Goethemedaille an Lenka Reinerova
Am vergangenen Wochenende erhielt Lenka Reinerova in Weimar die Goethemedaille. Mehr dazu hören Sie von Martina Zschocke.
Am 22. März verlieh der Präsident des Goethe-Institutes Inter Nationes im Festsaal des Residenzschlosses Weimar die Goethemedaille an die Schriftstellerin Lenka Reinerova. In den letzten Jahren erhielt sie bereits den Schillerring und wurde Ehrenbürgerin der Stadt Prag. Zur Vielzahl dieser Ehrungen äusserte sie sich während einer Lesung auf der Buchmesse in Prag.
"Ja, das ist irgendwie im Leben ganz merkwürdig: lange passiert gar nichts, dann auf einmal so eine Flut. Und ich kann Ihnen also ganz ehrlich sagen, meine erste Reaktion ist immer ein unendliches Erstaunen. Warum, was für Verdienste, wieso?"
Lenka Reinerova ist die letzte deutschsprachigen Schriftstellerin in Prag. Als Kind jüdischer Eltern ist sie zweisprachig - Deutsch und Tschechisch - aufgewachsen und bezeichnet Deutsch als ihre Muttersprache. Ihre Bücher hat sie - mit einer Ausnahme - zuerst in Deutsch geschrieben. Die meisten davon wurden inzwischen ins Tschechische übersetzt. Hören Sie noch einmal Lenka Reinerova:
"Den Schillerring habe ich bekommen, als Erste sogar. Ich bin mir doch dessen bewusst, ich schreibe doch ein Prager Deutsch, ich schreibe ja kein Deutsches Deutsch. Das freut mich natürlich, dass dieses Prager Deutsch anerkannt wird. Das ist schön."
Lenka Reinerova wurde 1916 in Prag geboren. Als junges Mädchen hatte sie Kontakt zur deutschen Emigrantenszene und wurde vom Schriftsteller und Chefredakteur der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung F.C. Weisskopf als Journalistin angestellt. 1938 floh sie nach Frankreich, wo sie wie viele Emigranten interniert wurde. Dem folgten Jahre des Exils in Casablanca und Mexico. In Mexico arbeitete sie für die tschechische Exilbotschaft und war Weggefährtin so bedeutender Emigranten wie Egon Erwin Kisch und Anna Seghers. Nach Kriegsende kehrte sie mit ihrem Mann, dem Arzt und Schriftsteller Theodor Balk nach Europa zurück. Zunächst lebten sie einige Jahre in Belgrad, bevor sie dann endgültig nach Prag umzogen. Lenka Reinerova sollte die Einzige ihrer Familie sein, die den Holocaust überlebte.
In den frühen 50er Jahren wurde sie Opfer stalinistischer Säuberungen und verbrachte fünfzehn Monate in einem Gefängnis, ohne je einen Grund dafür genannt zu bekommen. Diese neuerliche Gefangenschaft, diesmal von den eigenen Leuten, empfand sie als schwerwiegender und unmenschlicher als ihre Internierungen während des Krieges. Über diese Zeit schrieb sie ein Buch "Alle Farben der Sonne und der Nacht", was Ende März zeitgleich mit der Buchmesse im deutschen Aufbauverlag erschien. Auf diese neuerliche Verhaftung folgte ein Schreibverbot für zwei Jahrzehnte und die Abschiebung in die Provinz.
Inzwischen ist Lenka Reinerova 87 Jahre und international geachtet. Obwohl sie den Schillerring für ihr Lebenswerk erhielt, schriebt sie weiter, was sehr erfreulich ist, da ihre Leserschaft in Deutschland und Tschechien zahlreich ist. Sie selbst zieht es vor, als Erzählerin bezeichnet zu werden, da ihre Geschichten zum Grossteil autobiographisch sind. Zur Verleihung der Goethemedaille äusserte sie sich noch einmal während der Buchmesse in Leipzig.
"Was jetzt mit Goethe zusammenhängt - was also übermorgen geschieht - da freuen mich wieder besonders verschiedene Umstände. Das ist anscheinend die Tradition, dass immer zwei Personen gleichzeitig ausgezeichnet werden, die sich so heisst es, verdient gemacht haben um die deutsche Kultur im Ausland so irgendwie. Und mit mir bekommt es der Schriftsteller Jorge Semprun, den ich als Schriftsteller und vor allem als Mensch, als Persönlichkeit hoch schätze und da bin ich sehr froh, dass ich mit dem zusammen das bekomme."
Wir gratulieren Lenka Reinerova zur Goethemedaille und wünschen Ihr alles Gute und uns weiterhin neue Bücher von ihr.