden, ist auch eine stationäre Einrichtung zu finden. Diese kann man als einen kleinen Tropfen im existierenden Bedarfsmeer bezeichnen, zugleich aber auch als ein Beispiel der nach der Wende 1989 sich mannigfaltig entwickelnden medizinischen Pflege hierzulande. Um einige Parameter dieser Einrichtung, die - wie viele andere in Tschechien auch - mit Problemen des Personalmangels zu kämpfen hat, bat ich den Chefarzt Ladislav Aschenbrener:

„Wir haben zwei Abteilungen mit je 30 Betten - die eine für die so genannte postakute Pflege und die andere dient der Langzeitbehandlung. Für jede Abteilung ist ein Krankenschwesternteam zuständig, das mit dem mittleren und niedrigeren medizinischen Personal besetzt ist. Hier haben wir aber leider Probleme, weil es am medizinischen Personal mangelt. Bei uns fehlen kontinuierlich eine oder zwei Krankenschwestern und zwei bis drei Hilfskräfte.“

Hierzu gehören auch zwei Physiotherapeuten, die sich um die Patienten kümmern. Die Mehrheit der Patienten sind Senioren. Sind es Menschen, um die sich ihre Familien nicht kümmern können?

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„Auf die Abteilung der NP werden Patienten, die vorher als akute Fälle in einem normalen Krankenhaus behandelt wurden, für eine entsprechende Zeit verlegt, bis sie wieder in die häusliche Pflege zurückkehren können. In der anderen Abteilung ist die Situation etwas anders. Es handelt sich zumeist um bettlegrige Patienten, die bei uns länger bleiben, drei Monate oder auch länger. Es ist oft problematisch, sie anschließend irgendwo zu platzieren. Die meisten Familien sind aber nicht in der Lage, sich selbst um ihre alten Angehörigen zu kümmern. Viele Patienten brauchen ganztägige Pflege, doch ihre Verwandten sind entweder beruflich gebunden oder sind schon älter und haben selbst Gesundheitsprobleme. Einen freien Platz in einer Sozialpflegeeinrichtung zu finden, ist aber problematisch.“

Beide stationäre Abteilungen im DTC bieten ihren Patienten einen etwas höheren Pflegestandard, als es bisher in vielen staatlichen Heileinrichtungen der Fall ist. Doktor Aschenbrener macht einen kleinen Vergleich:

„Ich glaube, unsere beiden Abteilungen gelten im gewissen Sinne als eine Ausnahme. In anderen vergleichbaren Einrichtungen gibt es zum Beispiel Zimmer für relativ viele Patienten – fünf, sechs oder auch mehr. Nicht immer bilden sie einen Teil einer größeren medizinischen Anstalt und dann bedeutet es, dass verschiedene physikalische oder Laboruntersuchungen in begrenztem Umfang durchgeführt werden können. Sie sind aber trotzdem dringend nötig, weil sie im Prinzip die Fortbehandlung ermöglichen.“

In Tschechien gibt es keine Pflegerversicherung wie zum Beispiel in Deutschland. Im Januar 2007 ist aber ein novelliertes Gesetz zur Sozialpflege in Kraft getreten, auf dessen Grundlage die pflegebedürftigen Bürger eine finanzielle Unterstützung beantragen können, maximal etwa 11.000 Kronen, umgerechnet rund 350 Euro, die sie für die Bezahlung einer Form der häuslichen Pflege ausgeben können. Droht einer stationären Einrichtung wie der im DTC, in der die Patienten zwischen 100 bis 350 Kronen pro Tag zuzahlen müssen, dass die Patienten lieber zu hause bleiben? Eine Frage an den Chefarzt:

„Nein, davor haben wir keine Angst. Es ist bekannt, dass mit den Zahlungen der Pflegeleistungen Probleme verbunden sind. Viele Menschen, die schon früher Pflegegeld bezogen und gemäß dem neuen Gesetz einen neuen Antrag stellen mussten, haben seit mehreren Monaten kein Geld vom Staat erhalten. Und bei denjenigen, die ihr Pflegegeld bekommen, reicht es nicht aus, um einen Pfleger rund um die Uhr zu bezahlen. Die häusliche Pflege kann kaum jemand in dem Umfang gewährleisten, wie es in einer spezialisierten Einrichtung möglich ist.“

Wie würden Sie sich ein optimales Pflegesystem vorstellen, in dem es genug Pflegeeinrichtungen unterschiedlicher Art gibt?

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„Die Vorstellung ist sehr einfach. Es mangelt im Prinzip an Sozialbetten. Bei der postakuten Rehabilitation oder Langzeitbehandlung handelt es sich um medizinische Einrichtungen, in denen auch ärztliche Dienstleistungen gewährleistet werden. Ein Arzt ist dort meistens 24 Stunden am Tag präsent und außer ihm auch Fachkrankenschwestern. Es passiert aber oft, dass es für Patienten, die keine medizinische Versorgung mit häufigen Konntrollen mehr brauchen, dabei aber gepflegt werden müssen, keine so genannten ´gesundheitlich-sozialen´ Betten gibt. In absehbarer Zeit wird sich kaum etwas daran ändern.“

Und wie sieht Ladislav Aschenbrener die Möglichkeit, eine Pflegeversicherung wie in Deutschland einzuführen?

„Meiner Meinung nach ist es nicht der geeignete Weg für Tschechien. Die Einkommen der Menschen sind nicht ausreichend hoch, damit sie noch eine weitere Versicherung bezahlen können.“

Auf die Frage, ob er einen Ausweg aus der eher unerfreulichen Situation sieht, gibt Doktor Aschenbrener eine wenig optimistische Antwort:

„Es hängt davon ab, wieviel der Staat in diesen Bereich investieren will und ob notwendige Quellen für den Ausbau des Netzes der Senioreneinrichtungen mit einer ausreichenden Bettenkapazität gefunden werden. Über diese Finanzmittel, denke ich, verfügt der Staat derzeit nicht.“