Gewerkschaften protestieren gegen Korruption – „Verfall der Moral beginnt bei den Spitzen der Politik“

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Das Verhältnis zwischen Regierung und Gewerkschaften ist in Tschechien oft nicht einfach. Auch die derzeitige Mitte-Rechts-Koalition schießt scharf gegen die Arbeitnehmervertreter, wird aber von ihnen aufgrund ihrer Reformen auch massiv unter Beschuss genommen. Am Freitag schalten sich die Gewerkschaften mit einer Demonstration auch in die Diskussion um die Korruption in Tschechien ein.

Bohumír Dufek  (Foto: ČTK)
Sie häufen sich in letzter Zeit: Demonstrationen in Prag. Und an der Spitze der Proteste stehen meistens die Gewerkschaften. Als Institution werden sie hierzulande oft als Relikt aus der kommunistischen Zeit wahrgenommen – und dementsprechend belächelt. Trotzdem gelang es ihnen in den letzten Monaten, immer wieder große Protestveranstaltungen zu organisieren. Nun wollen sie wegen der vielen Korruptionsfälle in Wirtschaft und Politik vor das Parlament ziehen. Bohumír Dufek vom Gewerkschaftsdachverband ASO:

„Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass der Verfall der Moral bei den Spitzen unserer Politiker beginnt, bei unserer Regierung einschließlich der Parlamentarier und der Parteien.“

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Diese Vorwürfe wollte Premier Nečas allerdings nicht unkommentiert lassen. Er fand nach der Regierungssitzung am Mittwoch deutliche Worte:

„Die, die jetzt auf einmal Anti-Korruptionsinitiativen gründen, erinnern mich an diejenigen, die Anfang Mai 1945, als es klar war, dass der Krieg gewonnen wird, ihre Seele als Partisanen entdeckt haben.“

Und der Premier führte weiter aus, warum er die Initiative der Gewerkschaften zum jetzigen Zeitpunkt für opportunistisch hält:

Jaroslav Pejša
„Diese Regierung hat eine klare Anti-Korruptionsstrategie. Die Schritte der Regierung in diese Richtung, davon bin ich überzeugt, haben den Raum für Korruption in diesem Land verkleinert. Die Situation ist deutlich besser als vor zwei oder drei Jahren.“

Eben daran glauben die Gewerkschafter nicht. Ihrer Meinung nach ist der Kampf gegen die Korruption weit von einem Sieg entfernt. Und damit seien sie nicht alleine, so der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft, Jaroslav Pejša:

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„Wenn der Premier glaubt, der Kampf sei gewonnen, dann nimmt er die Gegenwart nicht wahr. Die Menschen haben eine völlig andere Meinung. Das Tschechische Fernsehen hat in einer soziologischen Umfrage zum 17. November ermittelt, was der größte Grund für die Unzufriedenheit der Menschen ist – es ist die Korruption.“

Trotz der gegenseitigen Anfeindungen sind beide Seiten aber durchaus auch in der Lage, gemeinsam am Verhandlungstisch Platz zu nehmen. So konnten sich gerade Dufek und Nečas diese Woche auf neue Richtlinien zum Vorruhestand einigen.