„Glücklich über das Repertoire in Prag“: Erster Solotänzer des Nationaltheaters Paul Irmatov

Paul Irmatov in Romeo und Julia

Paul Irmatov ist der erste Solotänzer des Balletts des Prager Nationaltheaters. Er wuchs in Deutschland auf und studierte dort auch. Vor fünf Jahren ist er Mitglied des Prager Ballettensembles geworden. Martina Schneibergová hat mit dem Künstler während der feierlichen Eröffnung der Theatersaison auf der Schützeninsel gesprochen.

Herr Irmatov, wie war Ihr Weg auf die Ballettbühne? Sie stammen aus einer Tänzerfamilie. War es schon immer klar, dass Sie einmal Tänzer werden?

„Meine Eltern haben früher selbst getanzt. Als sie 1995 nach Deutschland einwanderten, haben sie weiter den Tanz betrieben und später eine Ballettschule eröffnet. Sie haben mich quasi immer an den Ohren ins Ballettstudio gezogen. Ich musste immer trainieren, aber ich wollte es nie professionell machen. Als mein Bruder nach Hamburg zur Ballettschule von John Neumeier ging, war für mich klar, dass dies auch mein Beruf ist.“

Sie haben in München studiert. Vorher lebten Sie in Gera…

Paul Irmatov | Foto: aus dem Archiv von Martina Schneibergová

„Ich bin in Gera aufgewachsen und habe dort bei meinen Eltern die ganze Zeit trainiert. Ich wurde größtenteils von meinem Vater ausgebildet. Später ging ich nach München, an die Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater. Dort war ich zwei Jahre, habe meinen Bachelor of Arts abgeschlossen und bin danach hierher nach Prag gezogen.“

Haben Sie Prag vorher schon gekannt? Oder war das Ihre erste Begegnung mit der tschechischen Hauptstadt?

„Das war wirklich meine erste Begegnung mit der Stadt.“

Hatten Sie damals Angebote auch von anderen Theatern bekommen?

„Ich habe bei ein paar Vortanzen mitgemacht und auch einige andere Jobangebote bekommen. Aber Prag hatte am meisten Perspektive.“

Was war Ihre erste Rolle, die Sie in Prag tanzten?

„Die erste Vorstellung war ,La Fille mal gardée‘, da stand ich in der Tänzergruppe. Die erste große Premiere hatte ich beim Abend mit Choreografien von Jiří Kylián. Und meine erste große Rolle war Lenski in ,Onegin‘ von John Cranko.“

Paul Irmatov als Lenski | Foto: Martin Divíšek,  Nationaltheater Prag

Kannten Sie diese Rollen schon vorher?

„Das sind weltbekannte Rollen und Choreografien, und ich bin sehr glücklich, dass wir so ein Repertoire in Prag haben. Denn die meisten Tänzer träumen nur von diesen Stücken.“

Vor mehr als einem Jahr wurden Sie zum ersten Solotänzer ernannt, nachdem Sie die Titelrolle in ,Romeo und Julia‘ gegeben hatten. War das für Sie eine Überraschung oder weiß man so etwas vorher?

„Ich dachte, wenn ich befördert werde, dann werde ich zum Solisten gemacht, weil ich zuvor Demi-Solist war. Aber dass ich die Stufe überspringen werde, das hätte ich nie gedacht.“

„Ich dachte, wenn ich befördert werde, dann werde ich zum Solisten gemacht, weil ich zuvor Demi-Solist war. Aber dass ich die Stufe überspringen werde, das hätte ich nie gedacht. Es war für mich eine große Überraschung, und ich war erst einmal komplett im Emotionschaos. Denn meine Eltern schauten heimlich bei der Vorstellung zu, ohne dass ich davon wusste. Als sie dann auf die Bühne kamen, das war etwas ganz Besonderes für mich.“

Paul Irmatov | Foto: Sergej Gherciu,  Nationaltheater Prag

War das besser, dass Sie nichts von der Anwesenheit ihrer Eltern gewusst haben?

„Ja. Ich mag es überhaupt nicht, wenn meine Familie mir zuschaut. Ich kann mich dann überhaupt nicht entfalten als Tänzer. Denn sie kennen mich als Paul, der ich halt zu Hause bin. Wenn ich dann als Tänzer meine Gefühle zeige, schäme ich mich ein bisschen dafür. Und natürlich will ich sie auch nicht enttäuschen. Deswegen bevorzuge ich es, mein Ding durchzuziehen, und wenn sie zuschauen wollen, dann will ich halt nichts davon wissen.“

Vor kurzem wurden Sie mit dem Preis des Generaldirektors des Nationaltheaters für die besten jungen Künstler geehrt. Bedeutet die Auszeichnung für Sie auch einen weiteren Schritt voran?

