Gute Schokolade und soziales Engagement: Die Schokomanufaktur Mana in Krásná Lípa
Schokolade gehört untrennbar zu Weihnachten dazu. Es macht aber einen großen Unterschied, ob man die in Alufolie verpackte Billigvariante aus der Massenproduktion isst oder von Hand zubereitete Pralinen von echten Liebhabern. Letztere gibt es etwa in der Schokoladenwerkstatt Mana in Krásná Lípa / Schönlinde zu erwerben. Am Rande des Schluckenauer Zipfels gelegen, kommen auch viele Menschen aus Deutschland in die Kleinstadt, um sich etwas Süßes zu gönnen. Aber in Krásná Lípa ist nicht nur die Schokolade gut. Mana ist zudem ein soziales Unternehmen, und auf Teamarbeit sowie eine angenehme Arbeitsatmosphäre wird größter Wert gelegt.
Libuše, die hier alle nur Líba nennen, klopft eine Palette mit dunklen Schokoladenpralinen auf einem Brettchen aus. Die ovalen Stücke aus mexikanischem Kakao sind mit einem aztekischen Motiv verziert und kommen, frisch hergestellt, gerade aus dem Kühlschrank. Den ersten Qualitätstest bestehen sie aber nicht ganz. Die Struktur sei nicht glatt genug, urteilt Líba über ihre eigene Arbeit. Also wird die Marge wieder eingeschmolzen – in den Verkauf kommt sie nicht.
Líba ist eine von insgesamt elf Mitarbeitern von Mana. In der Schokoladenmanufaktur hat die Frau eine Beschäftigung gefunden, die sie trotz ihres gesundheitlichen Handicaps ausüben kann. So ist es auch bei Dáša. Sie erzählt, dass es ihr in dem kleinen Betrieb gut gefällt:
„Ich arbeite schon seit vier Jahren hier. Angefangen habe ich mit dem Abwaschen von Geschirr, jetzt gieße ich Schokoladentafeln, verziere und fülle Pralinen. Es ist super.“
Wenn mal etwas daneben geht oder nicht klappt, würden sich alle gegenseitig helfen, berichten die beiden Frauen. Tatsächlich wird bei Mana genau so streng, wie auf die Qualität der Schokoladenprodukte, auf gute Arbeitsbedingungen geachtet. René Paulík, der seit 2020 als hauptverantwortlicher Chocolatier die Rezepturen der Manufaktur erdenkt, erklärt das Prinzip so:
„Es gibt keine Hierarchie. Wir alle haben die gleichen Rechte, die gleichen Pflichten sowie die gleichen Möglichkeiten, uns zu äußern und Entscheidungen zu treffen. Wir sind alle gleichberechtigt, egal ob mit Handicap oder ohne. Und so gehen wir auch miteinander um, denn wir sind auf einer Ebene. Wir entscheiden gemeinsam, welchen Weg die Firma geht. Ob es sich um den Ankauf von Maschinen handelt oder die generelle Weiterentwicklung – alles liegt in der Hand der Menschen, die im Team mitarbeiten. Es gibt keinen General, der Anweisungen gibt.“
Damit wird in der Schokoladenmanufaktur Mana das Prinzip der türkisen Unternehmensführung umgesetzt. Dieses noch recht neue Konzept geht auf den Belgier Frédéric Laloux zurück. Es verfolgt einen holistischen Ansatz, bei dem es nicht primär um Wettbewerb und Gewinn geht, sondern um Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung.
Soziales Engagement als Hauptanliegen
Soziales Engagement war von Anfang an das Hauptanliegen bei Mana. Dahinter steht der kommunale Bildungs- und Hilfsverein Cedr, der in Krásná Lípa eine Notunterkunft sowie ein Trainingscafé betreibt und Streetworker im Einsatz hat. 2014 gründete er zudem die soziale Genossenschaft Cedrovatka, die sich der Schokoladenherstellung widmet. Schon ein Jahr später wurden die ersten Mitarbeiter mit Handicap eingestellt, und seit etwa drei Jahren basiert die Arbeit bei Mana auf selbstverwalteten Teams. Paulík hat großen Anteil an der Umsetzung einer offenen Organisationsstruktur, die er bei seiner Arbeit als Chemielaborant in Deutschland kennengelernt hat. Jedes Teammitglied könne frei entscheiden, auf welche Weise es sich bei der Abwicklung eines Auftrags einbringe, betont Paulík:
„Das erforderliche Ergebnis ist klar: Die Verkaufsvitrine muss gefüllt sein und von neun bis fünf Uhr bedient werden. Daran kann nicht gerüttelt werden. Der Weg dahin liegt aber an jedem selbst. Wer einen Kaffee trinken oder im Park spazieren gehen will, kann das machen, sobald er die Arbeit erledigt hat. Wir haben es selbst in der Hand, uns am Arbeitsplatz gut zu fühlen – das ist das Ziel. Darum feiern unsere Kollegen nicht krank und kommen regelmäßig zur Arbeit. Und darum haben wir kaum personelle Fluktuation.“
Die elf Mitarbeiter bei Mana bilden zusammengenommen acht Vollzeitstellen. Die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse seien dem jeweiligen Gesundheitszustand angepasst, erläutert Paulík. Manche Angestellten haben ein Handicap nach langwierigen Krankheiten, andere wiederum leichte seelische Behinderungen.
