Gläserne Politiker erfreuen gelangweilten Nachrichtenredakteur
1. Juli, Spätnachmittag. Nachrichtendienst. Ich hänge also vor diesem Ticker und versuche die Spreu vom Weizen zu trennen, das Wichtige vom Unwichtigen, das Informative vom Belanglosen. Die Presseagentur ČTK hilft einem ein bisschen dabei. Es gibt Schlagworte in der Kopfzeile und wichtige Meldungen sind gelb markiert. Ich sitze also immer noch vor dem Ticker, da trudelt zur besten Teetime eine gelbe Meldung ein. Schlagworte: „Tschechische Republik, Abgeordnetenhaus, Gesetz, Regierung, Senat.“ Mein und sicherlich auch Ihr erster Gedanke, verehrte Hörerinnen und Hörer: wichtig!
Ein echter finanzieller Langweiler ist dagegen Senats-Chef Přemysl Sobotka: keine Schulden, keine Nebeneinkünfte über Limit, keine verdächtige unternehmerische Tätigkeit, keine Immobilienanschaffungen. Über diesen kleinlichen Gelddingen schwebt auch der edle Außenminister Karel Schwarzenberg. In der Spalte „Nebeneinkünfte und Geschenke“ hat er nur einen Haushaltsgegenstand eingetragen: einen Teppich vom Aserbaidschanischen Botschafter. Angegebener Wert: 13.000 Kronen. Wenn es sich aber um einen Teppich der fliegenden Art handelt, was Schwarzenberg vielleicht verschwiegen hat, dann hätte der natürlich unschätzbaren Wert. Ach ja, der frühere Schauspieler und jetzige Abgeordnete Vitězlav Jandák hat auch Einkünfte aus dem Märchenreich. Damals war er einer der Strumpfhosen-Kumpels des Prinzen von Aschenputtel. Sie wissen schon, der tschechoslowakische Weihnachtsklassiker mit den drei Nüssen. Für die alljährliche Wiederholung bekommt er 21.000 Kronen vom Tschechischen Fernsehen.
Aber, wo ich jetzt so viel aus dem Nähkästchen geplaudert habe, frage ich mich doch: Wen? Wen interessiert das? Außer natürlich einen gelangweilten Nachrichtenredakteur vom Tschechischen Rundfunk.