„Ja. Das ist eine große Bestätigung. Und ich bin auch sehr dankbar dafür, weil es mir sehr viel bedeutet. Der Beruf des Tänzers ist ein Knochenjob, und man gibt alles dafür. Wenn man dann eine Bestätigung zurückbekommt, dann ist das ermunternd und motivierend. Da hat man viel mehr Kraft weiterzuarbeiten.“

Sie haben inzwischen mit verschiedenen Choreografen zusammenarbeitet. Wer beeindruckte Sie am tiefsten? Haben Sie beispielsweise Marcia Haydée erlebt? Sie tanzte in en 1980er Jahren einmal in Prag, und das war damals ein großes Ereignis…

„Wenn Sie Marcia Haydée ansprechen: Sie hat mich sehr inspiriert, vor allem wie sie ihre Rolle in ,Romeo und Julia‘ getanzt hat. Das ist auf Youtube zu sehen. Marcia Haydée und Richard Cragun haben mich stark inspiriert. Als sie dann nach Prag gekommen ist, hat sie mir viel beigebracht.“

Paul Irmatov in Romeo und Julia | Foto: Sergei Gherciu,  Nationaltheater Prag

Sie tendieren angeblich mehr zum klassischen Ballett als zu modernen Choreografien. Ist man spezialisiert, wenn man in einem Theater arbeitet?

„Es gibt Tänzer, die beides ohne Probleme tanzen können. Dann gibt es Tänzer, die mehr zu klassischen Stücken tendieren, und andere, die viel mehr zum modernen Tanz tendieren. Man muss heutzutage beides gleich gut können. Ich habe in diesem Theater die Möglichkeit, beides zu tanzen und auszuleben. Aber ich bevorzuge klassische Repertoire, weil es für mich viel erfüllender ist.“

Welche Rolle tanzen Sie am liebsten?

„Natürlich ist Romeo die Rolle. Sie zu tanzen, macht Spaß. Man geht auf die Bühne, man wärmt die Bühne auf, tanzt sich so langsam rein, geht die ganzen Emotionen selbst durch und lebt diese Rolle. Es ist einfach wunderbar, Romeo zu tanzen. Aber es hat mir auch sehr gefallen, James in ,La Sylphide‘ zu tanzen. Das war eine ganz andere Erfahrung. Es ist ein altmodisches Ballett, und die Art zu spielen und zu tanzen, ist ganz anders. Das war am Anfang eine Herausforderung, aber im Endeffekt macht es viel Spaß.“

Werden Sie auch im Ballett ,Coppélia‘ tanzen, das nächstes Jahr aufgeführt wird?

„Das weiß ich noch nicht. Ich hoffe es sehr, aber ich weiß es noch nicht.“

Haben Sie schon zuvor Erfahrung mit ,Coppélia‘ gemacht?

„Als ich klein war, wurde ,Coppélia‘ im Theater in Gera aufgeführt. Ich spielte ein Kind des Bürgermeisters. Mein Vater gab den Bürgermeister, und meine Schwester, mein Bruder und ich hatten die Rollen der Kinder. Es war eine kleine Erfahrung mit ,Coppélia‘, jedoch in einer anderen Version als hier.“

Kateřina Hanáčková und Paul Irmatov | Foto: aus dem Archiv von Martina Schneibergová

Haben Sie neben Theaterproben und dem Training auch Zeit für Hobbies?

„Ja, ich gehe gern angeln, mit meinem Hund spazieren und spiele ab und zu Basketball.“

Gibt es eine Traumrolle, die Sie noch nicht getanzt haben?

„Albrecht in ,Giselle‘, würde ich sagen. Leider haben wir dies nicht im Repertoire. Aber eigentlich habe ich schon alles getanzt, was ich mir vorstellen könnte. Was das angeht, bin ich wirklich zufrieden.“

Zu welchen Vorstellungen würden Sie unsere Hörer und Leser in den nächsten Wochen in Prag einladen?

„Wir haben bald eine Premiere, der Abend heißt ,Beyond Vibrations‘. Es sind drei Stücke: ,Frank Bridge Variations‘ von Hans van Manen, ,Moving Rooms‘ von Krzysztof Pastor, und die dritte Choreografie ist ,Fly Paper Bird‘ von Marco Goecke. Das zuletzt genannte Stück feierte vor kurzem seine Premiere in der Wiener Staatsoper. Es ist ein sehr anspruchsvoller Abend. Aber ich empfehle Ihnen, sich ihn anzuschauen.“

Paul Irmatov und Ayaka Fujii in Onegin | Foto: Sergej Gherciu,  Nationaltheater Prag