Ob voll oder teilzeitbeschäftigt – alle Mitarbeiter haben sich die Fertigkeiten zur Schokoladenherstellung selbst angeeignet. So begann schon die Initiatorin Pavlina Šafusová, die heute im Vorstand von Cedrovatka mitwirkt. Die ersten eigens hergestellten Pralinen präsentierte Šafusová 2012 auf der Landwirtschaftsmesse in České Budějovice / Budweis und legte so den Grundstein für Mana. Heute teilen die Kollegen untereinander Tipps für Lernvideos oder hilfreiche Literatur. All das findet sich im Online-Planungstool, das das Mana-Team für die eigenen Bedürfnisse entwickelt hat. Paulík zeigt auf einem Tablet den Schichtplan, Besucheranmeldungen, Informationen zu den laufenden Aufträgen. Das Online-Tool könne jeder Mitarbeiter von überall aus einsehen und bedienen, und so wisse jeder, was er wann zu tun habe:
„Das Ziel ist maximale Selbständigkeit für alle. Wenn dann doch jemand bei uns aufhört, dann geht er als selbstbewusster Mensch. Aus einer Pflegeeinrichtung kommen die Klienten zerstört hierher, aber von uns gehen sie als Menschen weiter. Ich kann nicht verstehen, warum man in der institutionalisierten Pflege mit ihnen nicht wie mit Menschen umgeht. Dies kann ich so nicht praktizieren, für mich sind es Leute wie alle anderen auch. Und es ist egal, ob sie Einschränkungen nach einer Krebserkrankung haben oder einfach nicht so klug sind wie andere.“
Jede Woche kommen alle Mana-Mitarbeiter zur Teamsitzung zusammen. Dort würden nicht nur praktische Angelegenheiten geregelt, sondern oft auch über das persönliche Befinden gesprochen, berichtet Paulík. Damit bilde man eine Art Therapieteam:
„Allerdings fordern wir Anstand und Rücksichtnahme auf die anderen Kollegen ein. Keiner soll um sich treten oder andere erniedrigen, das wird hier nicht toleriert. Darum durchlaufen neue Bewerber eine Gesprächsrunde mit Allen. Sie müssen unsere Bedingungen akzeptieren. Dazu gehört auch, sich mit den Inhalten zu beschäftigen, sich Dinge anzueignen und sich weiterzuentwickeln, um professionell, aber auch geistig zu wachsen. Eine wichtige Bedingung ist also ein anständiges Verhalten gegenüber den Kollegen und das Anhören ihrer Meinungen. Das eigene Ego muss außen vor gelassen werden.“
Auch vor den Kunden wird nichts verheimlicht. Der Produktionsraum ist durch ein großes Fenster von außen einsehbar, und im Nebeneingang gibt es eine Werkstatt, in der bei Workshops das Geheimnis der Schokoladenherstellung an Kinder und Erwachsene weitergegeben wird. Im Verkaufsraum locken nicht nur hübsch verpackte Pralinen und Tafeln aller Art, sondern zum Beispiel auch mit Kakaobohnen verzierte Socken.
