Grünes Licht für eine tschechisch-sudetendeutsche Annäherung?
Tschechisch-deutsche bzw. tschechisch-österreichische Beziehungen werden seit geraumer Zeit schon vor dem Hindergrund der so genannten Benes-Dekrete geprüft, analysiert, beurteilt. Kurzum diskutiert. Die Problematik ist vor einiger Zeit auch auf die Tagesordnung gelangt, das kürzlich entsprechende Beschlüsse formulierte. Einer, der für die Tschechische Republik von besonderer Bedeutung ist, besagt: die Benes-Dekrete stellten kein Hindernis für den EU-Beitritt Tschechiens dar. Diese Position des Europa-Parlaments macht tschechischen Politikern daher den Weg zur tschechisch-sudentendeutschen Problematik etwas mehr frei. Näheres dazu im folgenden Beitrag von Jitka Mladkova:
Als erster tschechischer Politiker, der nur wenige Tage nach der Veröffentlichung der Position der Europa-Parlaments zu den Benes-Dekreten, die auf dem Gutachten eines unter der Leitung des deutschen Rechtswissenschaftlers Frowein arbeitenden Expertenteams beruht, nahm sich der Problematik an. Im Senatsgebäude traf er vor zwei Tagen mit dem Mitglied des Europa-Parlaments und Vorsitzenden de Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, zusammen. Auf die Frage warum,. Sagte er Radio Prag:
"Im Moment, in dem die mit den Benes-Dekreten verbundene Rechtsfrage einschließlich der Eigentumsverhältnisse geklärt ist, wie es u.a. auch aus den jüngsten Beschlüssen des Europäischen Parlaments hervorgeht, denke ich, dass es an der Zeit ist die gegenseitigen Spannungen zu enttabuisieren, unsere antideutschen Positionen von den alten Mythen zu befreien und miteinander zu reden. Schließlich treffen wir in der Europäischen Union aufeinander, und so müssen endlich die Barrieren beseitigt werden."
In diesem Zusammenhang soll jeder mit jedem sprechen, meint Ruml, und dies sei auch der Grund seines Treffens mit Bernd Posselt gewesen. Beide Politiker wollten eine Geste guten Willens signalisieren. Nach diesem Treffen sprach Jan Ruml von der Möglichkeit, dass Tschechien entsprechend der in den Beschlüssen des Europäischen Parlaments formulierten Aufforderung eine moralische Geste gegenüber den Sudentendeutschen machen könnte. Seiner Meinung nach könnte dies auf der Regierungsebene geschehen. Diese Position scheint aber keine große Unterstützung in der tschechischen politischen Szene zu haben. Der Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses, Lubomir Zaoralek, sieht die aus der Zeit des 2.Weltkrieges herrührende Problematik keineswegs als eine bilaterale, also tschechisch-deutsche Problematik. Außerdem glaubt er nicht, dass eine von Tschechien erwartete einseitige Aussöhnungsgeste einen Schlusspunkt hinter die Schwierigkeiten im tschechisch - sudetendeutschen Verhältnis bedeuten würde. Auf die Frage, ob er glaube, dass eine solche Geste für die andere Seite zufrieden stellend sein könnte, reagierte er in einem Gespräch mit Radio Prag wie folgt:
"Ich will nicht über die Geschichte urteilen und über sie sprechen, um jemanden zufrieden zu stellen. Ich lehne überhaupt diese Denkart ab, ich lehne auch Entschuldigungen ab, zu denen man mich auffordert. Ich selbst rufe auch niemand zu einer Entschuldigung auf, denn entschuldigen kann man sich von sich selbst und nicht erst aufgrund einer Aufforderung. Das ist falsch, da sind wir auf einem falschen Weg."
Was der tschechische Abgeordnetenchef nicht ablehnt, ist eine Deklaration bezüglich der Kriegs- bzw. Nachkriegsereignisse, die mehrere Länder einbeziehen würde. Dazu sagte er:
Nehmen wir gemeinsam eine Stellung zu jenen Ereignissen und versuchen wir diese auch gemeinsam zu beschreiben. Bisher hat eigentlich niemand versucht jenes Geschehen unter Einbeziehung z.B. der Tschechen, Polen, Slowaken, Deutschen, Österreicher und anderer zu beschreiben und in einem Text zum Ausdruck zu bringen, dass es Werte gibt, zu denen wir uns heute bekennen und auf deren Grundlage wir die begangenen Verbrechen bewältigen wollen -also in einem Text, auf den man sich einigen würde, das zu benennen, was eigentlich passiert ist.