„Großartige Sänger und Darsteller“ – Hermann Bäumer dirigiert Schostakowitsch-Oper in Prag

Alžběta Poláčková (Katerina Lwowna Ismailowa), Denys Pivnickyj (Sergei)

An diesem Freitag erlebt eine Neuinszenierung der Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ von Dmitri Schostakowitsch in der Prager Staatsoper ihre Premiere. Musikalisch studierte der Dirigent Hermann Bäumer das Werk ein. Martina Schneibergová hat mit ihm nach einer der Proben gesprochen.

Hermann Bäumer | Foto: Felix Broede

Herr Bäumer, Sie dirigieren die Neuinszenierung von „Lady Macbeth von Mzensk“ in der Prager Staatsoper. Zuvor haben Sie schon mehrere Orchesterwerke von Dmitri Schostakowitsch aufgeführt. Ist es das erste Mal, dass Sie diese Oper einstudieren?

„Ja, ich dirigiere diese Oper zum ersten Mal. Ich habe aber sehr viele Werke von Schostakowitsch zunächst im Orchester gespielt. Denn ich war sehr lange auch Orchestermusiker. Danach habe ich ebenfalls viele seiner Werke dirigiert. Man muss aber dazu sagen, dass ,Lady Macbeth von Mzensk‘ ein Stück ist, dass Schostakowitsch als sehr junger Mann komponierte. Das Publikum sowie er selbst hatten das Gefühl, dass er mit dieser Oper seine Sprache gefunden hat. Sie war sehr erfolgreich, aber dann ist sie für viele Jahrzehnte verboten und nicht mehr aufgeführt worden. Es war jedoch Schostakowitsch immer ein großes Anliegen, diese Oper später noch einmal zu hören.“

Wie läuft die Arbeit mit dem Opernensemble, dem Orchester sowie den Solisten?

„Die Zusammenarbeit ist super. Als sie begann, hatten wir einen kompletten Tag musikalischer Proben mit allen Sängern. Das war wunderbar. Sie waren sehr gut vorbereitet. Das Tolle ist, dass es nicht nur großartige Sänger, sondern auch großartige Darsteller sind. Für alle ist es ein Rollendebüt. Es handelt sich um ein sehr komplexes und langes Werk mit sehr vielen verschiedenen Facetten. Aber ich glaube, wir sind auf einem guten Weg, und freue mich auf die Premiere.“

Denys Pivnickij  (Sergei),  Chor der Staatsoper,  Ballettensemble des Nationaltheaters | Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

Ist es für Sie ein Vorteil, dass Sie lange im Orchester gespielt haben? Kann man dann die Musiker besser verstehen?

„Wie alles im Leben hat es einen Vorteil und auch einen Nachteil. Der Vorteil ist, dass man Verständnis für bestimmte Situationen hat. So bekommt man vielleicht bei den Proben schneller heraus, was das Problem ist, was man ändern muss, oder wie man etwas spielen kann. Auf der anderen Seite ist es manchmal ein Nachteil, weil man nicht einfach sagt: ,Ich will das jetzt so.‘ Man darf nie vergessen, dass der Dirigent ja eigentlich zur Aufgabe hat, dass letztlich in der Premiere oder in den Vorstellungen alle Sänger, der Chor und das Orchester ihre beste Leistung bringen können. Das heißt auch, dass man ein bisschen zuhören muss, wie die Sänger sind, was ihnen besonders liegt, welches Tempo für sie gut ist. Das ist immer ein Zusammenarbeiten und nicht einfach ein Diktieren. Ich glaube, da sind wir auch auf einem sehr guten Weg.“

Sie erwähnten, dass die Solisten auch gute Darsteller sind. Ich denke, dies ist speziell bei dieser Oper sehr wichtig. Wie arbeiten Sie mit Regisseur Martin Čičvák zusammen?

Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

„Wir hatten viele Proben, und ich konnte glücklicherweise sehr oft dabei sein. Dabei wurde versucht, den Ansatz des Regisseurs genau herauszufinden oder eben, was die Sänger zum Beispiel an einer Stelle empfinden. Hinzu kommt die Musik, an welcher Stelle die Sänger auf der Bühne stehen, ob sie vielleicht den Dirigenten da sehen müssen und wie das akustisch am besten funktioniert. Das war sehr spannend und sehr interessant. Wir haben ein unglaublich tolles Bühnenbild auf der großen Drehscheibe mit einem Fahrstuhl, der rauf- und runterfährt. Das sind alles Dinge, die man auf einer normalen Probebühne nicht simulieren kann. In den wenigen Bühnenproben müssen die Sänger das, was sie wochenlang geprobt haben, auf die neuen Begebenheiten einstellen. Das dauert manchmal auch ein bisschen.“

Ich nehme an, Sie wurden angesprochen, weil Sie viele Werke von Schostakowitsch kannten. Was war für Sie ausschlaggebend, das Angebot zu akzeptieren?