Finanzielle Eigenständigkeit
Dies alles und die Auftragsarbeiten für Firmen generieren die Einnahmen von Mana. Projektmittel werden bewusst nicht beantragt, und staatliche Hilfe wird nur beim Ausgleich der Teilzeitbeschäftigungen für die Mitarbeiter mit gesundheitlichen Einschränkungen in Anspruch genommen. Die finanzielle Eigenständigkeit war den Gründern der Genossenschaft wichtig – und sie funktioniert. Nicht einmal in Pandemiezeiten sei die Manufaktur von staatlicher Unterstützung abhängig gewesen, informiert Paulík stolz:
„Die Gründer von Mana wollten diesen Weg von Anfang an nicht gehen. Und wir gehen ihn auch jetzt nicht. Im Gegenteil, 2020 und 2021 waren die erfolgreichsten Jahre in der Firmengeschichte überhaupt. Unsere Umsätze sind in diesen beiden Jahren um fast 600.000 Kronen (knapp 25.000 Euro, Anm. d. Red.) angewachsen. Und auch jetzt sind schwere Zeiten, aber die Leute kommen trotzdem zu uns.“
Das läge an der offenen Atmosphäre – und natürlich der guten Schokolade, lacht Paulík. Auch in der Vorweihnachtszeit läuft der Verkauf gut. Die meisten Umsätze werden bei Mana aber in der Urlaubssaison im Sommer verzeichnet. Schließlich bildet Krásná Lípa das Tor zum Nationalpark Böhmische Schweiz. Und auch die Grenznähe zu Deutschland mache sich im Kundenkreis bemerkbar, sagt der Chocolatier:
„Aus einem Umkreis von 150 Kilometern kommen die Leute extra wegen unserer Schokolade hierher. Sie machen am Samstag einen Ausflug, kaufen sich etwas Gutes bei uns und machen dann eine Wanderung. Das ist prima. Auch aus Dresden, wo es doch genug Schokoladenmanufakturen gibt, fahren die Leute hierher, um Schokolade zu essen und sich zu unterhalten. Ebenso kommen sie aus Cottbus und aus Zittau – eben aus diesem Teil Sachsens sowie aus dem Erzgebirge.“
Als soziale Genossenschaft ist zudem die Einbindung an den Ort und die unmittelbare Umgebung sehr wichtig. Alle Mana-Mitarbeiter stammen aus dem Schluckenauer Zipfel. Und nicht nur das…
„Wir haben eine enge Beziehung zu unserer Region, und das gilt auch für die Zutaten. Unser Fichtensirup stammt zum Beispiel aus Kytlice, auf der anderen Seite des Hügels. Die meisten Zutaten beziehen wir aus der unmittelbaren Umgebung oder aus dem nordwestlichen Teil des Kreises Ústí nad Labem. Eine Dame aus Děčín etwa liefert uns Fruchtmarmeladen zur Weiterverarbeitung. Wir verarbeiten die Zutaten dann nach unseren Rezepten.“
Fairtrade-Schokolade und natürliche Zutaten aus der Umgebung
Die Schokolade von Mana enthält keine chemischen Zusatz- oder Konservierungsstoffe. Zudem wird für die Zartbitterprodukte Schokolade mit dem Fairtrade-Siegel verarbeitet. Und weil es sich um Handarbeit handelt, hat fast jede Pralinensorte eine andere Form: Würfel, Herzen oder ovale Korpusse sind gefüllt mit Salzkaramell, Moosbeeren, Kirschgeist oder einer Creme aus Esskastanien. Mitarbeiterin Dáša hat ihre eigenen Favoriten:
„Ich darf aus gesundheitlichen Gründen nur dunkle Schokolade essen. Die mag ich vor allem gefüllt, gerne mit Whiskey, Eierlikör oder Kirsche.“
Kollegin Líba schmunzelt dabei. Sie selbst habe zunächst vor allem die weiße Schokolade mit Zimt oder Pfeffer bevorzugt. Aber inzwischen schmeckten ihr auch die dunklen Sorten am besten. Daneben gebe es als Spezialität rosa Schokolade. Die sei aber wirklich nur etwas für Feinschmecker, räumt Líba ein:
„Die rosafarbene Schokolade muss ich nicht haben. Ich stelle sie aber sehr gern her und arbeite gern mit dem Ruby-Kakao. Diese Schokolade ist auf natürliche Weise rosafarben und wird nicht künstlich gefärbt. Es gibt sie erst seit acht oder neun Jahren auf dem Markt. Sie ist nicht süß, sondern schmeckt nach Waldfrucht.“
Ruby-Schokolade könnte also ein Geheimtipp zu Weihnachten sein. Ansonsten fänden sich in der Vitrine bei Mana derzeit natürlich auch Pralinen mit den klassischen Wintergewürzen, führt Chocolatier Paulík aus:
„An Weihnachten bieten wir interessante Sorten an, die es zu anderen Jahreszeiten nicht gibt. Insgesamt haben wir heute 130 bis 140 Produkte im Portfolio, und für weitere gibt es schon keine Kapazitäten mehr. Das Sortiment ist in Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winterpralinen aufgeteilt. Im Winter enthalten sie Ingwer, Lebkuchen und ähnliches, was mit Weihnachten zusammenhängt. Im Frühjahr kommen dann Kräuter zum Einsatz, im Sommer etwas Erfrischendes und Früchte, im Herbst wieder etwas Wärmendes. So ist das Jahr geschmacksmäßig aufgeteilt.“
Beliebt sei im Winter auch die heiße Schokolade, die bei Mana mit echter Sahne angerührt und mit etwas Chili, Ingwer oder Zimt abgeschmeckt werde, so Paulík weiter. Für die Pralinen und Tafeln gelte aber das ganze Jahr über ein wichtiger Grundsatz, fügt Líba noch an:
„Jede Schokolade schmeckt anders. Kakaobäume wachsen in verschiedenen Gegenden, und je nach Sonne, Boden und Verarbeitung hat der Kakao einen anderen Geschmack. Man muss die Schokolade immer im Mund zergehen lassen. Sie hat nämlich bis zu fünf Geschmacksrichtungen. Und dies schmeckt man nur, wenn man sie eine Weile im Mund behält.“