„Es ist nicht nur so, dass ich viele Werke von Schostakowitsch kenne – sofern man überhaupt sagen kann, dass man ein Werk wirklich kennt. Aber ich fühle auch eine sehr große Nähe zu seiner Musik. Er ist einer jener Komponisten, die ich besonders schätze. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass er Dinge sagt, dabei aber nicht erklärt, wie man sie verstehen soll. Er hat sich natürlich auch bei den frühen Werken hier und da bemüht, sich kritisch über Themen zu äußern. Es gibt eine große Szene mit einem Polizeioffizier, in der die Musik sehr einfach gehalten ist und man vermuten könnte, dass er sich darüber ein wenig lustig macht. Und es gibt teilweise grelle Farben im Orchester, im Wechsel mit ,normalen‘ Stellen. Ich finde wichtig, dass wir die Urfassung spielen. Schostakowitsch hat später noch einige Änderungen vorgenommen, und auch der Text wurde ein wenig geändert, damit es aufgeführt werden konnte. Wenn man das ganze Stück hört, kann man nicht verstehen, wie es damals zu dieser Überschrift ,Chaos statt Musik‘ gekommen ist. Denn es ist so viel verschiedene Musik in dem Stück. Wenn es auf der Bühne zu einer chaotischen Handlung kommt, dann gibt es natürlich auch eine wildere Musik. Aber insgesamt entsteht ein toller Bogen. Schostakowitsch hat in der Zeit, als er die Oper komponierte, ,Boris Godunow‘ von Mussorgski fertig instrumentiert. Ich glaube, man muss ‚Lady Macbeth von Mzensk‘ auch in der Folge des Inhalts von ,Boris Godunow‘ sehen. Denn letztere war für Schostakowitsch eine der wichtigsten Opern und Mussorgski einer der wichtigsten Komponisten. Man erkennt viele Parallelen zwischen den beiden Stücken.“

Hermann Bäumer | Foto: Felix Broede

„Lady Macbeth von Mzensk“ ist mit diesem Opernhaus in Prag verbunden. Denn zwei Jahre nach der Uraufführung – also 1936 – erlebte auch ihre erste Inszenierung in deutscher Sprache Premiere, nämlich im damaligen Neuen Deutschen Theater. Die gegenwärtige künstlerische Leitung des Prager Nationaltheaters und der Staatsoper will an die Geschichte des damaligen Theaters erinnern und sie wiederbeleben. Hatten Sie die Möglichkeit, einige der Vorstellungen zu sehen, die hier aufgeführt werden?

„Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Vorstellungen gesehen – Mozart, ,Rusalka‘, den ,Rosenkavalier‘…Für mich persönlich ist interessant, dass ich die ersten fünf Jahre meines Musikerlebens bei den Bamberger Symphonikern gespielt habe. Das Orchester ist nach dem Zweiten Weltkrieg von Musikern gegründet worden, die teilweise auch aus Prag stammten. Von ihrer Art zu musizieren, von dieser Emotionalität und auch ein wenig von den Klangvorstellungen habe ich natürlich mitbekommen.“

Wie ist Ihre Beziehung zur tschechischen Musik? Ich weiß, dass Sie unter anderem Werke von Josef Bohuslav Foerster gespielt haben…

„Ich schätze die tschechische Musik sehr. Dvořák ist natürlich super. Als ich Musikdirektor war, haben wir auch unbekanntere Stücke von Smetana gespielt. Dann bin ich auf Josef Bohuslav Foerster gestoßen. Er hat fünf Sinfonien geschrieben und war ein fantastischer Komponist – in der Nachfolge von Dvořák und auch Gustav Mahler, mit dem er gut befreundet war. Ich war ein bisschen überrascht, dass diese Sinfonien noch nicht aufgenommen worden sind. Und so haben wir sie mit dem Orchester, dessen Musikdirektor ich war, aufgenommen, was mit dem Echo Klassik Preis ausgezeichnet wurde. Wir hatten Kontakt zur Foerster-Gesellschaft, die die Noten herstellen musste. Das ist mir sehr wichtig, und ich werde die zweite Sinfonie von Foerster in der nächsten Spielzeit noch einmal aufführen.“

Alžběta Poláčková   (Katerina Lwowna Ismailowa),   František Zahradníček  (Boris Timofejewitsch Ismailow) | Foto: Zdeněk Sokol,  Nationaltheater Prag

Kennen Sie Musik von Vítězslav Novák?

„Ich kenne einige Werke von Novák. Bei den Neujahrskonzerten in Mainz oder auch anderen Veranstaltungen versuche ich immer, auch Werke von unbekannteren Komponisten aufzuführen. Wir hatten auch schon etwas von Novák dabei und einige Sätze aus Foersters Suite ,In den Bergen‘. Ich mag Foersters Oper ,Eva‘ sehr, das ist ein fantastisches Stück.“

Kennen und mögen Sie Opern von Bohuslav Martinů?

„Ja, manche Opern sind bekannt. ,Die griechische Passion‘ wird öfter gespielt, aber ,Die Marienspiele‘ werden eher selten aufgeführt. Ich habe das schon oft vorgeschlagen, denn es ist eine fantastische Musik und auch eine fantastische Art von Theater – etwas zwischen Tanz, gesprochenem Wort und Gesang. Ich habe mich aber nie an den Opernhäusern durchsetzen können. In Bamberg haben wir allerdings alle Sinfonien von Martinů aufgenommen, dabei habe ich mitgespielt. Und gesehen habe ich die Opern ,Zweimal Alexander‘ und ,Die Komödie auf der Brücke‘. Diese Kurzopern finde ich auch gut, aber sie haben sich noch nicht so durchgesetzt. Ich werde allerdings in der nächsten Spielzeit meine erste Sinfonie von Martinů dirigieren.“

Die Premiere der Neuinszenierung von „Lady Macbeth von Mzensk“ findet an diesem Freitag, 24. November, in der Prager Staatsoper statt. Die Vorstellung beginnt um 19 Uhr. Die zweite Premiere steht am Sonntag, 26. November, auf dem Programm. Für die beiden Premieren gibt es noch Karten.

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